Forum Lokaljournalismus 2024
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Panel A: Alle Inhalte überall

Wie Lokaljournalismus auf verschiedenen Kanälen funktioniert und was erfolgreich ist, darum sollte es auf dem 26. Forum Lokaljournalismus bei Panel A gehen. Die Moderation übernahm Jens Ostrowski, Chefredakteur der Ruhr Nachrichten. (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Ein Projekt der Freien Presse

Franziska Pester, Leiterin Digitales bei der Freien Presse, stellte zunächst „Wir in Mittweida“ vor, ein Projekt für hyperlokalen, digitalen Lokaljournalismus (siehe drehscheibe-Interview mit Franziska Pester) Sie schilderte den Grundgedanken, die Planungs- und Umsetzungsphase und berichtete von den Erfahrungen der Redaktion. Es ging darum, sehr viel hyperlokaler bzw. sublokaler zu werden, als man das zuvor in der Mittweidaer Lokalausgabe gewesen war.

Die Menschen aus Mittweida hätten sehr positiv auf die Redaktion reagiert, erzählte Pester. Es gab Nachfragen, Anschreiben, auf Facebook bildete sich eine „tolle Community“, wie sie meinte. Aber wie sah es um den wirtschaftlichen Erfolg aus? „Es war ein reines Zuschussgeschäft“, räumte Pester ein. Außer ein paar Probeabos sei nicht viel hängen geblieben. „Das war aber auch nicht das Ziel des Projekts“, sagte sie. Man sei näher an die Zielgruppen herangekommen und könne nun die Erfahrungen an andere Lokalredaktionen weitergeben.

Erfahrungen der Rheinpfalz

Anschließend berichtete Uwe Renners, stellvertretender Chefredakteur Digitales der Rheinpfalz, von den Erfahrungen seiner Redaktion mit Newslettern. Es ging darum, den Fokus auf die Interessen und Bedürfnisse großer Zielgruppen zu richten. Die Redaktion erstellt inzwischen diverse Newsletter: einen Familien-Newsletter, einen Verbraucher-Newsletter, einen FCK-Newsletter (Fußball), einen Fahrrad-Newsletter, Chefredakteurs-Newsletter usw. Der WWL-Newsletter („Wissen, was läuft“) hat rund 28.000 Abonnenten, der Pfälzerwald-Newsletter 13.000, der Familie-Newsletter 6700.

„Die Audience muss den Weg zu den Inhalten finden und die Inhalte den Weg zur Audience“, sagte Renners. Ein Grundgedanke dabei: „Um ein Abo abzuschließen, muss jemand regelmäßig die Inhalte finden, die ihn interessieren.“ Ein anderer Aspekt: „Kuratieren von Inhalten“. So können man etwa die Wein-Themen (die Rheinpfalz erscheint in einer Weinregion), die in verschiedenen Lokalausgaben erscheinen, bündeln. Renners zeichnete ein sehr positives Bild von den Möglichkeiten, die sich durch Newsletter ergeben.

Erkenntnisse aus der Wissenschaft

Prof. Dr. Karin Boczek, Juniorprofessorin für digitalen Journalismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, bot anschließend einen Überblick über die Entwicklung der Ausspielkanäle, sowohl auf der Ebene der Rezeption als auch der Produktion – von Print bis hin zu Smartwatches, die inzwischen auch News ausgeben. Die Entwicklung sei rasant und längst nicht abgeschlossen. Im Mittelpunkt ihrer Forschung steht der Konsument der Nachricht. Wo erhält er die Nachricht? Auf welchen Kanälen? Wie wirken die Nachrichten auf verschiedenen Kanälen, wie erreichen sie den User? Der Name ihrer Studie: „Adapting to Affordances and Audiences“.

Für Boczek gilt: Man müsse die Entscheidung für oder gegen eine Plattform selbstbewusst und informiert treffen und dürfe nicht einfach alles machen, nur weil es vorhanden ist. Die Basisfragen seien: Welche Zielgruppen wollen wir erreichen? Was sind unsere strategischen Ziele?

Sie sprach auch von einer „Journalismusunterstützungskultur“: Zum Beispiel könne man teurere Abos für Unterstützer einführen, etwa für Wirtschaftsvertreter, also unterschiedliche Abopreise für unterschiedliche User. Die Frage sei: Wie wichtig ist Journalismus nicht nur für mich, sondern für die Community, die Region?

Ein ambitioniertes Vorhaben im Ruhrgebiet

Jens Ostrowski stellte schließlich das „Projekt plus eins“ der Ruhr Nachrichten vor. Die Dortmunder wollen am Ende des Jahres 2024 ein Abo mehr haben als zu Beginn des Jahres. Dafür müssten sie 3500 neue Abos akquirieren, denn man rechnet im Jahresschnitt mit dem Verlust von 3500 Abos.

Wie will man das Ziel erreichen? Man will 100 Prozent Content nach den neuen, eigenen Erkenntnissen produzieren. Dabei will man zurückgreifen auf Erfahrungen aus Norwegen und Belgien, wo man Redaktionen besucht und sich kundig gemacht hat.

Stichwort der Content Blaupause sind etwa:

  • User Needs,
  • Engagement-Faktoren
  • No story without people, human touch
  • verbesserte Bespielung aller Kanäle
  • Live und Bewegtbild wann immer möglich
  • ohne Kompromisse!

Ausschließlich nach dieser Content Blaupause soll gearbeitet werden. Dafür wird die Redaktion aufgeteilt in drei Bereiche:

  • Team Longread (z.B. Gesundheit, Soziales, Food/ Freizeit, Immo/Wirtschaft etc.}
  • Performance Desk (alles rund um Distribution, Datenanalyse, Sendeplan, Portalsteuerung etc.)
  • Team Breaking und Update (Live-Berichterstattung)
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drehscheibe-Gespräch mit Jens Ostrowski in Eichstätt

Was ist neu?

  • z.B. Verkehrsticker Dortmund (Hier fungieren fünf Taxifahrer als freie Mitarbeiter)
  • Video-Liveteam
  • Acht neue Reporter (bisher 20 Stadtteil-Reporter)
  • Performance Manager
  • Republishing Evergreen Content (jeden Tag werden Geschichten neu veröffentlicht, Geschichten werden während der Woche wiederholen)
  • Society Content
  • Neue Newsletter-Strategie (morgens, mittags, abends, beste Links rein, ohne Ansprache, Öffnungsrate verdreifacht)
  • Tiefe Recherchen (Vier Kolleginnen und Kollegen, die sich um tiefe Recherchen kümmern)
  • Top- und Raketenthemen (jeden Tag vier „Topthemen“ und ein „Raketenthema“)

Die Zahlen sprechen schon jetzt für das Projekt: Man habe es zwar erst zu zehn Prozent umgesetzt, aber die Abo-Zahlen würden bereits spürbar steigen, sagte Ostrowski.

Das Panel bot alles in allem jede Menge Anregungen und Erkenntnisse zum Thema Inhalte und Kanäle. Die Entwicklung hier ist in vollem Gange.

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