Warum haben so viele Deutsche Angst vor Zuwanderern? Warum machen sie sich Sorgen, obwohl es ihnen – nüchtern und vergleichend betrachtet – doch eigentlich ganz gut geht? Stephan Grünewald versucht sich an einer Erklärung. „Wir sind mitten in einer Zeitenwende“, erklärt der Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts rheingold zum Auftakt der Redaktionskonferenz „Wahl investigativ und innovativ“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Berlin.
Die Jugend, so der Psychologe Grünewald, vertrete heute sozusagen ein diametral anderes Weltbild als die 68er-Generation. Sie sei teilweise visionslos, sei saturiert und durchdrungen von einer „Sehnsucht nach einer permanenten Gegenwart“. So wie jetzt solle es also bitteschön bleiben. Keine Experimente. Sicherheit. Und bitte genug Zeit auf der Couch. Angela Merkel, so Grünewald, galt diesen Menschen lange Zeit als eine Art „Schutzhelige“, die auf Sicht segelte und den Menschen weiterhin ein ruhiges Leben garantierte.
„Die Flüchtlinge sind auch ein willkommener Fluchtpunkt für diffuse Ängste“ (S. Grünewald)
Die vielen Menschen, die sich von Syrien, Afghanistan oder dem Irak bis nach Deutschland durchgeschlagen haben und dies immer noch tun, brächten dieses Bild der Absicherung und Gemütlichkeit nun augenscheinlich zum Wackeln. „Da kommt eine Power ins Land, der wir zum Teil nicht gewachsen sind“, beschreibt Grünewald das Gefühl einiger Menschen. Und manche seien nun insgeheim sogar froh, dass man das Unfassbare in der globalisierten Welt jetzt endlich dingfest machen könne. Die Globalisierung ist gewissermaßen unfassbar. Ein Bus voller Flüchtlinge ist es nicht.
In diesem Licht werde das politische Engagement gegen diese Entwicklungen für viele reizvoll. Die Wahlbeteiligung steigt wieder, die AfD zieht in einen Landtag nach dem anderen ein – und im Herst wohl in den Bundestag.