Wer glaubt, Straf- und Zivilrecht ist staubtrocken, kennt Stefan Petermeier noch nicht. Der Rechtsanwalt des Münchner Merkurs spricht heute Morgen über die Rechte und Grenzen journalistischer Recherche und versteht es, aus dem Paragraphendschungel eine praktische Handlungsanleitung zu machen.
Welche Ansprüche habe ich eigentlich gegenüber Behörden und auf was kann ich mich berufen? Im ersten Teil des Vortrags geht es vor allem um die Frage, was darf ich wissen? „Man kann Ihnen nicht unterstellen, wenn Sie es wissen, dann schreiben Sie es auch. Zuallererst geht es darum, was SIE wissen dürfen.“ Die Rahmenbedingungen stehen in den Landespressegesetzen. Anspruchsberechtigt ist jeder Redakteur, jede freie Jounalistin, jeder Verleger, jede Herausgeberin. Antworten müssen: Die Behörden, aber auch jene Gebietskörperschaften, die in Gesellschaften des Privaten ausgegliedert werden wie etwa Stadtwerke, Krankenhäuser, Energieversorger – „sofern die öffentliche Hand noch maßgeblichen Einfluss hat“.
Behörden sind ja bekanntlich um keine Antwort verlegen, wenn es darum geht, kritische Anfragen abzuwehren. Geheimhaltungsvorschriften, Datenschutz oder schlichtweg „unzumutbarer Umfang“ sind gängige Ausreden. „Geheimhaltungsvorschriften sind längst nicht so oft einschlägig wie von Behörden angegeben, sogar das Steuergeheimnis ist umstritten. Das Argument mit dem Datenschutz ist Quatsch, denn letztlich gilt das nur als berechtigt, wenn der Anspruch nicht berechtigt ist, wenn z.B. privates Interesse dahinter steckt, aber das ist bei Journalisten meist nicht der Fall“, sagt Petermeier. Auch den zu großen Arbeitsaufwand würde er nicht durchgehen lassen: „Solange da nicht der Behördenbetrieb zusammenbricht, gilt das Argument nicht.“
Zuständige direkt kontaktieren und eine sportliche Frist setzen
Wichtig sei es, konkrete Fragen zu stellen, eine Frist zu setzen – ruhig eine sportliche – und höflich auf den presserechtlichen Informationsanspruch hinzuweisen. „Das Problem ist, dass viele Redakteure es sich nicht mit den Leuten verscherzen wollen – ist zumindest mein Gefühl.“ Auch das Urheberrecht sei kein Argument – beispielsweise, wenn Behörden einen die Einsicht in ein privates Gutachten verweigern. Es gehe um die Frage, meint Petermeier: „Die richtige ist: Was steht in dem Gutachten drin? Und NICHT: Ich hätte gerne das Gutachten. Da scheitert es nicht an den Schranken sondern an dem Anspruch.“
Andere Gesetze, auf die sich Journalistinnen und Journalisten berufen können, sind das Informationsfreiheitsgesetz, womit beispielsweise Akteneinsicht gefordert werden kann; das Umweltinformationsgesetz; das Verbraucherinformationsgesetz sowie der Zugang zu amtlichen Registern. „Es lohnt sich, den Hauptverantwortlichen der zuständigen Stelle direkt zu kontaktieren, sonst bleibt Ihre Anfrage möglicherweise in der Pressestelle hängen“, sagt Petermeier.
Von den Grenzen der Spielräume
Heimliches Mitschneiden von Telefonaten ist strafbar, so ist auch das Abhören von Feuerwehr oder Polizeifunk“, sagt der Jurist und erzählt mit Fällen aus dem eigenen Verlag, welche Konsequenzen Grenzüberschreitungen haben. Wie zum Beispiel die Klage einer Wohnungsbesitzerin auf Hausfriedensbruch: Eine freie Mitarbeiterin der Verlagsgruppe war zu einem Wohnungsbrand geeilt, bei dem ihr der Feuerwehrkommandant den Zutritt zum ausgebrannten Wohnzimmer erlaubt hat – das sie auch fotografiert und veröffentlicht hat. „Ein Feuerwehrkommandant kann nicht einwilligen, dass jemand Fremder, die Wohnung betritt – es sei denn es ist seine eigene Wohnung, die da abgebrannt ist“, sagt Petermeier. Der Verlag musste daraufhin 600 Euro Strafe zahlen. „Im Strafrecht betrifft es immer den Betroffenen – in dem Fall die freie Mitarbeiterin – selbst. Es hängt also vom guten Willen des Verlags ab, ob der die Strafzahlung übernimmt.“
Anderer haariger Punkt ist das wörtliche Zitieren aus Ermittlungsakten und Anklageschriften. So lange sie noch nicht in der Hauptverhandlung eingebracht sind, ist das verboten. Der Inhalt dürfe natürlich wiedergegeben werden. Oder zivilrechtlicher Natur: Wenn es um Persönlichkeitsrechte von Betroffenen geht und sie nicht Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte sind. Ganz heikel: Kinder, hier gilt auch nicht die Einwilligung der Lehrer. „Man braucht die Zusage der Eltern.“