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Lokaljournalismus online

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Lokalzeitung gestern und heute. Doch wie sieht die von morgen aus? Foto: flickr/mfophotos

Im Experten-Forum „Lokaljournalismus online“ warf die Medienberaterin Katja Riefler zuerst einen Blick in die Medienlandschaft des Jahres 2020. Wie nicht anders zu erwarten, wird die Printbranche in zehn Jahren noch weiter geschrumpft sein, 80 Prozent der Medien sind dann digital. Besonders die mobilen Medien werden zulegen. Doch damit nicht genug vom Schlimmen für die Holzmedienmacher – neue Konkurrenz wächst für die Zeitungen heran. Zum einen sind es hyperlokale Angebote, die den traditionellen Lokalzeitungen zusetzen. Katja Riefler nennt hier als Beispiel die neue tschechsische Zeitung Naseandrea, über die bei WAN-IFRA zu lesen ist:

Die im Frühjahr 2009 lancierte Zeitung Nase Adresa wurde von Anfang an als eine der innovativsten Nachrichteninitiativen der Zeitungsbranche gepriesen, die in den vergangenen Jahren gestartet wurden. Das Projekt beinhaltet die Herausgabe wöchentlicher Printausgaben, die ausschließlich in Orten mit nicht mehr als 30.000 Einwohnern publiziert werden, jeweils ergänzt durch eigene hyperlokale Websites. Ziel des Unternehmens ist es, in den nächsten drei Jahren in Tschechien 200 solcher hyperlokalen Wochenzeitungen herauszugeben und Anzeigenkunden damit eine landesweite Werbeplattform zu bieten. Alle bisherigen sieben Ausgaben von Nase Adresa sind in ihrem jeweiligen Verbreitungsgebiet rasch zur meistverkauften Zeitung avanciert.

Besonders innovativ an diesem Projekt ist, dass die lokalen Reporterteams der Wochenzeitungen von so genannten Nachrichten-Cafés aus arbeiten. Diese Kombination aus Redaktion und Internet-Café soll den Kontakt zu Lesern und potenziellen Informationslieferanten erleichtern.

Als weiteres Beispiel nennt sie Hardy Prothmann’s Heddesheimblog, das derzeit gern in diesem Zusammenhang angeführt wird. Schließlich, so Riefler, werden auch Netzwerke verstärkt zur Konkurrenz für Lokalzeitungen. Nicht nur die so genannten Social Networks, sondern auch Autorennetzwerke wie Suite101, die künftig auch regionale Inhalte anbieten wollen. Bleibt die Frage, wie die Zeitungen auf diese Herausforderungen reagieren können?

Alexander Houben, CvD beim Trierischen Volksfreund, setzt auf die „Bauschaum-Strategie“: „Wir müssen rein in alle Nischen.“ Entscheidend sei es, in allen sozialen Netzwerken vertreten zu sein, Reichweite zu generieren und die Leute auf die eigene Webseite zu holen. Da braucht es seiner Meinung nach auch keine Sudokus, Votings und andere Klickhuren: Beim Trierischen Volksfreund hätten sich in den vergangenen zwei Jahren die Zugriffe auf lokale Inhalte auf der Webseite verdreifacht, berichtet Houben. Zu der Bauschaum-Strategie des Trierischen Volksfreunds passt es auch, dass die Online-Redaktion auch schon mit Google Wave experimentiert, um die Leser mit einzubinden. Katja Riefler weist in diesem Zusammenhang auf die Seattle Times hin, die mit ihren Lesern und Google Wave im vergangenen Jahr auf Verbrecherjagd ging. Auf dem Einwand aus dem Plenum, dass es der Zeitung letztlich schaden könnte, wenn Nutzer unter ihrer Marke falsche Informationen veröffentlichen, verweist Riefler auf Wikipedia, wo die Fehlinformationen auch der Marke nicht geschadet haben.

Zum Schluß hat Katja Riefler noch einen für die anwesenden Journalisten tröstlichen Gedanken parat: Durch den Medienwandel seien nicht die Journalisten gefährdet, sondern (nur) die Verlage. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Antwort bleibt uns die Medienberaterin aber schuldig. Wer bezahlt denn die Journalisten, wenn es keine Verlage mehr gibt? Damit ist auch eine Diskussion angesprochen, die sich durch das gesamte Forum Lokaljournalismus zog: Müssen die Verlage erst ein Geschäftsmodell haben, um im Netz Innovationen umzusetzen oder hemmt die ganze Diskussion um Geschäftsmodelle nicht überhaupt die Kreativität? Ob es sich jedoch alle Zeitungsverlage leisten können, nach dem Google-Prinzip zu wirtschaften und solange in Vorkasse zu gehen, bis sich eine Idee auch amortisiert, ist eher unwahrscheinlich. Und wenn man die Jeff-Jarvis-Devise „Do what do you best and link the rest“ ernst nimmt, müssten die Lokalzeitungen konsequent lokale Inhalt generieren und ins Netz stellen in der Hoffnung, dass sich das irgendwann über Anzeigen trägt. Aber das klingt nicht nach einer ausgereiften Strategie.