Wie kommt man ran an das richtige Publikum? Gibt es überhaupt ein richtiges oder falsches Publikum? Diese Fragen beschäftigten ein Podium am Mittwochnachmittag.
Yannick Dillinger, Leiter Digitales und Mitglied der Chefredaktion der Schwäbischen Zeitung, moderierte das Panel. Seine Gesprächspartner waren Rebekka Schmidt, Human Centered Innovation, Frauenhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services Nürnberg, Lars Reckermann, Chefredakteur der Nordwest-Zeitung aus Oldenburg, und Michael Husarek, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten.
Dillingers erste Frage ging an Rebekka Schmidt: „Was ist überhaupt richtiges oder falsches Publikum?“
Sie meinte: „Es gibt nicht das falsche Publikum, man kann alle irgendwo abholen. Alle sind die Richtigen.“ Es hänge von der Zeitung, dem Verlag ab.
Nürnberger im Labor
Die Nürnberger Nachrichten lassen sich von der Suche nach ihrem Publikum vom Frauenhofer-Institut beraten.
Zunächst kooperierten sie dabei mit dem Josephs-Institut, einem Innovationslabor des Frauenhofer-Instituts. In dem Institut wird werkstattartig an der Verbesserung von Innovationen gearbeitet. Ob es bei dieser Art Kooperation auch Widerstände im eigenen Haus gegeben habe, wollte Dillinger wissen. Ja, die habe es gegeben, räumte Husarek ein, „aber die Zeiten, sich damit auseinanderzusetzen, sind vorbei“.„Wir müssen es jetzt machen, sonst schluckt uns irgendwann der Markt.“ Die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen ziehe inzwischen gut mit.
Was hat Husarek aus der Werkstatt mitgenommen?
„Wir waren als Marke gar nicht richtig erkennbar.“
Unter anderem habe man bei Josephs Dummies gebaut, etwa eine personalisierte App. „Wir dachten, wir seien da Trendsetter“, erzählte Husarek, „uns wurde aber gespiegelt: ‚Wir brauchen keine weiteren Echokammern, mit euch als Zeitung verbinden wir eine Gate-Keeper-Funktion, Facebook und dergleichen gibt es schon.’“ Das sei eine schmerzhafte Erfahrung gewesen.
Man versuche, erst herauszufinden, wofür sich Leute interessieren, „bevor wir sie mit Produkten beglücken“, sagte Husarek. Man kooperiere dauerhaft mit dem Frauenhofer-Institut beim Thema Innovation, was sehr spannend sei: „Die nehmen uns auseinander, zum Teil sind das erschreckende Ergebnisse.“
Was hat das Labor im Josephs gekostet?
„Einen niedrigen fünfstelligen Betrag“. Aber man müsse Geld in die Hand nehmen. Es sei nicht gut, wenn jedes Verlagshaus für sich selbst solche Innovationslabore durchführe, man sollte eigentlich in solchen Projekten kooperieren. Mehr zur Kooperation der Nürnberger Nachrichten mit Josephs hier im Interview mit Rebekka Schmidt.
Duell der Felder im Norden
Reckermann berichtete von den Erfahrungen der Nordwest-Zeitung auf der Suche nach dem Publikum. „Wir haben unsere Redaktionskonferenz geöffnet, laden grundsätzlich Kritiker ein, wir hatten schon 100 Gäste da sitzen und haben 100 verschiedene Antworten erhalten“, sagte er. „Dabei können wir mittlerweile messen, was gut läuft. Wir beobachten auch, was anderswo gut läuft, das klauen wir dann auch ganz frech.“
Anschließend berichtete er vom „Duell der Felder“, einer Aktion der Nordwest-Zeitung im Sommer 2017, einer Art Wettbewerb der Redaktion mit Landwirten aus der Region: Wer bestellt sein Kartoffelfeld am besten?
„Die Landwirte haben uns damals gesagt, sie bräuchten uns als Zeitung nicht. Also haben wir überlegt, was wir machen können.“ So entstand die Idee, das Duell mit den Bauern zu veranstalten. „Wir haben den ganzen Sommer Kartoffeln gepflanzt und geerntet.“ Aber mehr Abos habe man nicht verkauft. Allerdings seien die Youtube-Videos ein Erfolg gewesen. Das erste sei 120.000 aufgerufen worden. Und warum? „Weil die Leute wissen wollten, mit welchem Trecker wir gemäht haben. Wenn ich weiß, dass sich die Leute in der Region so für Trecker interessieren, warum habe ich dann nicht jede Woche einen in der Zeitung?“ Zustimmendes Gelächter.
Wir sind die Roboter
Reckermann räumte ein, dass die Nordwest-Zeitung mit automatisiert erstellten Texten arbeite. „Der Roboter macht Wetter, lokale Spielergebnisse werden vom Roboter erstellt.“ Zweifel an dieser Art des Journalismus? „Jeder, der mal in der Lokalsport-Redaktion die unteren Ligen bearbeitet hat, der war auch ein Roboter“, meinte Reckermann. Roboterjournalismus schaffe mehr Zeit zum Recherchieren, eröffne Freiräume. „Damit experimentieren wir.“
Husarek ergänzte: „Wir haben zum Thema Roboter Themenabende im Jospehs gemacht, haben Texte zur Abstimmung gegeben, es war letztlich bei bestimmten Themen nicht zu erkennen, wer die Texte geschrieben hat. „Was die Maschine machen kann, soll sie tun. Was wir besser machen, sollen wir tun“, sagte er.
Beide Zeitungen kennzeichnen es nicht, wenn die Texte automatisch, vom Roboter, erstellt wurden. Welche ethischen und presserechtlichen Fragen daraus womöglich erwachsen könne, wurde leider nicht weiter erörtert. Auch bei der Frage nach Kooperationen mit Google spielten solche Fragen eher keine Rolle.
Husarek und Reckermann können sich solche Kooperationen mit Google vorstellen. „Mein Produkt soll Zukunft haben, mit welcher Hilfe ist mir relativ egal“, sagte Husarek. Aber wie weit soll man gehen für sein Produkt? Eine Frage, die auch das vorhergehende Podium „Reichweite versus Qualität“ schon beschäftigt hatte. Sicher nicht zum letzten Mal auf diesem Forum.