Trotz Storytelling- und Multimedia-Ausbildung: Prof. Klaus Meier von der Katholischen Universität Eichstätt meint, es reiche für Journalisten nicht, nur am Computer zu sitzen. Journalismus sei ein sozialer Beruf.
Herr Meier, schreiben, schneiden, vertonen – junge Journalisten sollen heute vieles können. Aber müssen sie das auch?
Niemand kann alles. In der Tat müssen Nachwuchsjournalisten heute breiter aufgestellt sein als früher und eine umfassende Medienkompetenz mitbringen. Trotzdem ist eine gewisse Spezialisierung notwendig. Wer sich beispielsweise besonders gut mit Social Media auskennt, ein Gespür für digitale Trends hat oder innovative Erzählformate entwickeln kann, macht sich in der Redaktion unentbehrlich.
Schlägt Technikkompetenz heute also Fachkompetenz?
Natürlich ist auch die Themenkompetenz entscheidend. Aber gerade in lokalen Zeitungsredaktionen finden Sie seltener Spezialisten, die sich nur mit einem Themenfeld beschäftigen. Dazu kommt, dass vor allem im Lokalen nach wie vor vielerorts ein Weiterbildungsbedarf im digitalen Bereich besteht. Da können junge Journalisten, die von Anfang an crossmedial gearbeitet haben, punkten.
Haben Bewerber ohne Online-Kenntnisse im Jahr 2015 überhaupt eine Chance?
Die meisten Zeitungen erwarten von jungen Anwärtern, dass sie in dem Bereich fit sind. Und die Ausbildungsredakteure befürworten heute größtenteils eine crossmediale Ausbildung, allerdings gilt das überwiegend für die größeren Häuser.
Spielt multimediales Arbeiten in kleineren Redaktionen etwa eine zweitrangige Rolle?
Nicht unbedingt. Sehr wohl aber die Tatsache, dass die Ressourcen in kleinen Redaktionen viel knapper sind. An Social Media führt aber längst kein Weg mehr vorbei. Zumal die Digitalisierung ja ständig voranschreitet. Da müssen wir innovativ mitdenken. Als Journalisten dürfen wir uns nicht länger auf das klassische Medium beschränken. Ganz im Gegenteil. Je nach Thema müssen wir zuerst überlegen: Wie können wir den Inhalt online transportieren? Erst im zweiten Schritt kommt dann die Darstellung im Blatt.
Wie vermitteln Sie Ihren Studenten digital zu denken?
Die jungen Menschen sind mit dem Internet aufgewachsen, für die Bedeutung digitaler Medien müssen wir sie nicht mehr sensibilisieren. Sehr wohl aber für einen professionellen Umgang mit dem Internet – auch mit Sozialen Netzwerken – und für die professionelle Recherche. Journalismus ist ein sozialer Beruf, es reicht nicht, vor dem Computer zu sitzen und das Netz zu durchforsten. Es gibt tatsächlich einige Studenten, die das glauben. Als Journalist müssen wir aber auch im digitalen Zeitalter raus auf die Straße oder zum Telefon greifen und mit den Menschen reden – daran hat sich nichts geändert.
Was hat sich denn geändert?
Früher, als es nur analoge Berichterstattung gab, haben Zeitungen am Tag ein Produkt hergestellt. Und am nächsten Tag dann das nächste. Heute, im digitalen Zeitalter, ist die Berichterstattung ein kontinuierlicher Prozess.
Wie eng kooperiert die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt während der Ausbildung junger Journalisten mit potenziellen Arbeitgebern?
Sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudiengang spielt die Praxis eine zentrale Rolle. Und dafür arbeiten wir immer wieder mit Redaktionen zusammen. Im Bachelor lernen die Studenten von den Erfahrungen der Journalisten, die als Lehrbeauftragte zu uns kommen. Im forschungsorientierten Master ist der Transfer von wissenschaftlichem Wissen in die redaktionelle Praxis bei Kooperationen besonders wichtig. Vergangenes Jahr haben wir zum Beispiel mit der ostbayerischen Tageszeitung „Der neue Tag“ eine Befragung von Nutzern regionaler Internetseiten durchgeführt.
Und das Ergebnis?
Die Leser wünschen sich auch im Netz lokale und regionale Informationen – und sie sind sich über guten und schlechten Journalismus bewusst. Diese Tatsache haben wir jetzt noch mal belegt und für unseren Kooperationspartner spezifiziert. Für unsere Studenten ist es wichtig, dass sie selbst nicht nur forschen, sondern auch überlegen, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis angewandt werden können.
Dabei spielt der Lokaljournalismus an sich ja keine zentrale Rolle im Studienangebot Ihrer Hochschule…
Wir bilden unsere Studenten nicht speziell zu Lokaljournalisten aus. Uns geht es darum, Theorie und Praxis des Journalismus generell zu vermitteln und darüber hinaus die nächste Generation Journalisten für Innovationen und Trends zu sensibilisieren. Und diese Impulse lassen sich ja auch auf das Lokale übertragen. Davon abgesehen werden die medialen Grenzen in den kommenden Jahren vermutlich immer mehr verschwimmen. Noch unterrichten wir zuerst nach dem Baukastenprinzip und trennen häufig nach Mediengattungen. Erst danach trainieren wir crossmedialen Journalismus. In Zukunft werden die einzelnen medialen Erzählweisen weiter verschmelzen – nicht nur in der Medienlandschaft, sondern auch in der journalistischen Ausbildung.
Das Gespräch führte Christina Michaelis