Folo 2014

Relevanz und Augenhöhe – Praxisgespräch 2

Gespräch zum Thema "Relevanz und Augenhöhe"

Gespräch zum Thema „Relevanz und Augenhöhe“

Das Podium von Herrn Praetorius hallte noch nach. Lassen sich seine Modelle überhaupt in Lokalzeitungen umsetzen? Und wenn ja, was bedeutet es für die Zeitungen? Das war eine der Fragen der Praxis-Gesprächsgruppe 2 „Relevanz und Augenhöhe – Inhalte für lokale User“. Moderiert wurde die Runde von Lutz Feierabend, stellv. Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, und Nicole Amolsch, leitende Redakteurin der Heilbronner Stimme.

 

Was fragen Leser und User nach?

Lutz Feierabend präsentierte zunächst Grafiken zur Nutzung des digitalen Angebots des Kölner Stadt-Anzeigers. Die meisten Klicks gibt es demnach um 8/9 Uhr und um 12 Uhr. Bei der Nutzung über mobile Endgeräte seien die Kernzeiten morgens zwischen 5 und 7 Uhr, sowie abends ab 21 Uhr. Auch beim Kölner Stadt-Anzeiger könne man steigende Zugriffszahlen über mobile Endgeräte verzeichnen, sagte Feierabend.

 

Bei der Nutzung mobiler Apps gab es dennoch sehr unterschiedliche Erfahrungen, wie Publikumsmeldungen zeigten. Moderatorin Nicole Amolsch von der Heilbronner Stimme etwa sagte, die App ihrer Zeitung würde selten genutzt, weil die Leser schon die Onlineseite der Zeitung nutzen würden und damit zufrieden seien.

 

Jörg-Peter Rau vom Südkurier sagte, dass die App seiner Zeitung vor allem am Wochenende genutzt würde. Er konnte dabei feststellen, dass User, die von mobilen Endgeräten kommen, nur einen Artikel lesen, aber nicht länger auf der Seite verweilen. Eine Beobachtung, die auch Nicole Amolsch von der Heilbronner Stimme teilte. Auch sie sagte, dass viele Nutzer nur kurz auf die Homepage klicken, aber nie bis zu den hinteren Seiten durchklicken.

 

Was die Umstellung für die Redaktionsorganisation bedeutet? Die Entwicklung der Newsrooms und die Einführung von Frühschichten sei die größte Umstrukturierung in seiner Redaktion gewesen, sagte Lutz Feierabend. Besonders die Erkenntnis, dass Online-Nachrichten auch in den Abendstunden nachgefragt werden, sie dabei die größte Überraschung und Herausforderung gewesen.

 

Was bedeutet das für die Themenauswahl?

Frank Nipkau vom Zeitungsverlag Waiblingen sagte, er sei erschrocken darüber, welche Artikel am häufigsten gelesen werden. Auch er sieht die Entwicklung, dass vor allem „Blut“-Themen geklickt werden, also Unfallmeldungen, Einbrüche, Brände, gefolgt von Partymeldungen. Erst dann kämen die gut recherchierten Themen, die zwar in der Zeitung gut laufen, online aber kaum nachgefragt würden. Nipkau nennt das „Brände-betriebenen“ Journalismus. Dennoch würde dies keine endgültigen Schlüsse zulassen. So sei die erfolgreichste Ausgabe seiner Zeitung eine Weihnachtsausgabe gegeben – eine Ausgabe, aus der fast alle Sport- und Gewaltmeldungen herausgenommen wurden.

 

Frank Werner von der DeWeZet stellte die Frage, wie man auch unabhängig von Apps journalistischen Mehrwert schaffen könne. Gute Erfahrungen habe seine Zeitung mit der Digitalisierung des Archivs gemacht. So habe man auch ältere – wenig netaffine – Leser gewinnen können, die Interesse an historischen Themen haben. Zudem biete die Redaktion spezielle Schulungen für internet-interessierte, ältere Bürger an.

 

Greifen Lokalredaktionen bei der Themenauswahl auch auf lokale Blogs zurück, wollte Feierabend von den Teilnehmern wissen. Ja, sagte Britta Bielefeld vom Göttinger Tageblatt, dies sei selbstverständlich. Philipp Ostrop von den Ruhr Nachrichten hingegen sagte, dass ihn die meisten Nachrichten über twitter erreichen würden – er also gar nicht strukturiert lokale Blogs durchscannen müsse.

 

Amolsch verwies auf eine Studie, der zufolge die Verlässlichkeit von Quellen für die User eine untergeordnete Rolle spiele. Als bedeutendste Wissensquelle würden die meisten Befragten demnach Wikipedia wahrnehmen. „Spielen wir als Zeitung dann überhaupt noch eine Rolle“, fragte sie. „Die Leute wollen lieber eine gute, als eine wahre Geschichte lesen“, sagte dazu auch Rau vom Südkurier.

 

Lässt sich ein Fazit ziehen? Man müsse nicht nur zwischen Print und Online unterscheiden, sondern auch genau überlegen, welche Geschichte auf welchen Kanal verbreitet wird, sagte ein Teilnehmer.

 

Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte

Auch im zweiten Teil der Gesprächsrunde, am Nachmittag, war die Verlässlichkeit von Quellen eines der Themen. Wiebke Möhring etwa sagte: „Die Leute suchen nicht direkt nach verlässlichen Quellen. Sie suchen eine Nachricht. Und wenn eine entsprechende Zeitung unter den ersten Treffern bei google ist, dann gehen die User halt dahin.“ Harald Klipp vom Ostholsteiner Anzeiger und Sarah Hinney von den Weinheimer Nachrichten widersprachen. Beide sagten, dass Leser sehr wohl direkt auf die Zeitung zurückgreifen, um Neuigkeiten zu erfahren, und gegebenenfalls sogar Fragen an die Redaktion stellen würden. „Das Vertrauen in die Lokalzeitung ist da. Wichtig ist, dass wir es nicht verspielen“, sagte Hinney.

 

„Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte, unabhängig vom Ort“, sagte Christian Lindner von der Rhein-Zeitung. Oftmals habe seine Zeitung „starke emotionale Geschichten“ aus kleinen Ortschaften nicht nur auf die regionale Onlineseite, sondern sogar auf die Gesamt-Startseite der Zeitung gestellt. Auf die Frage, ob Themen wie das „Dschungelcamp“ in der Online-Berichterstattung seiner Zeitung eine Rolle spielen, verneinte Lindner. „Wir befassen uns mit den wirklich regionalen Themen, alles andere, was andere Anbieter auch machen, findet bei uns nicht statt.“ Auch Uwe Renners von den Westfälischen Nachrichten sagte, er verzichte auf alles, was keinen regionalen Bezug hat.

 

Jens Nähler von der HNA widersprach. Sendungen wie das „Dschungelcamp“ und „Wetten dass“ seien sehr wohl lokale Themen – einfach weil sie von Lesern aus der Region geguckt werden.

1 Kommentare

  1. oh, wirklich überraschend, dass sich auch Verlage / Redaktionen nach ihren Kunden richten sollten.

    Apps halte ich oft für unnötig, weil sie die Offenheit und Vielfalt des Internets beschränken, das Onlineprodukt wieder zu einer begrenzten Sacfe machen.

    Die Frage, was lokal bzw. lokal relevant ist, ist eine spannende. Der Weg, nur über das zu berichten, was man exklusiv bieten kann – sei es der Inhalt oder die Aufbereitungsart -, klingt gewagt, aber mutig gut.

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