Wie sieht das journalistische Arbeiten der Zukunft aus? Wie kann die Einarbeitung und Einbeziehung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotz Homeoffice funktionieren? Und worin besteht gute Führung in Zeiten der Krise und danach? Mit all diesen Fragen setzte sich die Panelrunde D „Corona – Was haben Redaktionen gelernt?“ auseinander. Auf dem Podium vertreten waren Christian Eißner, leitender Redaktionscoach der Mehrwertmacher aus Dresden, Dr. Christian Sauer, Redaktionscoach aus Hamburg, und Holger Knöferl, stellvertretender Chefredakteur der Badischen Zeitung. Die Moderation übernahm Grit Baldauf, Regionalleiterin Mittelsachsen der Freien Presse.
Newsrooms umgestalten
Zum Auftakt des Panels stellte Baldauf die Frage, wer von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern noch so arbeitet wie vor der Pandemie. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: niemand. Eine (zugegebenermaßen nicht repräsentative) Kurzumfrage via Mentimeter von Redaktionscoach Dr. Christian Sauer untermauerte dieses Ergebnis. Danach arbeiten die Redaktionen aktuell überwiegend die Hälfte der Zeit aus dem Homeoffice. Bedeutet das, dass die Zeit der Newdesks, der kurzen Wege und des Zurufs nun vorbei ist? Sauer war sich sicher: nein. Aber dazu bedürfe es guter Führung und einer räumlichen Umgestaltung der Redaktionen. „Es wird Streuungszentralen geben, mit rund zehn Arbeitsplätzen und dem Charakter eines Newsrooms“, meinte der Coach. „Diese müssen aber anders gedacht sein. Es ist eine Illusion zu glauben, der Newsroom sei eine permanente Konferenz.“
Laut Sauer bilde sich aktuell ein Modell heraus, das Arbeiten im Homeoffice ein- bis zweimal die Woche vorsieht. In der Mitte der Woche müsse es dann eine „Begegnungsschiene“ geben mit entsprechendem Vor- und Nachlauf, wo sich das Team in Präsenz trifft und die Teambindung gefestigt wird. Für diese Begegnungen vor Ort müssten die Redaktionen die entsprechenden Räume schaffen. Empfehlung Nummer eins des Coaches: „Man kann nie genug in eine gute Kaffeemaschine investieren.“ Denn die Kaffeeecke sei ein Ort der Begegnung und des Austausches.
Gute Führung gefragt
Während es im Vormittagspanel primär um die neue Art des Arbeitens nach und während der Pandemie ging und das Thema Führung zunächst eher am Rande abgehandelt wurde, lag in der Nachmittagsrunde hierauf der klare Fokus. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass der Schlüsselfaktor für die Transformation in das neue Arbeiten in Post-Pandemiezeiten in guter Führung läge. „Führung ist in der Pandemie zum Vollzeitjob geworden“, sagte Sauer. Das fange schon in der mittleren Führungsebene an. Führungskräfte stünden vor der Aufgabe, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor der Homeoffice-Falle zu bewahren: sei es, dass sie dort vereinsamen, schlecht arbeiten oder das Arbeitsleben nicht mehr eindeutig vom Privaten abgrenzen können.
Die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibe eine Herausforderung, für die auch die Teilnehmer des Panels noch keine abschließende Lösung finden konnten. Einig war man sich: Die Teambindung muss trotz Homeoffice, mangelnder Präsenz und einer größeren personellen Fluktuation in den Redaktionen aufrechterhalten werden. Und neben all diesen neuen Herausforderungen stehen die Führungskräfte vor der zentralen Aufgabe, die Qualität ihres Mediums hochzuhalten und zu verhindern, dass die Redaktionen wieder in alte Gewohnheiten verfallen. Denn etwas Gutes habe die Pandemie hervorgebracht, wie Christian Eißner meinte: Durch die Pandemie habe sich der Fokus vom Terminjournalismus hin zum Themenjournalismus verschoben – und das spreche die Leserinnen und Leser an. „Plötzlich werden Geschichten gemacht und keine Termine“, sagte Eißner. „Die Pandemie hat hier wie ein Live-Experiment funktioniert: Wie arbeiten wir, wenn all unsere Anlässe wegfallen? Welche Themen setzen wir?“
Vorsicht vor der „Wohlfühlzone“
Und das mache sich auch in Zahlen bemerkbar. Während der Lokaljournalismus mit seinen Abos vor der Pandemie auf einem steilen Abwärtstrend gewesen sei, pendelten sich die Zahlen während Corona nahezu schwankungsfrei ein. Und mehr noch: Die Online-Abos der Lokalzeitungen kletterten in ungeahnte Höhen. „Digital hat es bei uns gerappelt. Wir haben Abos geschrieben wie die Weltmeister“, berichtete auch Holger Knöferl, stellvertretender Chefredakteur der Badischen Zeitung.
Eißner kam jedoch auf einen gefährlichen Rückwärtstrend zu sprechen. Jetzt, wo die Anlässe wieder da seien, würden viele Redakteurinnen und Redakteure dazu neigen, sich zurück in ihre „Wohlfühlzone“ zu ziehen und wieder klassischen Terminjournalismus zu machen. Eine Tendenz, bei der laut Sauer und Eißner wieder gute Führung gefragt sei. Das sei anstrengend und mühsam, aber einen anderen Weg gebe es nicht, so lautete auch das Fazit aus dem Publikum.
Viel Neues bei der Badischen Zeitung
Knöferl von der Badischen Zeitung skizzierte die Veränderungen, die seit der Pandemie in großen Schritten in seinen Redaktionen umgesetzt wurden. So hat die Badische Zeitung ihre Lokalredaktionen von 21 auf zwölf drastisch reduziert, Teams mussten neu geführt werden, Themen neu besetzt. „Homeoffice hat unsere Redaktion während Corona gerettet“, sagte Knöferl. „Es war gleichzeitig Katalysator und Beschleuniger.“ Rückblickend sei die Neustrukturierung für seine Redaktion genau richtig gewesen. Den Anstoß für diese Pläne habe bereits vor Corona die wirtschaftliche Situation der Zeitung gegeben. So hätten die Pläne zu Beginn der Pandemie zwar schon konzipiert, aber noch nicht umsetzungsreif in der Schublade gelegen. „Für uns war eine zentrale Lehre: Man kann vieles machen und auch vieles weglassen. Aber wenn es nötig wird, können Veränderungsprozesse schnell und konsensual vorangetrieben und mit großen Schritten gegangen werden“, resümierte Knöferl.
Fazit
Neben all der Herausforderungen strukturell, führungspolitisch wie auch qualitativ, waren sich alle drei Diskussionsteilnehmer einig: Die Pandemie hat für den Lokaljournalismus auch etwas Gutes gehabt. Die Zäsur hat funktioniert. Die Redaktionen haben Mut geschöpft und das Selbstbewusstsein entwickelt, sich mehr journalistisch zu betätigen, Themen hinter den Anlässen zu suchen. Und das kommt bei den Leserinnen und Lesern gut an. Jetzt ist die Führung gefragt, diese Entwicklung zu festigen und nachhaltig voranzutreiben, um auch weiterhin qualitativ hochwertigen Lokaljournalismus anbieten zu können.