Das erste Plenum am zweiten Tag des Forums Lokaljournalismus wartete mit internationalem Flair auf: „Lokaljournalismus international: So machen’s die anderen“ lautete der Titel. Auf dem Podium vertreten: Cornelius von Tiedemann, stellvertretender Chefredakteur Der Nordschleswiger aus Dänemark, Dr. Dieter Reinisch, stellvertretender Chefredakteur des Österreichischen Journalistenclubs Wien, und Stefan Schmid, Chefredaktor des St. Galler Tagblatts aus der Schweiz. Die Moderation übernahm Michael Husarek, Chefredakteur beim Verlag Nürnberger Presse. Laut Husarek ging es in dem Gespräch um den „Versuch, den Blick zu weiten beim Umgang mit populistischen Kräften“.
Im Bild (v.l.n.r.): Michael Husarek, Cornelius von Tiedemann, Dr. Dieter Reinisch, Stefan Schmid. (Foto: Marcus Klose, drehscheibe)
Der Nordschleswiger richtet sich an die deutschsprachige Minderheit in Dänemark. Tiedemann erzählte, dass es auch in Dänemark rechtspopulistische Parteien gebe, aber mit einer größeren Fluktuation aufgrund einer niedrigeren Hürde beim Einstieg ins Parlament: In Dänemark gilt eine Zwei-Prozent-Hürde.
Rechtspopulisten hätten derzeit etwa einen Stimmenanteil von 15 Prozent. Es gibt die Dänische Volkspartei, die eher einen rechtssozialen Ansatz verfolge (und eher von Frauen gewählt werde) und die Dänemark-Demokraten mit eher rechtslibertärem Ansatz (eher von Männern gewählt).
„Aber fast alle Parteien in Dänemark fahren einen strammen Anti-Einwanderungskurs“, betonte Tiedemann. Die Lage unterscheide sich merklich zu der in Deutschland: „Insgesamt gibt es bei weitem nicht diese Härte in der Debatte, auch nicht diese Rhetorik gegenüber Journalisten.“
Umgang mit Rechtspopulisten: Der Nordschleswiger konzentriere sich nicht so sehr auf den politischen Machtkampf, sondern versuche, nah an Menschen zu sein. „Wir berichten nicht aus der Perspektive der Politik“, betonte Tiedemann.
Lokaljournalismus international: Die Lage in Österreich
Hier ist die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) seit Jahrzehnten ein großer Faktor in Politik und Medien. Sie sitzt in fünf Landesregierungen und hat bereits Bundesregierungen gestellt. Anfang März 2025 lag die Partei bei 35 Prozent. „Man kann sie nicht ignorieren, diese Frage stellt sich nicht“, sagte Dieter Reinisch. Ganz im Gegenteil: „Die FPÖ ignoriert etablierte Medien und baut eine Parallelwelt auf.“
Die Partei pflege enge Verbindungen zu deutschnationalen Burschenschaften, habe einen starken liberalen Flügel und praktiziere eine gewisse Abgrenzung nach ganz rechts. „Es gibt hier keine Politiker wie Björn Höcke“, betonte Reinisch.
Die FPÖ propagiere eine harte Einwanderungspolitik, aber unter Einhaltung des EU-Rechts, erzählte Reinisch. Die konservative Volkspartei ÖVP habe unter dem früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz versucht, die FPÖ in dieser Frage „rechts zu überholen“.
Rechtspopulismus in der Schweiz
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks Anfang der 90er-Jahre erlebte die Schweizerische Volkspartei einen Wandel und einen Aufschwung. Die Debatte über das Verhältnis der Schweiz zur EU stärkte die konservative Partei, die eine tiefe Verankerung im bäuerlichen Milieu hat. Der Präsident der SVP des Kantons Zürich, Christoph Blocher, lancierte antieuropäische Kampagnen und transformierte die SVP in eine stark rechtspopulistische Partei, erzählt Stefan Schmid vom St. Galler Tagblatt. Manchen vielleicht in Erinnerung: das Wahlplakat der SVP, das weiße Schafe zeigte, die schwarze Schafe aus dem Land werfen. „Die SVP arbeitete durchaus mit rassistischen Tönen“, sagt Schmid. Heute ist die Partei in diversen Kantonen die größte Partei und auch Regierungspartei. Sie ist nach wie vor stark im Bauerntum verankert und vertritt eher wirtschaftsliberale Ansichten (nicht nationalsoziale wie etwa Marine Le Pen in Frankreich).
Zum Umgang: „Anfangs haben viele Zeitungen entweder offen gegen die SVP angeschrieben oder sie wahlweise ignoriert“, sagt Schmid. „Irgendwann hat man dann gemerkt, dass das Konzept nicht funktioniert.“ Heute habe die SVP eine sehr große Präsenz in den Medien und werde behandelt wie andere Parteien. „Inzwischen beklagen sich die Mitte-Kräfte, dass vor allem extrem rechts und links in den Medien großen Widerhall haben“, erzählt Schmid. Die Kritik an den Medien von Seiten der SVP sei hingegen weitgehend verstummt.
Die Bevölkerung folge aber auch nicht allen Ideen der SVP. So fand die sogenannte Durchsetzungsinitiative, mit der die SVP eine scharfe Durchführung der zuvor verabschiedeten Ausschaffungsinitiative zur Ausschaffung (Abschiebung) krimineller Ausländer erreichen wollte, keine Mehrheit bei einer Volksabstimmung.
(Hintergrund: In einer Volksabstimmung wurde die Ausschaffungsinitiative der SVP zunächst angenommen, das Parlament verabschiedete anschließend eine abgeschwächte Version in Einklang mit EU-Recht. Daraufhin brachte die SVP die Durchsetzungsinitiative, die in einer Volksabstimmung abgelehnt wurde.)
Diskussion über Umgang mt Rechtspopulisten
Im Anschluss an die Berichte der drei Podiumsgäste wurde über den unterschiedlichen Umgang mit rechtspopulistischen Parteien diskutiert. Reinisch betonte noch einmal: „Die FPÖ ist inzwischen auf einem Level, dass sie uns als Medien nicht mehr braucht.“ Die Partei habe mittlerweile eine große Reichweite über ihre eigenen Kanäle.
Tiedemann hob noch einmal hervor, dass der Nordschleswiger mit allen Seiten spreche. „Die Menschen haben den Bedarf, dass wir sie ernstnehmen. Das hat über viele Jahre gefehlt. Und wenn wir Lösungswege aufzeigen, fühlen sich die Menschen wahrgenommen“, sagte Tiedemann. Hinzu komme: „Wir sprechen gezielt mit Menschen, die sich nicht in politischen Ämtern befinden. Sie verdienen es, gehört zu werden. So können wir zeigen, dass die schweigende Mehrheit nicht gegen Demokratie und Fortschritt eingestellt ist.“
Schmid betonte ebenfalls die Bedeutung des konstruktiven Dialogs. Das St. Galler Tagblatt versuche, sich ernsthaft mit der SVP auseinanderzusetzen. Zunächst einmal sei das Anliegen, die Schweiz solle sich nicht der EU annähern, im demokratischen Rahmen legitim, auch wenn man es nicht teile. Man müsse sich sachlich damit beschäftigen. Schmid räumte aber ein, dass der Umgang mit der AfD in Deutschland wohl schwieriger sei. Auch er sagte: „Politiker wie Björn Höcke haben wir hier nicht.“ Schmid aber zeigte sich der festen Überzeugung: „Die Strategie der Ausgrenzung hat nie funktioniert.“