Pressefreiheit? Hier würde der Gesetzgeber viel richtig machen. Aber die faktischen Voraussetzungen für ein vitales Pressewesen könne er sowieso nicht allein gewährleisten. Das meint zumindest Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, und er muss es wissen: Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgericht gibt zu Beginn der Podiumsdiskussion „Wie frei ist die Presse in Deutschland? Zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ einen Impuls zum Thema und zeigt, wo man die Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis der Pressefreiheit finden kann.
Er beginnt mit der konstituierenden Funktion der freien Presse für unsere Demokratie. „Der Bürger muss sich umfassend informieren, vergleichen können.“ Presse diene als Verbindungs- und Kontrollorgan, auch in einer Zeit außerhalb des Wahlkampfes. Das könne nur von Presseunternehmen geleistet werden, die sich frei bilden können und zueinander in
Konkurrenz stehen. Alles klar soweit. Aber, so fährt wer fort: „Das Recht der Meinungsäußerung, ist nicht ohne Schranken.“ Und die finde die Pressefreiheit in den allgemeinen Gesetzen. Der Staat sei berechtigt und verpflichtet, die Freiheitsrechte zu gewährleisten.
Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch, vor allem im Cicero Urteil, gezeigt, wie weit die Pressefreiheit tatsächlich auf diese Weise beschnitten darf. Und das sei „ziemlich pressefreiheitsfreundlich“, hielt Papier in drei Aussagen fest. Und die wären – grob vekürzt, ohne Gewähr auf juristische Richtigkeit der Begriffe:
Erstens reiche die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses durch einen Journalisten reicht nicht aus, um Durchsuchung und Beschlagnahmung zu begründen. Stattdessen müsste ein „dringender Tatverdacht“ bestehen – was sich für den juristischen Laien so anhört, als wäre das ein ziemlich hartes Kriterium. Ein Super-Sonderfall.
Zweitens, und das wäre ein wichtige Rechtssprechung schon in Bezug auf dass Spiegelurteil gewesen: Verfassungsrechtlich seien solche Durchsuchungen unzulässig, wenn sie vor allem dazu dienen, einen Informanten zu ermitteln. Ein Schritt in Richtung Informantenschutz.
Drittens, eine für Papier „ganz wichtige“ Aussage: Zwar finde die Pressefreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, aber nur dann, wenn sie gleich- und höherrangigen Schutzgütern dienen. Es gelte also eine Güterabwägung im Einzelfall. Damit richtete sich das Gericht, so Papier, implizit gegen den Wortlauf des Artikel 5 im Grundgesetz, der eine solche Abwägung nicht vorsieht. Dass die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit teils mit Persönlichkeitsrechten korrelliert, liege laut Papier auf der Hand. Das Bundesverfassungsgericht stellte zunächst fest, dass die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat darstellen, sondern auch ganz maßgeblichen Einfluss haben auf die Privatsrechtsebene. Das zeige sich auch an der Rechtsprechung 2008 in den „Caroline-Fällen“:
Es wurde diskutiert, ob die ziemlich boulevardeske Berichterstattung über Caroline von Hannover zulässig bzw. schützenswert sei. Ja, sagte das Bundesverfassungsgericht. Aber: Es sei ein Anliegen des europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewesen,die eine strengere Sicht zugunsten des Persönlichkeitsschutzes hätten. Und das in jedem Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen sei. Je nachdem, ob eine Sachdebatte von allgemeinem Interesse vorliegt oder nicht. Persönliche Neugierde reiche nicht da nicht aus. Reiner Voyerismus ist keine schützenwerte Motivation.
Und was lernen wir daraus? Laut Papier drei Dinge:
Erstens: „Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Einhaltung der Pressefreiheit sehr ernst“, und: „Die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit stehen in Deutschland europaweit relativ gut da.“
Zweitens: Das Spannungsverghältnis zwischen Pressefreiheit und privaten, persönlichen Interessen sei „kompliziert“.
Drittens: Der Staat kann einige Rahmenbedingungen, aber nicht das Endergebnis schaffen. Das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit sei in erster Linie ein Freiheitsrecht, gerichtet gegen den Staat. Es gewährleiste aber auch die Institution der freien Presse und eine wertsetzende, objektive Bedeutung für unsere Demokratie. Daraus folge für den Gesetzgeber, dass er sich schützend vor die Pressefreiheit stellen müsste, sagt Papier. Zum Beispiel im Kartellrecht. „Aber die faktischen Voraussetzungen für ein vitales Pressewesen kann der freiheitliche Staat nicht gewährleisten, nicht garantieren.“ Für die einzelnen Träger der Pressefreiheit folge daraus „keine Bestandsgarantie“ und keine „Binnenpluralität für die Presseorgane“. Das müssten andere machen.
Sie selbst?
Eine gewisse Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit könnte nicht verhindert werden, sagt Papier. Wie andere „Presseorgane“ dazu stehen, zeigt die nachfolgende Diskussion.