Forum Lokaljournalismus 2022

Wenn es Fischstäbchen, Sushi & Co. nicht mehr gäbe

Die Talkrunde der Sponsoren des Forums zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Fischbestände. V.l.n.r.: Kai-Arne Schmidt, Felix Ahlers, Rabea Diekmann und Helge Matthiesen.

Am Mittwochnachmittag setzten sich auf dem Forum Lokaljournalismus Vertreterinnen und Vertreter von Frosta, Fischkutter und der Hochschule Bremerhaven mit der Wirkung des Klimawandels auf Fischbestände, Erzeuger und Verbraucher auseinander und eröffneten damit eine lokale Perspektive auf die Fischerei.

Als Aufhänger führte Moderator Helge Matthiesen, Chefredakteur des Bonner General-Anzeigers, ein Zitat aus Süddeutschen Zeitung an, wo eine Biologin aus München meinte: „Guten Gewissens kann man eigentlich nur noch Süßwasserfische essen!“ Kai-Arne Schmidt, Geschäftsführer von Kutterfisch und Deutsche See, reagierte prompt: „Das hat die Frau leider schlecht recherchiert.“ Seine Jungs – wie er seine Mitarbeiter liebevoll nennt – würden sich an alle EU-Regularien halten, sodass man seinen Fisch ruhigen Gewissens essen könne. Felix Ahlers, Vorstandsvorsitzender der Frosta AG, ergänzt, dass die die Süßwasserfischerei ohnehin oft ohne Vorgaben stattfände und die Bestände daher nicht nachhaltig reguliert werden könnten.

Die ideale Vorstellung des Meeres als unberührter Raum

Rabea Diekmann brachte die Sichtweise aus der Forschungsperspektive ein. Die Konrektorin für Forschung, Transfer und Weiterbildung an der Hochschule Bremerhaven sprach das Problem an, dass ein Drittel der Bestände überfischt seien. Sie sprach das Thema Überfischung in der Berichterstattung an. Man müsse von der idealen Vorstellung wegkommen, dass das Meer ein unberührter Raum sein könne. Bei bald acht Milliarden Menschen auf dem Planeten – Tendenz steigend – könne man sich nicht nur auf die Versorgung durch Landlebensmittel verlassen.

Eine Frage der Priorität

„Fisch gilt grundsätzlich als gesund und hat daher einen größeren Wert für die Verbraucher. Was zertifiziert oder klimafreundlich ist tritt zunächst einmal zurück“, sagt Ahlers. Die Konsumentinnen und Konsumenten scheinen da recht egoistisch, auch wenn die Teilnehmer des odiums eine Kehrtwende insbesondere bei der jungen Generation sahen. Dennoch sei der Aspekt der Nachhaltigkeit beim Kauf auch im Zertifizierungsland Nummer eins, Deutschland, noch nicht auf der obersten Priorität. „Als Hersteller ist es daher auch unsere Aufgabe mehr auf pflanzliche Proteine zu bauen“, sagte Ahlers.

Die Fischerei – ein bedrohtes Feld

Da man beim Fisch die Bestände nicht steuern könne, wird auch bei der Lebensmittelindustrie die Notwendigkeit immer größer, auch auf pflanzliche Proteine zu setzen. Hier spielt auch mit rein, dass durch die hohen Energiepreise die Lebensmittelkosten steigen. „Es muss ein Wandel kommen, die Frage ist nur, wie viel der Verbraucher bereit ist, dafür auszugeben“, sagte Ahlers. Für Schmidt stellt diese Veränderung aber keine Bedrohung seines Fischereiunternehmens dar: „Der Fisch wird da verkauft, wo er den größten Preis erzielt – und das ist in der Regel nicht Deutschland.“ Aber dadurch wird noch eine ganz andere Problematik aufgeworfen: Während Fischerei in Europa stark reguliert sei, ist die Überfischung global eine große Herausforderung. Alles, was außerhalb der gesetzlich festgelegten Fischereigebiete liegt, ist gesetzloser Raum, in dem Natur und Mensch geschädigt werden.

Die Nachfrage steigt, während das Angebot sinkt

Mit einer kritischen Nachfrage aus dem Publikum, wie die Podiumsteilnehmer zu der Aussage aus der Doku Seaspiracy stehen würden, dass die Meere leergefischt würden, wendete sich die Diskussion dem Thema der Quotenregelungen zu. Die aktuellen Entwicklungen seien besorgniserregend, hieß es vom Podium, aber es gelte Dinge im Kontext zu betrachten und einzuordnen. Das Einhalten der Vorgaben der EU sei sehr wichtig. Andererseits machten diese häufig keinen Sinn mehr, weil sich die Gegebenheiten verändert hätten. „Quoten können nicht mehr ausgefischt werden, da sich die Fische in neuen Räumen, außerhalb der ausgehandelten Seeräume ansiedeln“, erklärte Diekmann. Schmidt ergänzte, auf die Frage, wie diese Vorgaben denn umgesetzt würden, dass diese nur schwer kontrollierbar seien und in der Realität auf dem Schiff nicht kontrolliert würden. Daher setzt er mit seinem Team freiwillig auf Kameras an Bord seiner Schiffe.

Windkraft auf See – Auswirkungen auf die Fischerei

Die zunehmende gesellschaftliche Relevanz des Umweltschutzes betrifft die Fischerei aber auch noch auf eine ganz andere Art und Weise: Durch riesige Windkraftparks im Meer – und damit in ehemaligen Fischeigebieten. „Bei der marinen Raumplanung wird die Fischerei oft nicht berücksichtigt“, sagte Diekmann. Durch den Bau von Windrändern wird der Boden im Meer verändert, was Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem hat. Dadurch verlagern sich die Fischbestände, zum Beispiel gen Norden, und neue Arten siedeln sich an – diese sind in Deutschland aber eher unbeliebt. Windkraftanlagen, wie auch die Fischerei sehen sich häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, in die Ökosysteme einzugreifen und sehr umweltschädigend zu sein. Gegen die pauschalisierende Verurteilung wehrten sich die drei Gäste. Diekmann wendet sich daher mit einer Bitte an die Journalistinnen und Journalisten: Gründlich zu recherchieren, Kontexte zu erfassen und Pauschalisierungen zu vermeiden.

Text: Lea Willhoff und Lea van der Pütten, Volontärinnen der Bundeszentrale der Bundeszenrale für politische Bildung/bpb


Weiter im Text: Corona, Krieg, Klimawandel – vor welchen Herausforderungen der Lokaljournalismus aktuell steht, hat Prof. Dr. Alexandra Borchardt in ihrem Vortrag auf dem Forum beleuchtet.