"Wie wollen wir leben?" - Modellseminar Wirtschaft 2016

Einfach mal Recht haben

Wie viel Geld fließt in die Überwachung des US-Konsulats in Hamburg? Was investiert der Staat in die Olympiamannschaft? Und an wen gehen eigentlich die großen Spenden der Kreissparkasse? Wenn’s um Steuergeld geht, gibt es viele Auskünfte, die JournalistInnen – je nach Bundesland – im Prinzip per Gesetz einfordern können.

Und so wird es am Nachmittag des zweiten Seminartags in Augsburg ganz konkret: Jonathan Sachse vom Recherchekollektiv Correctiv präsentiert Tipps und Tricks, wie man über verschiedene Gesetze an Auskünfte kommt.

Auf welche Gesetze kann man sich berufen?

Zum einen gibt es in den Bundesländern Landespressegesetze. Sachse sieht darin den Vorteil, dass diese in der Regel „klar, hart und für jeden verständlich“ seien und Fristen zur Beantwortung einzuhalten seien. Der Nachteil: Man bekommt nur grobe Informationen. Dann gibt es noch das Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene und in einigen Ländern. Sachse findet, dass dies Gesetze „noch viel mehr genutzt“ werden könnten. Und dann sind da natürlich noch: Umweltinformationsgesetze, kommunale Gesetze, das Verbraucherinformationsgesetz sowie europäische Gesetze und Datenbanken wie der Online-Dienst „Tenders Electronic Daily“. Die Möglichkeiten, über ein Gesetz an Informationen zu kommen sind jedenfalls vielfältiger, als weithin bekannt – Correctiv bietet kostenlose Online-Tutorials dazu an.

Wer muss antworten?

Es sind nicht nur Behörden und Ministerien, die auskunftspflichtig sind: Sondern zum Beispiel auch Unternehmen, die zu mehr als der Hälfte in öffentlicher Hand sind oder vom Staat beauftragte Firmen. „Alles mit Subventionen und Aufgaben zur Daseinsvorsorge“, erklärt Sachse eine Faustregel – also zum Beispiel auch ein privates Krankenhaus, das als einziges in der Region die Versorgung übernimmt.

Konkrete Recherchemethoden

Was erfährt man beim Grundbuchamt?

Was erfährt man beim Grundbuchamt?

JournalistInnen können auch Anträge beim Grundbuchamt stellen, da sie in vielen Fällen ein öffentliches Interesse bekunden können. „Das kann bei vielen Themen sehr spannend sein“, so Sachse. Er selbst hat sich zum Beispiel einmal Grundbuchakten angeschaut und herausgefunden, dass eine Sparkassen-Tochter ein Autohaus für 1,3 Millionen Euro veräußert hat – und ein Unternehmen das Gebäude nur zwei Monate später für 2,3 Millionen weiterverkauft hat. „Hat da jemand mitverdient?“, stellt Sachse darauf bezugnehmend eine Frage in den Raum. Wichtig beim Grundbuchamt: „Man muss vor Ort alles abfotografieren dürfen.“ Kopieren sei zu teuer und umständlich. Doch auch das Abfotografieren könne mal einen halben Tag dauern. Deshalb sei es ratsam, die Formalia der Akteneinsicht zuvor im Detail zu besprechen.

Urteilsdatenbanken

Ein anderer Tipp: In die Auskunftsrechtsdatenbank von Correctiv schauen und nach vergleichbaren Fällen suchen. Wenn die Stadtwerke zum Beispiel mauern und keine Besucherzahlen der von ihnen betriebenen Schwimmbäder herausrücken wollen, dann gab es vielleicht schon mal jemanden, der sich eine solche Information eingeklagt hat. Das helfe dann bei der Argumentation.

Wenn man die „Eskalationskette“ weiter treibt, so Sachse, könne es freilich sein, dass man am Ende vor Gericht landet. Kein schöner Gedanke – aber auch keiner, vor dem man sich fürchten müsse. Wie um den Anwesenden etwas Mut zu machen, erzählt Sachse dazu eine Geschichte aus Niedersachsen. Ein Lokalredakteur habe dort jahrelang von der lokalen Sparkasse keine Antwort auf die Frage bekommen, was eigentlich der Neubau des Instituts gekostet hat. Jetzt versuche er, sich die Auskunft zu erklagen. „Und wenn er das durchhat, macht er mit den Stadtwerken weiter“, so Sachse. Auch Correctiv klagt regelmäßig: Wie die Verfahren laufen, wird hier dokumentiert.

Mehr Informationen zu Jonathan Sachses Arbeit bei Correctiv inklusive Kontaktinformationen gibt es hier.