Demokratie braucht lokale Massenmedien fernab der Hofberichterstattung – darüber herrscht Einigkeit auf dem Forum Lokaljournalismus. Aber wie umgehen mit dem Lügenpresse-Vorwurf? Mit dieser Frage befasst sich das Nachmittagspanel.
Binnen wenigen Wochen waren sie auf den Straßen – die 25.000 Pegida-Anhänger in Dresden. Ein Beben ging durchs In- und Ausland, die Proteste zogen eine lebhafte Diskussion über die Glaubwürdigkeit der Presse nach sich. „Einen Gedanken, der uns in Dresden umtreibt: Viele Leute interessieren sich nicht mehr für die Themen, die wir weitergeben und reflektieren. Wir machen vielleicht handwerklich einen guten Job, aber das Thema interessiert nicht mehr“, gesteht der Chefredakteur der Sächsischen Zeitung Uwe Vetterick ein. Den Lokalzeitungen würden schlicht Tools und andere Ressourcen fehlen, um nachzuspüren, was das Volk bewegt.
„Warum braucht Demokratie lokale Massenmedien“, fragt das Nachmittagspanel am zweiten Tag des Forums Lokaljournalismus. Die Antworten liegen auf der Hand – von der Wächterfunktion der Medien bis hin zur Aufgabe, zwischen Bürgern und Politikern zu moderieren. „Es kommen enorme Herausforderungen auf uns zu – beispielsweise mit der Energiewende“, sagt Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, „gleichzeitig wird die Seite der Verlegerschaft weniger. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig ein Kommunikationskonzept zu erarbeiten, das zwischen Bürgern und Politik vermittelt.“ Auf kommunaler Seite sei die Kommunikation nicht optimal, deshalb würde sich beim Bürger einiges aufstauen.
Haltung zeigen!
Diese Wut hat vor allem die Lokalpresse in den vergangenen Monaten verstärkt zu spüren bekommen. Besonders in solchen Zeiten sei es wichtig ruhig und klar über Phänomene wie Pegida zu berichten, meint Vetterick. Er skizziert drei Regeln, die die Redaktion im Zusammenhang mit Pegida aufgestellt hat: 1. Klare Kante gegenüber den Machern; 2. Man müsse mit Leuten, die bei den Demonstrationen mitgehen, anders umgehen als mit den Machern; 3. Mutig Haltung zeigen und gelassen auf Vorwürfe reagieren!
Auf alle Fälle sollte man die Bürger ernst nehmen, Rückkanäle schaffen und Vorschläge aufgreifen. Auch der nordrhein-westfälische Staatssekretär Marc Jan Eumann, der sich für die NRW-Medienstiftung stark gemacht hat, erzählt, wie Bürger für in die Entstehung des neuen WDR-Gesetzes eingebunden werden. Eine Förderung der Medien durch die Politik wird aber zum Beispiel vom Moderator Joachim Braun, dem Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers, kritisch gesehen.
Hofberichterstattung auch bei nationalen Medien
Am anderen Ende des Spektrums liegt die Hofberichterstattung. Wiebke Möhring, Professorin für Öffentliche Kommunikation an der Hochschule Hannover hatte in ihrer Doktorarbeit Ende der 90er Jahre herausgefunden, dass gerade die bei Lokalmedien verbreitet ist. Auch sie sitzt im Podium und stößt mit der provokanten These eine Diskussion am Podium und im Publikum an.
Christian Humborg, Geschäftsführer des gemeinnützigen Recherchebüros CORRECT!V, ist der Meinung, dass Hof- oder Verlautbarungsjournalismus nicht nur in lokalen Medien vorkommen: Eine oft problematische Nähe zu Politik und Wirtschaft gäbe es ja auch bei nationalen Medien. Er führt das Beispiel an, dass Tagesschaumoderatoren Tausende Euros für ihre Moderationen in der Privatwirtschaft kassieren. „Journalismus hat die Funktion Widersprüche aufzudecken – hier muss noch mehr passieren. Viele Menschen haben das Gefühl, dass Journalisten das noch nicht hart genug tun“, sagt Humborg. Zeitungsforscher Horst Röper vom Formatt-Institut ist es hingegen wichtig zu betonen, dass die Situation des Lokaljournalismus‘ spezifische Probleme aufweist: Beispielsweise wäre es gar nicht möglich in einer Region, wo es nur eine Lokalzeitung gibt, aus personellen und zeitlichen Gründen Widersprüche zu entdecken oder gar aufzudecken. Selbstverständlich gäbe es auch positive Beispiele, weiß Professorin Möhring. Die Arbeit im Projektteam Lokaljournalismus und die Best-Practice-Beispiele in der drehscheibe würden für sich sprechen.