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Ein Gespür dafür haben, wo etwas faul ist – Recherche im Lokalen

Gute Recherche ist ein Qualitätsmerkmal, das Zeitungen auszeichnet. Recherchieren aber will gelernt sein. Fünf Fragen an Christine Kröger, die beim Weser-Kurier aus Bremen die Redaktion Ausbildung und Recherche leitet. Welchen Stellenwert sollte denn die Recherche bei der Ausbildung von Volontären haben? Man kann ihn nicht hoch genug ansetzen. Recherche heißt ja nicht nur investigative Recherche. Man benötigt Recherche-Techniken zum Beispiel auch für eine Reportage. Selbst bei einem Interview sollte ich vorher recherchieren, damit ich eine überraschende Frage stellen kann.

Die große Aussprache: „Wissenschaft trifft Praxis“

Am Anfang steht die Warnung des Moderators: „Ich weiß nicht, wo das hier hinführen wird“, sagt Alexander Houben, Chef vom Dienst beim Trierischen Volksfreund. Denn große Routine im Austausch miteinander haben die praktizierenden Journalisten und theoretisierenden Kommunikationswissenschaftler tatsächlich kaum. Die gutbesuchte Arbeitsgruppe erinnert etwas an eine Schlichtungsverhandlung, an die große Aussprache nach dem großen Knall. Houben bringt es auf den Punkt: „Im Verhältnis von Theorie und Praxis scheint bei uns Einiges im Argen zu liegen – und da müssen wir etwas auf die Beziehungs-Couch.“ Los geht die Gesprächstherapie.

Lehren aus Winnenden: Der innere Pressekodex

Laut einer Studie der TU-Dresden haben nur ein Drittel der Deutschen Vertrauen in Journalisten, unter jungen Menschen sind es nur 25 Prozent. Die Mehrheit glaubt nicht an die Wahrheit der journalistischen Produkte und schätzt Journalisten sogar mächtiger ein als Politiker. Dieses so wahrgenommene Machtverhältnis kritisieren sie. Prof. Dr. Wolfgang Donsbach stellt zu Beginn der Podiumsdiskussion „Sündenfall Winnenden – oder was ist mit der journalistischen Ethik in der Praxis“ erschreckende Umfrageergebnisse vor. Er fordert einen Schutz von Journalisten, die sich der Tageshektik bewusst entziehen. Die professionelle Entscheidungen zugunsten ihre Leserschaft oder von Betroffenen treffen und dabei ökonomische Erwartungen gegebenenfalls nicht erfüllen.

Herumirrende Lokaljournalisten

Lokalredakteure irren in der Stadt herum, es ist offensichtlich nicht ihre Stadt. Den Blick fest aus Handy gerichtet, sind sie auf der Suche. Aber nach was? Ihre Smartphones geben ihnen nur Rätsel auf: „Wann kommt die Flut?“ Die investigativen Journalisten sollen den Ort zu dieser seltsamen Frage finden. Das interaktive Spiel, das die reale Stadt mit der virtuellen Welt verknüpft, heißt „Tidy City“. Entwickelt, früher man gesagt erfunden, hat die virtuelle Schnitzeljagd Richard Wetzel vom Fraunhofer Institut für angewandte Informationstechnik. Das Spiel eignet sich nicht zuletzt, um Computerfreaks wie ihn an die frische Luft zu bringen. Waiblingen ist in Unordnung geraten, Gegenstände, Gebäude, markante natürlich, sind nicht mehr an ihrem gewohnten Platz. Das zeigen die von Wetzel programmierten Androidhandys an. Die Spieler sollen also aufräume, virtuell versteht, alles wieder an seinen gewohnten, ordnungsgemäßen Platz bringen. Nur, in diesem Fall sind es völlig Ortsunkundige, weil Teilnehmer eines Forums bundesweit angereister Journalisten. Sie tun sich schwer in der idyllischen, aber auch verwinkelten Waiblinger Altstadt.

Zeitungen müssen auf Facebook aktiv sein

Zeitungen, die Menschen unter 35 Jahren erreichen und obendrein Geld verdienen wollen, müssen Facebook nutzen. Diese Meinung hat Hans-Jörg Zürn, Chefredakteur und Verlagsleiter der Böblinger und Sindelfinger Zeitung, beim Experten-Forum im Waiblinger Bürgerzentrum vertreten. Weltweit nutzen über 500 Millionen Menschen das soziale Internet-Medium Facebook, alleine in Deutschland gibt es etwa zwölf Millionen aktiver User. Diese imposanten Zahlen stellt André Hellmann, Geschäftsführer der Netzstrategen, den Zuhörern vor. „Es geht um das Zeitbudget, das wir von unseren Lesern bekommen. Wir stehen als Zeitung im Wettbewerb mit dem Gelaber auf Facebook. Das ist eine ganz krasse Konkurrenz.“

Neue Zeiten, neue Strukturen

Wie innerhalb des Verlags auf den Medienwandel reagieren? Auf dem Forum Lokaljournalismus wurden neue Strukturmodelle aus drei Verlagen vorgestellt. „Neue Redaktionsstrukturen für die Lokalzeitung“ lautete der Titel des Workshops, in dem Wolfram Kiwit (Ruhr Nachrichten), Christine Kröger (Redaktion Ausbildung und Recherche beim Weser-Kurier, im Bild rechts) und Markus Kater (Lokalchef Nordsee-Zeitung, im Bild links) von Neuerungen aus ihren Verlagen berichteten.