Forum Lokaljournalismus 2022

Panel C: Paywalls – Mehr Mut zum Experiment!

Stefan Burggraf, Martina Grothe, Ralf Freitag

Martina Grothe, Alexander Marinos und Stefan Burggraf gingen in diesem Panel mit Moderator Ralf Freitag und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Frage nach, die sich für alle lokale und regionale Verlage stellt: Was bringt mehr – Reichweite oder Paid Content?

Für jede Redaktion stellt sich neben der inhaltlichen Arbeit die Frage, wie sich am meisten Menschen erreichen – und noch viel wichtiger – wie sie sich langfristig an die eigene Zeitung binden lassen. Nach der fast optimistischen Analyse Ralf Freitags, Pressesprecher der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, dass rund 90 Prozent der Besucher von Zeitungs-Webseiten am Ende nicht bei einem Abo landen, präsentierte die freie Journalistin Susanne Hoffman dem Panel per Video fünf Thesen der Paywall-Strategie von Zeitungen.

Interdisziplinär, hybrid, lokal – Kernpunkte des guten Paywall-Managements

Interdisziplinäre Teams, hybride Vorgehensweisen, lokale und regionale Inhalte als Selling Point, eine gute Informationspolitik innerhalb der Redaktionen und der Bedeutungsgewinn der Kundenbindung: Dies fünf Kernpunkte stellte Hoffmann als entscheidende Faktoren für jede Paywall-Strategie an. Aber was davon funktioniert in der lokalen Realität wirklich und was nicht? Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams steht dabei im Fokus. Sowohl Martina Grothe, Leiterin des Content Development bei der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ), als auch viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilten die Erfahrung, dass Interdisziplinarität nicht auf allen Ebenen funktioniere. Eine Einflussnahme auf redaktionelle Inhalte durch den Vertrieb – da waren sich alle Anwesenden einig – ist tabu.

Wer genau sind eigentlich unsere Adressatinnen und Adressaten?

Die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer durch möglichst effektive Expertise zu erkennen und zu erfüllen – das war für alle das große Ziel auch im Sinne einer effektiven Paywall-Strategie. Martina Grothe stellte dabei die Strategie der NOZ vor: Immer mehr mit Sinus-Milieus arbeiten, in die Zielgruppe gehen, Persona erstellen und anhand dieser langfristig Themen planen. Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, stellte dabei aber fest, dass dieser Ansatz nicht realitätstauglich sei: Oft werde es zu abstrakt und der Redaktionsalltag sehe einfach anders aus. Anschließend wurde die Forderung nach einer längerfristigen Planung, auch mit Hilfe von Umfragen und Panel, diskutiert. Martina Grothe verdeutlichte, wie wichtig es sei, mit den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor Ort zu sprechen: „Man fühlt sich gehört und kann zusammen etwas verändern.“ 

Alexander Marinos

Raum zum Ausprobieren

Stefan Burggraf, Business Consultant bei Fiare Oy in Finnland, berichtete aus skandinavischer Perspektive: Dort werde viel mehr ausprobiert, zwar teilweise auch mit einer höheren Fehlerquote, aber auch mit mehr Einsichten, welche Finanzierungsstrategien im Lokalen funktionieren. Beispielsweise könnten zeitgesteuerte Paywalls oder Crowd-Fundings eingerichtet werden. Marinos führte an, dass Bezahlschranken grundsätzlich flexibel sein müssten. Je nach Rechercheaufwand, Aktualität und Marktsituation sollten Reporterinnen und Reporter, auch in Zusammenarbeit mit dem Vertrieb, entscheiden, welche Inhalte Paid Content und welche kostenfrei sind. Fazit war, dass die gesamte Paywall Strategie klar kommuniziert werden müsse, damit man auch von außen verstehen kann, was hinter und was vor der Paywall steckt.

Ziel: Lokaler Qualitätsjournalismus

Insgesamt lebte das zweiteilige Panel davon, dass neben der Eingangsfrage viele andere Themen zur Sprache kamen, wie etwa wie Benutzerorientierung, digitale Transformation, Themenauswahl und der richtige Einsatz von Personal. Die Frage, wie sich Redaktionen und Verlage zukünftig anpassen und ändern müssen, um den Nutzerinnen und Nutzern gerecht zu werden, wurde dabei unterschiedlich beantwortet. Grundsätzliche Übereinstimmung: Lokaler Qualitätsjournalismus muss im Zentrum stehen. Kompetenzen und Bedürfnisse sowohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch der Nutzerinnen und Nutzer müssten weiter erkannt und genutzt werden.