Einer der Letzten seiner Art spricht Mittwochmorgen in Gummersbach über das „Dranbleiben trotz Gegenwind“ im Lokaljournalismus. Ekkehard Rüger, „Einmann-Redakteur“ und „Landei“ berichtet seit bald 18 Jahren aus der 19.000 Einwohner großen Stadt Burscheid (bei Leverkusen) für die Westdeutsche Zeitung.
„Früher habe ich mir immer gedacht: Meine Kinder sollen nie in den Sportverein gehen, über den ich berichte. Der private Blick verklärt den beruflichen, in dem ich in Köln wohne, wahre ich die Distanz“, erzählt Rüger. Heute steht sein Haus in der Nähe der Redaktion, sein Sohn geht in den lokalen Sportverein und seine Frau ist Pfarrerin in der Stadtgemeinde. Verwobener kann man mit einem Ort kaum sein. „Mein jahrelanger Distanzschutz des Siezens bricht immer mehr zusammen und wenn ich in Burscheid Gegenwind bekomme, dann ist das schnell auch persönlicher Art.“
Wie etwa aktuell. Am Sonntag gab es in Burscheid einen Bürgerentscheid zur Umbenennung der Fritz-Halbach-Straße. Fritz Halbach, bekannt für seine Förderung der Bergischen Mundartkultur, war bereits Anfang der 30er Jahre bekennender Antisemit und Nationalsozialist. Als das eine wissenschaftliche Überprüfung bestätigte, beschloss man die Straße umzubenennen, Rüger berichtete extensiv – mit Erklärstücken, Kommentaren, Glossen und schon bald regte sich nicht nur gegen die Umbenennung der Straße Widerstand, sondern auch gegen den Lokalredakteur – offline wie auch in den sozialen Netzwerken. „Da waren Leute dabei von denen man das nicht vermuten würde, viele WZ-Abonnenten, Leute mit interkulturellem Engagement“, erzählt Rüger.
Auf den Tonfall kommt es an
Die Folgen für die Zeitung und für ihn persönlich seien noch nicht absehbar. Bisher hat Rügers kritische Berichterstattung aber noch keine dauerhaft verbrannte Erde hinterlassen. Selbst als er 2005 über Korruption in den kommunalen Stadtwerken schrieb, wofür er den Wächterpreis bekam, sprachen betroffene Aufsichtsräte und Politiker trotzdem noch mit ihm. „Ich glaube, das liegt an dem Tonfall meiner Berichte“, sagt Rüger, „es ist wichtig auch der kritisierten Seite genügend Raum zu geben und Menschen nicht das Gefühl zu geben, das sie vorgeführt werden.“
Während die ganze Branche über neue Investigativprojekte spricht, dünnen die Lokalredaktionen immer mehr aus. Rüger jedoch zeigt, wie man als Kleinstredaktion gut recherchierte Geschichten macht. „Wenn wir als Journalisten nicht dranbleiben, dann haben wir keine Daseinsberechtigung mehr.“ Und laut Rüger bleiben oft deshalb Geschichten auf der Strecke, weil Journalisten sie aus Bequemlichkeit nicht machen. „Weniger, weil sie so viel Gegenwind ausgesetzt sind.“ Dranbleiben bedeutet eben auch Haltung zu bewahren und das kann oft anstrengend sein.
Ekkehard Rügers fünf Thesen zum Dranbleiben:
1. Dranbleiben ohne Haltung geht kaum
2. Dranbleiben ohne Fairness ist Murks
3. Dranbleiben an Volkes Stimme tut weh
4. Dranbleiben ist kein Mythos
5. Der Gegenwind könnte recht haben