Folo 2014

Das Abschlusspodium … „Relevanz muss man sich leisten können“

Breit aufgestellt: Das Abschlusspodium

Breit aufgestellt: Das Abschlusspodium

„Welche gesellschaftspolitische Relevanz hat Lokaljournalismus heute?“ Diese Frage wurde auf dem Abschlusspodium des Forums diskutiert. Dabei waren Larissa Bieler, Chefredakteurin Bündner Tagblatt aus Chur in der Schweiz, Stefan Lutz, Chefredakteur des Südkuriers aus Konstanz, Michael Rümmele, Geschäftsführer des Nordbayerischen Kuriers, Professor Klaus Meier, Katholische Universität Eichstätt, Britta Bielefeld, Ressortleiterin Lokales beim Göttinger Tageblatt,  und Svenja Prins, Happy Thinking People München. Moderatoren waren Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers, und der Unternehmensberater Prof. Klaus Kocks.

 

Wie relevant ist Lokaljournalismus heute?

 

Prof. Meier meinte, Verlage müssten eben gesellschaftspolitisch begründen, warum sie gebraucht werden. Profit alleine könne hierbei nicht das Argument sein. „Es wird in manchen Regionen in zehn oder fünfzehn Jahren keine Verlage mehr geben“, sagte er. Er hoffe, dass dann gesellschaftlich Wege gefunden würden, damit es weiterhin Lokalberichterstattung gebe.

 

Schlagabtausch zum Mindestlohn

 

Stefan Lutz meinte, dass der „Abkehrschwung“ bei den gedruckten Tageszeitungen anhalten werde. Es gehe aber um die Frage der Zahl der Kunden. Lutz meinte, Ministerin Ilse Aigner hätte am Vorabend den Verlagen beim Thema Mindestlohn den Rücken stärken können.

Dagegen wandte sich Michael Rümmele vom Nordbayerischen Kurier ganz entschieden. „Da schimpfen Leute über den Mindestlohn von Zeitungsausträgern, die noch nie um 2 Uhr morgens bei Schnee Zeitung ausgeliefert haben“, empörte er sich. Dafür erhielt er regen Applaus vom Publikum.  Als „Verleger“ angesprochen, entgegnete Rümmele: „Ich bin kein Verleger, ich habe einen anständigen Beruf und bin Geschäftsführer.“

 

Konvergenz im Blick

 

Rümmele betonte, dass der Nordbayerische Kurier den Visionen seines Cheredakteurs folgen könne. Man komme nicht umhin, die Konvergenz zügig anzugehen. „Aber mal ehrlich: Viele Redakteure haben schon mit dem Schreiben ein Problem. Wir sollen die auch noch filmen?“

Larissa Bieler meinte, es werde viel gespart in den Redaktionen, gleichzeitig würden die Anforderungen ständig steigen. Aber gerade Journalisten mit lokaler Kompetenz würden gesucht. Sie betonte, die Offenheit gegenüber den neuen Kanälen sei durchaus vorhanden.  Britta Bielefeld vom Göttinger Tageblatt sagte, dass ihre Redaktionen schon seit Jahren mit unterschiedlichen Kanälen, etwa mit Facebook und Twitter, arbeite. „Das machen auch alle gerne“, sagte sie. Diese Konvergenz sei selbstverständlich.  Sie zeigte sich überzeugt, dass die Menschen sich dafür interessieren, was die Zeitungen machen. Auch wenn die Auflagen leicht sinken würden – die Klickzahlen sprächen eine andere Sprache.

 

Was ist Relevanz?

 

Was hatte Wissenschaftlerin Prins dazu zu sagen? „Relevanz ist nicht fest zementiert“, meinte sie.  Das Betonen der eigenen Relevanz sei schwierig in der heutigen Zeit. „Das Wort Relevanz verführt uns dazu, die Existenzberechtigung faktisch zu definieren.“ Der Leser entscheide selbst, was relevant sei. „Relevanz hat auch mit Lust und Motivation zu tun.“

Kocks meinte, dass sich unterschiedliche Dimensionen vermischen. „Reden wir über ökonomische Relevanz? Über publizistische Relevanz? Geht es um Online-Journalismus? Papier-Journalismus? Oder Papyrus-Journalismus?“

 

Wadenbeißer oder auf der Suche nach Harmonie?

 

Im weiteren Gesprächsverlauf ging es auch darum, wie hartnäckig und kritisch Lokaljournalismus sein soll. Meier sagte, bei Leserbefragungen komme immer heraus: „Wir wollen eine mutige Lokalzeitung. Aber auch eine faire. Niemand soll in die Pfanne gehauen werden.“ Manche würden zu sehr verurteilen, dass sei der falsche Weg.

Bieler betonte, dass sie beim Bündner Tagblatt keine „journalistische Aufgeregtheit“ anstrebten. „Brauchtum, Tradition, Kultur“ seien wichtig in ihrer Berichterstattung. Das heiße nicht, dass sie nicht auch Kontroversen austrügen, etwa auf der Seite 2 „Klartext“. „Ausgangspunkt ist es, eine Debatte zu entfalten.“ Lutz hob hervor, dass der Leser keine Bevormundung wünsche.

Rümmele betonte, dass das Geschäftsmodell Tageszeitung sich nicht mehr lohnen werde. „Gesellschaftliche Relevanz müssen sie sich leisten können.“ Hinzu komme eine „geistige Veränderung. Früher hat die Tageszeitung die Relevanz bestimmt. Da hat man nervende Leser mit 14 Tagen Aboentzug bestraft.“ Die Diskussion drehe sich im Kreise. Man müsse sich immer fragen, was die Menschen wollten. Auch Marktforschung bilde nur einen Ist-Zustand ab.

Lutz sprach von einer „Vollkaskoversicherung der Information“.  Das sei ein unglaubliches „Produktversprechen“. Man dürfe sich auch nicht vor Unterhaltung scheuen. Wenn solche Inhalte nachgefragt würden, müsse man sich darum kümmern.

„Wir haben die Leute früher 20 Jahre zwangsbeglückt mit dem Abo“, sagte Rümmele. „Das ändert sich aber. Die Leser ändern sich.  Natürlich brauchen wir noch gedruckte Exemplare. Aber wir leben davon, dass wir Informationen verkaufen. Auf welchen Kanälen ist mir egal.“

Prof. Meier schätzt, dass es auch in Zukunft Lokaljournalismus geben werde, aber in anderer Form, etwa als Blogs.

 

Lokaljournalismus im Dschungelcamp?

 

Sollen Lokalzeitungen auch über Boulevardthemen wie das Dschungelcamp berichten? „Bei acht Millionen Zuschauern verstehe ich die Frage gar nicht“, sagte Joachim Braun.

Prins meinte, man müsse untersuchen, was die Menschen wirklich an der Show interessiere. Bieler sagte, dass ihre Zeitung sich nicht nach solchen  Trends richte. Es gehe auch um Kontinuität, zur Not auch darum, anachronistisch zu sein.

Am Ende blieben also doch auch Fragen offen: Kakerlaken-Shows statt Vereinsberichterstattung? Relevanz mit oder ohne Leser? Das Lokale geht weiter – aber keiner weiß wo? Wer Antworten sucht, ist eingeladen, wieder einmal bei der drehscheibe vorbeizuschauen. Die Debatte geht weiter.

3 Kommentare

  1. Die Quintessenz: „Prof. Meier meinte, Verlage müssten eben gesellschaftspolitisch begründen, warum sie gebraucht werden.“
    – Lasst uns darüber debattieren und nach all den Jahrzehnten endlich einen Businessplan aufstellen!

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