Forum Lokaljournalismus 2022

Journalismus trifft Wissenschaft

Prof. Dr. Wiebke Möhring, Moderator Thomas Schwarz und Anna-Lena Wagner bei der Veranstaltung „Journalismus trifft Wissenschaft“. (Foto: Marcus Klose)

Neben viel Inspiration und Austausch gehörte auch jede Menge Selbstreflexion zum 25. Forum Lokaljournalismus. Und welche Disziplin würde sich am ehesten eignen, Lokalredaktionen den Spiegel vorzuhalten, wenn nicht die Wissenschaft? Die Sprecherinnen der Veranstaltung „Journalismus trifft Wissenschaft“, Anna-Lena Wagner und Prof. Dr. Wiebke Möhring, sorgten mit ihren Forschungsprojekten und Studienergebnissen dabei für so manchen Aha-Effekt.

Prof. Dr. Wiebke Möhring beim Forum Lokaljournalismus 2022 in Bremerhaven.
Prof. Dr. Wiebke Möhring beim Forum Lokaljournalismus 2022 in Bremerhaven. (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Die fünf Typen der Freien

Helmut, Claudia, Pia, Andrea und Peter: Was wie eine fünfköpfige deutsche Familie klingt, hielt am letzten Forumstag für einen Vergleich her, der die Anwesenden zum Schmunzeln brachte. Im Vortrag von Prof. Dr. Wiebke Möhring ging es nicht etwa um klassische deutsche Vornamen, sondern um Freie in Lokalredaktionen.

So stellte sie in ihrer Präsentation die wichtigsten Ergebnisse ihres Forschungsprojekts vor, das die Rolle freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Lokalredaktionen untersuchte. Das Besondere daran: Viele der Befragten saßen im Publikum selbst und hatten dadurch einen persönlichen Bezug zu den Daten. Befragt wurden sowohl Chefredakteurinnen und Chefredakteure der Lokalredaktionen als auch Freie selbst. Zum einen konnte Möhring dadurch fünf Typen freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausmachen und in Steckbriefen skizzieren. Zum anderen öffnete sie wichtige Perspektiven in Bezug auf Zufriedenheit und Wünsche – seitens der Freien und der Chefredaktionen.

Mangelnde Einarbeitung und der Wunsch nach Feedback

So ergab ihre Befragung unter anderem, dass rund 20 Prozent der frei Beschäftigten künftig nicht mehr als solche tätig sein möchten. Etwaige Gründe dafür gehen ebenfalls aus ihrer Studie hervor: mangelnde Einarbeitung und Schulungen sowie unzureichende Vereinbarungen und Verträge nach dem Motto: „Schick mir einfach deine Rechnung, wenn dein Bild fertig ist“ sorgen bei Freien für Unmut. Gewünscht sind außerdem mehr persönliche Betreuung, eine stärkere Feedback-Kultur und feste Qualitätsmaßstäbe.

Anna-Lena Wagner beim Forum Lokaljournalismus 2022 in Bremerhaven. (Foto: Marcus Klose)
Anna-Lena Wagner beim Forum Lokaljournalismus 2022 in Bremerhaven. (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)

Wie steht es um die Qualität lokaljournalistischer Inhalte?

Mit dieser Frage hat sich Anna-Lena Wagner in ihrer Dissertation beschäftigt. Die Antworten darauf umriss sie am letzten Forumstag. In ihrer Studie hat sie eine Inhaltsanalyse an 103 ausgewählten Lokalausgaben vorgenommen, bei der insgesamt 18.600 Beiträge im Lokalteil untersucht und 6.500 Beiträge in einer Tiefenanalyse genau unter die Lupe genommen wurden.

„Nirgendwo treffen Wähler und Gewählte so nah aufeinander wie im Lokalen“

Demnach können drei Kriterien festgemacht gemacht werden, an denen die Qualität journalistischer Inhalte bewertet werden kann:

  • Die Funktion von Journalismus, also Orientierungsleistungen zu bieten.
  • Die Bezugnahme auf das politische System, also neutrale Informationsgrundlagen zu schaffen.
  • Das Publikum ansprechen, also Anwendbarkeit und Unterhaltung zu bieten.

„Diese Kriterien betreffen allerdings den Journalismus insgesamt,“ merkte Wagner an. „Uns interessiert an dieser Stelle, was den Lokaljournalismus ausmacht.“ Der Lokaljournalismus müsse Diskurse ermöglichen, Meinungsaustausch bieten, gesellschaftliche Kontroversen aufgreifen und politische Partizipation ermöglichen, sagt Wagner. Am Beispiel des Kritik-Kriteriums zeigte sie auf, wie sie bei ihrer Studie vorgegangen ist, und stellte ihre Ergebnisse vor. „Hier haben wir besonders darauf geschaut, wie hoch der Anteil kommentierender Darstellungsformen in den Lokalausgaben ist, wie kontrovers sie sind und wie der Tenor in den Kommentaren ausfällt.“

„Es gibt Lücken, wenn nur über politische Themen kritisch berichtet wird.“

Die Ergebnisse ihrer Studie zeigen unter anderem: In quantitativer Hinsicht bietet der Lokaljournalismus eher wenig Kritik. Die vorhandene kritische Berichterstattung fällt allerdings qualitativ hochwertig aus. Die Kommentare im Lokalteil seien eher kritisch als lobend und berücksichtigen viele verschiedene Akteure. Allerdings mahnte Wagner in Richtung der Chefredakteurinnen und Chefredakteure: „Politische Themen stehen deutlich im Fokus kritischer Berichterstattung. Wenn nur über politische Themen kritisch berichtet wird, entstehen inhaltliche Lücken.“


Wie viel Qualität steckt in deutschen Lokalzeitungen? Mehr zur Studie von Anna-Lena Wagner können Sie im drehscheibe-Interview nachlesen.

Wie experimentierfreudig Lokalredaktionen durch den digitalen Wandel gehen, wurde ebenfalls am letzten Tag des Forums diskutiert. Hier erfahren Sie mehr.