Forum Lokaljournalismus 2018

„Ich möchte über meine Kunst politische Botschaften senden“

Kabarettist Bernd Regenauer (Foto: Michael Matejka)

Über sein Verhältnis zum Lokaljournalismus, seine Versuche, den allgemeinen Zynismus zu überwinden und die Renaissance des Heimatbegriffes spricht Kabarettist Bernd Regenauer im Interview mit Nicolas Rose und Katharina Lipowsky.

Herr Regenauer, einer Ihrer Rollen auf der Bühne ist der Persönlichkeitscoach Harald Nützel. Brauchen Merkel, Seehofer, Söder und Co. in der aktuellen Unionskrise gerade dessen Unterstützung?
Regenauer: Ich glaube, die haben sich so verselbstständigt, die brauchen gar keinen Coach mehr und würden den freiwillig auch nicht aufsuchen. Wenn, dann nutzen die ihre Strategen. Jeder Charakter der genannten Personen hat sich schon so verfestigt, da kommt kein Coach mehr ran.

Wie soll der Lokaljournalismus polarisierende Themen bearbeiten?
Kritisch nach Möglichkeit, sehr kritisch. Der Lokaljournalismus beschäftigt sich ja in    erster Linie mit lokalen Themen und sollte so ein Thema dann auch lokal bearbeiten und bewerten, wie die Politiker in der Region mit dem Thema umgehen. Ich kenne wunderbare Lokalpolitiker, die gute Politik machen, weil sie Sachlagenorientiert ihr Ding machen. Da ziehe ich den Hut vor. Und es gibt Lokalpolitiker, die sind einfach schmierige Idioten, denen gehört auf die Füße getreten. Es ist Aufgabe der Journalisten, das auch so differenziert darzustellen.

 Würden Sie sagen, dass es für Sie als Satiriker einfacher ist solche Themen zu bearbeiten als für Journalistinnen und Journalisten?
Ihr Journalisten müsst die gesamte Bevölkerung einfangen. Wer zu einem Auftritt von mir kommt, der ist mir schon mal wohlgesonnen. Es zahlt ja keiner Eintritt, um in meine Vorstellung zu kommen, der dann sagt ‚Den Regenauer mag ich überhaupt nicht, den schaue ich mir jetzt mal an.‘
Als Künstler habe ich alle Freiheiten. Wie weit ich die nutze, ist dann meine Entscheidung. Ich bin mein eigener Chef. Ich möchte natürlich über meine Kunst auch politische Botschaften senden. In der Kunst geht viel über Emotionen. Der Journalismus könnte meiner Meinung nach ruhig auch mehr über Emotionen gehen. Aber Journalisten müssen erstmal die Faktenlage definieren, bevor es emotional werden kann. Ich kann auf die Faktenlage scheißen. Ich kann einfach sagen: Das stinkt mir aus dem Bauch raus.

Sie sprechen von Emotionalität – Satire arbeitet vor allem auch mit Überspitzung. Funktioniert das denn überhaupt noch, wenn Politiker wie Trump in der Realität schon wie Satire daherkommen?
Ich frage mich auch, wie man die Realität noch überspitzen kann, wenn die Realität schon so zynisch ist und so dermaßen destruktiv. Ich suche da immer wieder nach neuen Umgangsformen. Auf einen Zynismus noch einen draufzuhauen, macht keinen Sinn. Da habe ich dann einen Zynismus 2.0. Also muss ich einen anderen Zugang finden zu dem ganzen Quatsch, der da stattfindet.

Wie entsteht denn ein politischer Witz bei Ihnen? Gibt es da ein Standardschema F?
Nein, überhaupt nicht. Mir geht es auch nicht darum, einen politischen Witz zu machen, sondern ich mache gesellschaftspolitisches Kabarett. Ich will die Leute unterhalten, also muss ich Pointen liefern, sonst halte ich die Leute nicht bei der Stange. Wenn ich moralisiere oder mit dem Zeigefinger rumfuchtele, bin ich die Leute zurecht los. Da gibt’s kein Rezept, sondern nur eins: Sich mit der Sache beschäftigen, sich hinsetzen und die Glücksmomente abwarten, das einem was Gutes einfällt.

Sehen Sie da bei sich einen politischen Bildungsauftrag?
Ach Gott, das ist mir zu hoch gegriffen. Die Leute, die für Kabarett empfänglich sind, die haben schon eine gewisse politische Vorbildung, sonst würden sie da nicht hingehen. An die anderen ranzukommen, wäre eigentlich was Schönes, aber ich weiß nicht wie.

Sie haben doch auch Fernsehauftritte.
Im Fernsehen sind das nur Häppchen. Da hat man fünf Minuten, die auf vier Minuten gekürzt werden. Da ziehe ich den Hut vor Sendungen wie `Die Anstalt`, die, mit Duldung des ZDF, in die Tiefe geht und ein Thema wirklich komplett von vorne bis hinten durchleuchtet. Das ist politische Bildungsarbeit. Da kann man als Gast in einer Sendung, wo ich dann vier Minuten habe, keinen Bildungsauftrag haben. Da kann man nur schauen, dass man gut dasteht und eine gute Quote hat, sonst braucht man da eh nimmer auftauchen. Ein politischer Bildungsauftrag kann nur über die Bühne funktionieren, aber auch da nur in Maßen. Es ist fast schon anmaßend zu denken ‚Ich bewege hier politisch groß etwas‘.

Sie haben heute Abend in Ihrem Programm über Heimat gesprochen. Der Begriff erfährt derzeit eine Renaissance, wie stehen Sie dazu?
Ich habe gegen den Heimatbegriff solange nichts einzuwenden, solange er nicht instrumentalisiert wird um Ressentiments gegen Flüchtlinge zu schüren und die ganze Scheiße. Heimat ist ein Miteinander für mich. Heimat schließt für mich andere Kulturen sowie ein Interesse und eine Offenheit für andere Kulturen ein. Das findet gar nicht mehr statt. Wenn da Syrer sind, dann kommt doch keiner auf die Idee, die einzuladen und sich deren Geschichte anzuhören.

Wie wird man denn Franke?
Indem man hier geboren ist.

Kann man das nicht lernen?
Nö.

Ein Syrer, der hierherkommt und Franke werden möchte, kann das also nicht?
Nein. Warum auch? Der Syrer, der hierherkommt, ist ein Syrer, der hier lebt. Und dann geht man gut miteinander um. Es gibt hier in Nürnberg einen Stadtteil Gostenhof, da funktioniert das Multi-Kulti seit Jahrzehnten gut. Das ist genau das Viertel in dem die CSU gar nichts zu putzen hat, da machen die keine Stimme oder kaum. Freilich ist die Menge ein Problem und natürlich gibt’s da auch Ausrutscher und Arschlöcher drunter. Aber genauso gibt’s Arschlöcher unter Franken und unter Deutschen. Die Welt ist voll von Arschlöchern, warum müssen die einen sich jetzt anständiger benehmen? Das ist doch alles ein mutwillig herbeigeführtes Angstgeschüre. Erst schüre ich die Angst und dann komme ich als Feuerwehr. Nichts anderes machen Seehofer und Söder jetzt. Die haben doch das emotionale herbeigerufen und wollen jetzt die AfD rechts überholen, damit sie die Landtagswahl gewinnen. Das ist doch alles so durchsichtig.


Wenn Sie einen Tag Chefredakteur einer Lokalzeitung wären. Wodurch würde sich Ihre Ausgabe hervorheben?
Ich bin mit dem Lokaljournalismus im Grunde relativ zufrieden, bis auf Ausrutscher, wo ich denke, warum habt ihr da nicht auf die Kacke gehauen. Motzen kann man immer und der Franke muss überall das Haar in der Suppe finden. Wenn ich einen Tag lang Chefredakteur wäre, dann würde ich mir den eigentlichen Chefredakteur krallen und mit dem Einen trinken gehen. Und den Anderen sagen: Macht doch was ihr wollt, in aller Freiheit.