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Jeden Kommentar zu Herzen genommen

Dieter_Matz_Lars_HaiderAnekdoten und persönliche Eindrücke prägen das Gespräch zwischen Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, und Dieter Matz, dem Autor des Blogs „Matz ab“ und Redakteur des Abendblatts. Seit August 2009 existiert das Blog „Matz ab“, und es ist eine Erfolgs-Story. Dieter Matz veröffentlicht dort jeden Tag eine HSV-Geschichte. Seine Meinung ist gefragt. Unglaubliche 1900 Kommentare gab es zu einer Einschätzung der Rückkehr von Rafael Van der Vaart zum HSV. „In den vier Jahren von Matz ab habe ich aber bereits mehrmals über 1000 Kommentare bekommen“, sagt Dieter Matz.

Doch was schreiben die Leute? „Ich habe mir lange jeden Kommentar angeschaut und zu Herzen genommen“, sagt Matz. „Aber dort wird anonym auch viel Mist abgeladen. Ich habe unter den oft perönlichen Angriffen gelitten.“ So sei gepostet worden, was er am Tag zuvor gemacht habe, oder es wurden Nazivergleiche gezogen. „Ich fühlte mich ständig verfolgt und habe psychologischen Beistand gesucht“, berichtet Matz. „Der hat mir geraten, keine Leserbeiträge mehr zu lesen.“ Seitdem gibt es ein Team, das an seiner Statt die Kommentare liest.  „Fragen, Lob und konstruktive Kritik werden an mich weitergegeben“, sagt Matz. Alles weitere erreicht ihn nicht mehr.

Mittlerweile hat er an den Erfolg des Blogs angeknüpft und macht eine Livesendung direkt nach den Spielen. Dort diskutiert er mit ehemaligen HSV-Spielern oder -Offiziellen die Partie – und zwar nur die HSV-Partie. „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.“ So sei Matz mittlerweile selbst so etwas wie ein „Lokalheld“, wie Haider sagt. „Ich bin bei Spielen von interessierten Usern umringt und das Abendblatt hat sogar Autogrammkarten für mich gedruckt“, ergänzt Matz.

Dann muss Dieter Matz schnell weg – zu Sat1, wo er eine Stellungnahme abgeben soll. So bleiben einige, teilweise etwas ratlose Forums-Teilnehmer zurück, die sich fragen, wie sie das Gespräch bewerten sollen.

 

 

 

„Wächterfunktion nicht an Twitter delegieren“

Giovanni di Lorenzo kritisierte die Untergangsstimmung.

Giovanni di Lorenzo kritisierte die Untergangsstimmung.

Reden Journalisten und Verleger die eigene Branche schlecht? Beobachten wir einen Fall von klassischer Selbstdemontage? Ja, meinte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, in seiner Rede unter dem Titel: „Wie guter Journalismus überlebt – Macht endlich Schluss mit der Selbstdemontage“.

Di Lorenzo findet es „erstaunlich, wie sich unsere Branche seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit darstellt“. Er beobachte ein „Schlechtreden der eigenen Produkte“. Es erhebe sich ein „Kassandrischer Chor“, das Internet werde gepriesen als „allein selig machendes Medium der Zukunft“. Das Schlimmste, was derzeit geschehe, sei die Selbstbeschädigung.

Di Lorenzo zeigte sich überzeugt: „Das Untergangsgerede ist in der Sache einfach falsch.“ Wir hätten in Deutschland die besten und unabhängigsten Medien der Welt, die Vielfalt sei nach wie vor groß. Sein Appell, die Selbstdemontage zu beenden, habe mit Schönfärberei nichts zu tun. Die Menschen würden nach wie vor gerne lesen. Auch junge Leute. Auf die müsse man sich konzentrieren.

Es sei zweitrangig, wie die Leser erreicht würden – über Papier oder iPad. Die Aufgabe bestehe darin, Inhalte auch in der digitalen Welt zu monetarisieren. Ideen seien gefragt, auf veränderte Gewohnheiten der Leser zu reagieren. Dabei solle man die Leser nicht für dumm verkaufen. Sparrunden seien keine Qualtiätsoffensiven. Man solle auch nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen.

Gegen den Begriff der Paywall

Für Aufsehen sorgte Di Lorenzo mit seiner Kritik am Begriff „Paywall“. Er sei nicht gegen das Prinzip, und grundsätzlich sei es gut zu experimentieren. Allerdings solle man auch nicht zu viel Hoffnung darauf setzen. Vor allem treffe man damit die Stammleser, nicht die Leute, die zufällig über Google auf der Seite landen. „Wir bitten ausgerechnet unsere treuesten Leser zur Kasse“, meinte di Lorenzo. Der Begriff Paywall sei im übrigen eine „primitive Wortwahl“.

Kritik am Gleichklang in den Medien

Aber auch inhaltliche Kritik am Journalismus kam in Di Lorenzos Rede nicht zu kurz. Vor allem bereite ihm der Gleichklang Sorge, den er in den Medien wahrnehme. Dieser komme aus der eigenen Mitte. So neigten die Medien dazu, sich an die Spitze der „Nörgler und Rumhacker“ zu stellen. Di Lorenzo kritisierte zum Beispiel den Umgang mit Spitzenpolitikern. Kritischer Umgang sei ein Fortschritt, per se richtig sei es auch, von herausragenden Persönlichkeiten Werte einzufordern. Gefährlich werde es aber dann, wenn die „Reinheit des Herzens jedes einzelnen“ gefordert werde. Es zeige sich immer wieder derselbe Mechanismus. Vor allem die Dauer der anhaltenden Kritik führe oft zu Rücktritten, die Schuldfrage werde erst im Nachhinein geklärt. So werde zunehmend der Souverän entmündigt – der Wähler.

Das habe verheerende Folgen für unsere Demokratie. Begabte würden die Politik meiden. Sie wollten sich Dauerverurteilungen nicht aussetzen. Vernichtende Kritik schrecke viele fähige Leute ab, in die Politik zu gehen. Kurzfristige würden Ressentiments bedient. Es gehe nicht um Mitleid für Politiker, sondern um grundlegenden Respekt. Kritik dürfe nicht in Verachtung umschlagen. Viele Politiker würden nichts mehr sagen, sondern nur noch strategische Kommunikation betreiben.

Das Phänomen betreffe inzwischen auch Journalisten. Viele hätten zunehmend Angst, sich außerhalb des Mainstreams zu positionieren. Umso mehr brauche man mutige Journalisten – egal ob es um Lokalpolitik oder Weltpolitik gehe. „Die Wächterfunktion lässt sich nicht an Twitter delegieren.“ Ein klares Statement zum Schluss einer eindringlichen, mutmachenden Rede.

Gesucht: Journalisten als Seismographen

Thorsten_Schilling

Thorsten Schilling, Fachbereichsleiter Multimedia der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, stieg mit einem Zahlenspiel in seine Eröffnungsrede ein: „14-39-120-8-80-200-20-175-23…“ Das waren keine wahllos herausgegriffenen Zahlen, sondern die Zahlen von Entlassungen seit Anfang dieses Jahres. „751 Kündigungen in vier Monaten“, sagte Schilling. Hochgerechnet würden sie bedeuten, dass wir „in 20 Jahren keine Journalisten mehr hätten.“ In diesen Zahlen glaubt Schilling „den Beginn eines strukturellen Wandels“ zu erkennen, „der unsere Gesellschaft grundlegend verändert.“ In der Gesellschaft insgesamt seien wir „teilnehmende Beobachter tektonischer Verschiebungen unserer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Grundlagen“.

Gerade in dieser Zeit seien Journalisten gefragt – „als Seismographen, Experimentatoren und kritisch suchende Akteure“. Allerdings sei noch unklar, wie der Journalismus sich angesichts der neuen Herausforderungen ändern müsse. Dass er sich ändern müsse, sei unbestritten. Das Gute an der Entwicklung sei, „dass zum ersten Mal in Deutschland eine breite öffentliche Debatte über den ökonomischen Wert und die gesellschaftliche Wertschätzung des Qualitätsjournalismus“ stattfinde.

Positiv sei auch, dass in den Redaktionen die Zuversicht wieder wachse, was die Studie „Die Zeitungsmacher“ vom Marktforschungsinstitut YouGov zeige. Es gebe immer noch etliche Leute „die für dieses Metier brennen“. Das Dilemma liege jedoch darin, dass die Verlage einerseits in talentierten Nachwuchs und digitale Technologien investieren müssten, andererseits für einen Großteil der Branche bereits feststehe, dass die Verlage sich organisch verkleinern müssten.

Schilling wollte den Anwesenden zwei Fragen mit auf den Weg geben.
„1.Wem überantworten wir die Finanzierung des Lokaljournalismus, wenn sich die Verlage aus dieser Verantwortung zurückziehen sollten?
2. Wie können wir den Beruf des Lokaljournalisten für den Nachwuchs attraktiv gestalten?“

Klar sei: „Die Verantwortung für das Funktionieren journalistischer Angebote liegt bei uns allen – den Bürgerinnen und Bürgern.“ Auch wir als Gemeinwesen müssten uns stärker verantwortlich fühlen für den Journalismus. Das heiße auch, sich zu wehren gegen „skrupellose Medienunternehmer“, denen mehr an Renditen als an Recherchen gelegen sei.

Die allmähliche Abkehr der Verlage vom Journalismus, die zu beobachten sei, mache es nötig, über Anreize nachzudenken, die komplementär zum reinen Marktmodell „denjenigen Journalismus stützen, der sich am Markt nicht mehr aus eigener Kraft behaupten kann“. Als „Plädoyer für eine Demokratieabgabe“ wollte Schilling diesen Gedanken jedoch nicht verstanden wissen. Vielmehr schwebe ihm eine „vernünftige Balance aus verschiedenen Finanzierungsquellen vor“.

Schilling wies auch auf Entwicklungen hin, die verpasst wurden, gerade auch inhaltlich. „Wo war der Lokaljournalismus, als Stuttgart 21 vor Jahren beschlossen wurde?“ Er fragte: „Wie lassen wir Dissidenz zu?“ Der Mainstream komme jedenfalls immer zu spät. Schilling appellierte an die Journalisten, auf ihr Selbstvertrauen zu setzen. Wenn das gelinge, gebe es auch Hoffnung für die Zukunft.

#folo2013 im Ticker via Storify

Diese Woche wird Hamburg zum Mittelpunkt der Zukunftsdiskussionen zum Lokaljournalismus in den Tageszeitungen.

Ein paar Zahlen zum Start: Knapp 80 Prozent der Bundesbürger lesen Zeitung, für 69 Prozent ist sie unverzichtbar. „Es ist Zeit, mit breiter Brust und aufrechtem Gang den Wert des Journalismus zu untermauern und auf ein starkes Fundament zu stellen“, meint Berthold L. Flöper, Leiter Lokaljournalistenprogramm bei der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.

Gemeinsam mit dem Hamburger Abendblatt hat die bpb für das Blitzforum ein Programm auf die Beine gestellt, das den Zeitungsmachern bei der Weichenstellung für die Zukunft Mut machen soll. Wir berichten von der Konferenz am 16. und 17. Mai 2013, die in der Handwerkskammer Hamburg stattfindet, auch live bei Storify.

21. Forum Lokaljournalismus im Ticker auf Storify

Dieser Storifystream wird während der Veranstaltung in Hamburg immer wieder aktualisiert. Reinschauen lohnt also.

21. Forum Lokaljournalismus

Ab 16. Mai Folo 2013.

Ab 16. Mai Folo 2013.

Der Countdown läuft!

Am 16. Mai beginnt in Hamburg das 21. Forum Lokaljournalismus. Unter dem Motto „Zwischen Qualität und Rendite: Vom Wert des Journalismus“ werden sich Journalistinnen und Journalisten, Verlegerinnen und Verleger aus dem ganzen deutschsprachigen Raum wei Tage lang über Möglichkeiten und Zukunft des Lokaljournalismus austauschen. Die drehscheibe wird wie jedes Jahr ausführlich darüber berichten – auf Facebook und hier auf dem drehscheibe-Blog.

Erste Infos erhalten Sie schon jetzt via Twitter. Das Hashtag lautet: #folo2013.

Alle Tweets, Fotos und Videos zur Redaktionskonferenz im Storify-Blog

Die bpb-Redaktionskonferenz „Wahlberichterstattung besser gemacht!“ wurde mit Hilfe des Tools „Storify“ mit allen Tweets, mit Fotos, Videos, Hintergrundinfos und weiterführenden Links zur Veranstaltung Liveblog bpb-Redaktionskonferenz Tutzing 2013

Liveblog bpb-Redaktionskonferenz Tutzing 2013

Was kann Storify?

Auf Rückfrage bei der Redaktionskonferenz in Tutzing stellte sich heraus: Noch nicht alle Kollegen kennen diese praktischen kleinen Hilfsmittel wie Kuratierungsdienste im Netz. Ich möchte Storify daher hier etwas näher vorstellen.

Bereits vor einem Jahr hat die Journalistin Sonja Kaute in ihrem Blog „Stift & Blog“ die Vorteile des Onlinetools  beschrieben. Die freie Journalistin  bloggt über die Digitalisierung, den Medienwandel und stellt hilfreiche Werkzeuge im Netz für Journalisten vor.

„Storify gehört zu den Online-Werkzeugen, die im vergangenen Jahr (sie meinte damit 2011) in Redaktionen deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Mit Storify lassen sich Inhalte aus sozialen Netzwerken wie  zum Beispiel  You Tube, Flickr, Facebook und Twitter sammeln, neu zusammenstellen und ansprechend präsentieren – kurz gesagt: Der Journalist wird zum Kurator.“

Was Storify alles kann: Sonja Kaute hat es hier in einer Liste mit acht Storify-Typen zusammen gestellt.

Erfahrungen bei der Rhein-Zeitung und den Westfälischen Nachrichten

Neben Storify gibt es noch eine ganze Reihe anderer Mikroblogingdienste, die sich zu diesem Zweck eignen (siehe auch den Artikel von Ulrike Langer „Die neuen Kuratiertools“ bei mediummagazin.de).

Offensichtlich hat sich in experimentierfreudigen Zeitungsredaktionen jedoch Storify als besonders nützlich erwiesen. In Tutzing berichteten Uwe Renners von den Westfälischen Nachrichten und Andreas Jöckel von der Rhein-Zeitung, dass sie schon länger mit diesem Werkzeug arbeiten und es auch in die Onlineseiten ihrer Zeitungen mit Hilfe eines einfachen Codes einbetten. Bei der Rhein-Zeitung in Koblenz wird alles kuratiert, was bewegt – vom „Rhein in Flammen“, über den „Twetterdienst“ bis zur Ufosichtung zur Geisterstunde.

Das rät Andreas Jöckel

[http://www.youtube.com/watch?v=sSbPFjukiik]

40.000 Views

Wie viele Klicks man mit neu zusammengestellten Nachrichten und Informationen aus dem Netz erreichen kann, zeigen die Ruhr-Nachrichten. Sie haben es mit ihren Dortmunder Netzfundstücken bereits auf 40.000 Views gebracht.

Dortmunder-Netzfundstücke

Dortmunder-Netzfundstücke


Storify auch bei der Wahl

Aber auch Uwe Renners von den Westfälischen Nachrichten kann sich über mangelndes Interesse nicht beschweren. Bei seinen kuratierten Geschichten rund um Thomas Gottschalks letzte Wetten-dass-Sendung oder das eingestürzte Stadiondach in Twente gab es jeweils fast 9000 Views.

[http://www.youtube.com/watch?v=rE2J1HhF5Bg]

Linktipp

Auch der Journalist Konrad Weber hat in seinem Blog anschaulich beschrieben, wie man mit dem seit April 2011 bestehenden Tool Storify Inhalte aus Social Networks neu zusammenstellt und mit zusätzlichen Text-, Video- und Bildelementen anreichern kann.

Mit Journalistischer Sorgfaltspflicht Kuratieren

Bei allem sollte man jedoch die journalistische Sorgfaltspflicht nicht vergessen. Auch beim Kuratieren mit Microblogging-Werkzeugen muss man seine Quellen verifizieren und das Urheberrecht achten. Dass es aus urheberrechtlicher Sicht nicht immer unproblematisch sein könnte, wenn man Bilder, Videos, Tweets oder Websites in seine eigene Story neu einbettet, hat Henning Krieg bei Onlinejournalismus unter dem Schlagwort „Einbetten in der Grauzone“ beschrieben.