Praxisgespräch V.: „Lösungen für Smartphone, Tablet oder Web-App“. Sechs Uhr morgens an einem Wochentag: Der Wecker des Smartphones klingelt zur gewohnten Zeit. Schnell das störende Geräusch mit der Schlummerfunktion abstellen. Noch einmal kurz umdrehen, nach ein paar Minuten erklingt das lästige Geräusch erneut. Entweder jetzt oder spätestens beim Frühstück nimmt so manch einer den Dauerbegleiter Smartphone zur Hand. Es werden aktuelle Nachrichten gelesen. Erste Tweets mit den Followern geteilt. E-Mails kontrolliert. „Es gibt morgens einen dramatischen Anstieg der mobilen Nutzung “, sagt Philipp Ostrop, Leiter digitale Inhalte und Mitglied der Chefredaktion der Ruhr Nachrichten in Dortmund, im Praxisgespräch 5. „Die Nutzungs- und Lesegewohnheiten ändern sich und wir ziehen Konsequenzen.“
Digitale Zusteller
Die sehen so aus: Bei den Ruhr Nachrichten gibt es beispielsweise zwei neue Social-Media-Redakteure. Diese zwei Journalisten „sind die digitalen Zusteller“. Eine weitere Neuerung ist der Chefredakteursnewsletter, den die Redaktion täglich morgens um 5 Uhr an etwa 10 000 Empfänger via E-Mail verschickt. Eine günstige Möglichkeit, möglichst viele Leser zu erreichen. „Alles was wir tun, muss mobil funktionieren. Inhalte natürlich auch.“ Davon ist Ostrop überzeugt. Soziale Netzwerke seien der neue Vertriebskanal für Informationen.
Ein weiteres Produkt, das die Ruhr Nachrichten in der BVB-Stadt eingeführt haben, ist eine digitale Sonntagsausgabe. Diese erhalten nur Abonnenten des E-Papers. „Das ist eine Printausgabe, die wir einfach nicht drucken“, sagt Ostrop. Nur sei das E-Paper magazinähnlicher gestaltet und mit längeren Lesestücken gefüllt. Die Ausgabe für Montag wird dementsprechend angepasst und ist für alle Leser dann wieder die gleiche. Seitdem es die digitale Sonntagszeitung gebe, „haben die Ruhr Nachrichten etwa 1500 neue E-Paper Kunden dazugewonnen.“
S-Vibe
Bei den Stuttgarter Nachrichten war es die E-Mail eines Lesers, die der Auslöser für die Entwicklung einer neuen App war. Das Ergebnis: S-Vibe. Eine App, die sich auf Stuttgarter Lokalnachrichten konzentriert und für die Generation Facebook besonders attraktiv ist, sagt Tobias Köhler, Leiter Strategie und Innovation, Südwestdeutsche Medienholding Stuttgart.
Doch was unterscheidet die App von herkömmlichen Nachrichtenapps? Zum einem ist sie als Ergänzung zum Angebot der Stuttgarter Nachrichten gedacht. Zum anderen haben die Medienmacher keinen Einfluss darauf, welche Themen in der breiten Kachelstruktur dem Leser zuerst präsentiert werden. Dies geschieht mittels eines Algorithmus. Die Aktualität und die Klickzahlen eines Artikels entscheiden, wie er positioniert wird. Die Klickzahlen sind bei der App gleichzeitig eine Bewertung der Themen, was durch das Swipen erfolgt. Interessiert eine Meldung nicht, kann sie einfach weggeschoben werden und verschwindet aus der Liste. Eine Navigation, beispielsweise durch Ressorts, fehlt. „Schnell, schlank, schick und nur für Stuttgart.“ Das sei der Slogan, nach dem die Journalisten und Programmierer die App konzipiert haben.
Wie lässt sich mit diesen Produkten Geld verdienen? „Wenn eine große Masse mit den Angeboten erreicht wird, ist der Werbeumsatz durchaus ein Thema“, sagt Martin Jungfer, Leiter Redaktionsmarketing und Produktmanagement Reach bei der Neuen Züricher Zeitung, der das Gespräch moderiert hat. „Ob ich Erfolg habe, das hängt von meinem Produkt ab“, sagt Köhler. Wichtig sei es, ein solches langfristig attraktiv zu machen. Köhler gab seinen Kollegen den Rat, einfach mal ein bisschen rumzuspinnen, Dinge auszuprobieren und Spaß daran zu haben. So könnten Innovationen entstehen.
Begeistert von den vorgestellten Ideen zeigte sich so mancher Journalist auf Twitter. „@tokoe und @PhilippOstrop liefern zum Beispiel smarte Ideen und Lösungen in Hülle und Fülle, wie es besser geht.“, twitterte Christoph Linne, Chefredakteur Oberhessische Presse. Michael Bröcker, Chefredakteur Rheinische Post, twitterte: „Von @ruhrnachrichten und @PhilippOstrop kann man viel lernen! Spaß am Digital Journalism!“
Text: Theresa Leberle