Was zählt in der Wahlberichterstattung? Für welche Inhalte sollte eine Redaktion angesichts der kommenden Bundestagswahl besonders gewappnet sein? Um diese Fragen ging es im letzten Beitrag des zweiten Tages. Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks (DLF), gab ihre Einschätzungen ab und lieferte außerdem ein Best-Practice-Beispiel aus der eigenen Redaktion. Die Moderation übernahm Jürgen Haar, Chefredakteur der Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung.
Folgende Themen und Aufgaben für den Journalismus benannte Wentzien in ihrem Vortrag:
Außenpolitik
Früher habe es geheißen, dass mit dem Thema Außenpolitik keine Wahlen zu gewinnen seien, erzählt Wentzien. Aufgrund des Wahlsieges von Donald Trump und der Verschiebungen innerhalb der westlichen Welt, sei dies jedoch heute anders. So könne womöglich auch erstmals mit dem Thema Europa gepunktet werden, da dabei heute vor allem die gemeinsamen demokratischen Werte im Mittelpunkt stünden. Im Lokalen sei das Thema Europa besonders in den Grenzregionen präsent.
Innere Sicherheit
Das Thema sei durch Terroranschläge und Krisensituationen so relevant wie nie. Beim Deutschlandfunk versuche man diese Themen nicht nur anhand der großen Aufhänger sondern vielmehr innerhalb kleinerer Formate anzugehen, darin etwa belastbare Quellen prüfen. Dabei spielten die Nachrichtenredaktionen mittlerweile eine deutlich größere Rolle. Für sie sei es entscheidend, mobile Geräte und Apps zu bespielen: „Der Kampf um Nachrichten wird auf dem Smartphone gewonnen oder verloren“, meinte Wentzien.
Transparenz bei Fehlern und dem eigenen Handwerk
Man habe in Anschlags- und Krisennächten gelernt, „im Feuer zu stehen“ und eigene Fehler und Unsicherheiten zu korrigieren. In diesem Zusammenhang sprach Wentzien gar von einem Kulturwechsel innerhalb der Branche. So verfüge der DLF etwa seit anderhalb Jahren über eine eigene Fehlerrubrik.
In diesem Zusammenhang forderte Wentzien die Teilnehmer dazu auf, mehr Transparenz in Bezug auf das eigene, journalistische Handwerk zu zeigen: Journalisten sollten mehr von Ihrer Arbeit erzählen. Generell werde vom Journalismus zu viel erwartet und zu wenig gewusst. Laut Wentzien sei es an den deutschen Journalisten dafür zu sorgen, dass sich hierzulande nicht US-amerikanische Verhältnisse einstellten. Dort gebe es kein einziges allgemein anerkanntes Medium mehr, alle Nutzer blieben ausschließlich in ihren eigenen Informationsblasen. Der Untergang des amerikanischen Lokaljournalismus sei eine der Ursachen für Trumps Wahlerfolg. „Wer erklärt Menschen in Idaho politische Zusammenhänge aus Washington?“, fragte Wentzien. Die Sprache der Politik sei auch hierzulande „schauderhaft“. Es sei Aufgabe des Journalismus, diese Sprache für seine Leser zu übersetzen.
Best-Pracice-Beispiel vom Deutschlandfunk
Baden-Württemberg-Korrespondentin Uschi Götz besuchte für eine Reportage einen Unternehmer, der einen Flüchtling einstellen wollte, und dabei auf unzählige Probleme mit der Bürokratie stieß: