Autor: Marion Bacher

„Es muss süchtig machen“

Christoph Keese, Executive Vice President der Axel Springer SE in Berlin, schwärmt vom disruptiven Wandel der Medienbranche und stellt die spannendsten Start-ups vor. „Es lachen immer die Halbtoten auf dem Weg zum Friedhof“, sagt Christoph Keese und erntet: Gelächter. Ein bisschen spielt er dabei auf die deutschen Medien an, die – wie er sagt – in Sachen Innovation eher einen weißen Fleck darstellen. An dem sogenannten disruptiven Wandel habe die deutsche Medienbranche jedenfalls wenig Anteil. „Disruption“ – ein Bonmot in Silicon Valley wie das Wort „Love“ Ende der 60er Jahre, kokettiert Keese. Doch was bedeutet „Disruption“ eigentlich? Keese, der sich ein halbes Jahr in Silicon Valley von den Vorreitern des disruptiven Wandels für den Springer Verlag inspirieren ließ, bringt das mit einem Beispiel aus der Musikbranche auf den Punkt: Während der Übergang von Platte auf CD eine „erhaltende Innovation“ gewesen sei, seider Übergang zu Spotify disruptiv. In anderen Worten: Bezahlte man für 17 Lieder auf einer CD noch 19,90 Euro, bekommt man auf Spotify heute die komplette Musikwelt für 9,90 Euro pro Monat. Der disruptive …

Hochmotiviert

Der letzte Tag in Gummersbach war voller Motivation. Eine kleine Rückschau. Axel Bürger, lange Zeit Lokalchef der Lippischen Zeitung und heute Medienberater, sagt zur Begrüßung: „Ich war 15 Jahre Teil des Problems, jetzt möchte ich Teil der Lösung sein.“ Er ist der letzte Referent in Gummersbach und spricht über Motivation, die man zuallererst mit Alltagsumkrempelung auf Schiene bringen kann. Mit der anderen Hand Zähne putzen, mal anders die Arme verschränkt haben, mal einen anderen Blick haben. Ca. 60.000 Gedanken hat ein Mensch pro Tag – weniger als 10 % davon sind aufbauend, behauptet Bürger. „Das Positive steht unter Generalverdacht.“ So auch das Lob, meint Bürger: „Wir haben ein Problem mit Lob in dieser Gesellschaft und deshalb haben wir ein Problem mit Motivation.“ Wenn man aber an der Motivation arbeiten möchte, sollte man nicht nur lernen, sich über Lob zu freuen, sondern auch sich zu fragen: „Was ihr sehen wollt.“ Von wenig Motivation konnte diese Woche aber nicht die Rede sein. Die Modellseminar-Teilnehmerinnen und Teilnehmer werkelten zwischen den Vorträgen an ihren eigenen Projekten in vier verschiedenen …

Kein vorauseilender Gehorsam

Wer glaubt, Straf- und Zivilrecht ist staubtrocken, kennt Stefan Petermeier noch nicht. Der Rechtsanwalt des Münchner Merkurs spricht heute Morgen über die Rechte und Grenzen journalistischer Recherche und versteht es, aus dem Paragraphendschungel eine praktische Handlungsanleitung zu machen. Welche Ansprüche habe ich eigentlich gegenüber Behörden und auf was kann ich mich berufen? Im ersten Teil des Vortrags geht es vor allem um die Frage, was darf ich wissen? „Man kann Ihnen nicht unterstellen, wenn Sie es wissen, dann schreiben Sie es auch. Zuallererst geht es darum, was SIE wissen dürfen.“ Die Rahmenbedingungen stehen in den Landespressegesetzen. Anspruchsberechtigt ist jeder Redakteur, jede freie Jounalistin, jeder Verleger, jede Herausgeberin. Antworten müssen: Die Behörden, aber auch jene Gebietskörperschaften, die in Gesellschaften des Privaten ausgegliedert werden wie etwa Stadtwerke, Krankenhäuser, Energieversorger – „sofern die öffentliche Hand noch maßgeblichen Einfluss hat“. Behörden sind ja bekanntlich um keine Antwort verlegen, wenn es darum geht, kritische Anfragen abzuwehren. Geheimhaltungsvorschriften, Datenschutz oder schlichtweg „unzumutbarer Umfang“ sind gängige Ausreden. „Geheimhaltungsvorschriften sind längst nicht so oft einschlägig wie von Behörden angegeben, sogar das Steuergeheimnis ist …

Außerhalb der Norm denken

„Geschichten, die Spaß machen, sind zuallererst mal Geschichten, die den Autoren Spaß machen. Und die logische Folge ist, es macht auch den Lesern mehr Spaß.“ Mit einem breiten Grinsen beginnt die freie Journalistin Gabi Pfeiffer ihren Vortrag, in dem es vor allem um eines geht: Anders denken und daran Spaß haben. Los geht es mit dem Wortspiel „Tic Tac Bum“, bei dem eine tickende Bombe weitergereicht wird und wer immer die Bombe hält, sollte ein Wort bilden mit der jeweiligen Silbe, die anfangs festgelegt wird. „Vor“ gibt die Richtung an und die Bombe wandert quer durch den Raum. Vorwärts, Vorspiel, Vorderhaus – „Ich bin beeindruckt, wie viel Ihnen eingefallen ist“, sagt Pfeiffer, „aber ich glaube, es war auch besonders leicht.“ Silben könnten auch bei Schlagzeilen helfen, meint Pfeiffer. Andere Regeln, die „anders arbeiten“ lassen: Zu jeder dieser Schlagworte zeigt Pfeiffer Beispiele, die hier als Anregungen zusammengefasst sind. „Ich wünsche mir mehr Quatsch in der Zeitung!“ sagt die freie Journalistin, die sich im klassischen Tageszeitungsgeschäft nicht so wohlfühlte und deshalb heute beim Obdachlosenmagazin Straßenkreuzer mitmischt, wo …

„Investigative Recherche ist eine sehr persönliche Kiste“

Das Rechercheschwergewicht David Schraven ist heute in Gummersbach zu Gast und führt uns mit trockenem Humor durch seine Geschichten. Angekündigt ist sein Vortrag mit „Tote Briefkästen im Netz und konspirative Treffen: neue Recherchewege“. Von toten Briefkästen kann keine Rede sein, zwischen 10 und 80 „Briefe“ flattern jede Woche in Schravens anonyme Briefkästen. „Ich rate jedem so einen Briefkasten einzurichten“, sagt der ehemalige Leiter des Ressorts Recherche der WAZ (heute Funke-Gruppe). „Besonders im Lokaljournalismus kann man mit relativ wenigen Schrauben große Sprünge machen.“

Dranbleiben trotz Gegenwind

Einer der Letzten seiner Art spricht Mittwochmorgen in Gummersbach über das „Dranbleiben trotz Gegenwind“ im Lokaljournalismus. Ekkehard Rüger, „Einmann-Redakteur“ und „Landei“ berichtet seit bald 18 Jahren aus der 19.000 Einwohner großen Stadt Burscheid (bei Leverkusen) für die Westdeutsche Zeitung. „Früher habe ich mir immer gedacht: Meine Kinder sollen nie in den Sportverein gehen, über den ich berichte. Der private Blick verklärt den beruflichen, in dem ich in Köln wohne, wahre ich die Distanz“, erzählt Rüger. Heute steht sein Haus in der Nähe der Redaktion, sein Sohn geht in den lokalen Sportverein und seine Frau ist Pfarrerin in der Stadtgemeinde. Verwobener kann man mit einem Ort kaum sein. „Mein jahrelanger Distanzschutz des Siezens bricht immer mehr zusammen und wenn ich in Burscheid Gegenwind bekomme, dann ist das schnell auch persönlicher Art.“ Wie etwa aktuell. Am Sonntag gab es in Burscheid einen Bürgerentscheid zur Umbenennung der Fritz-Halbach-Straße. Fritz Halbach, bekannt für seine Förderung der Bergischen Mundartkultur, war bereits Anfang der 30er Jahre bekennender Antisemit und Nationalsozialist. Als das eine wissenschaftliche Überprüfung bestätigte, beschloss man die Straße umzubenennen, …

SZ bekommt noch dieses Jahr eine Paywall

Querdenken nennt Birgit Kruse ihre Präsentation, die sie am Dienstagnachmittag in der Theodor-Heuss-Akademie hält. Die Ressortleiterin München-Region Bayern von sueddeutsche.de zeigt neue Formate, die auch Kollegen im Alltagsgeschäft umsetzen könnten. Die neue Form der News Nachrichten entstehen auf sz.de seit kurzem modular. Sie alle sind ähnlich aufgebaut: Teaser, ein paar zentrale Bulletpoints, die den Kern der Geschichte anreißen; danach der Hauptteil der Nachricht, der so aufgebaut ist, dass Onlineredakteure die Bausteine bei Aktualisierungen ohne große Mühe austauschen können. „Das hat sich bei uns sehr bewährt, weil wir in einem Schichtsystem arbeiten. Nachrichten werden auch übergeben“, sagt die Ressortleiterin. Klar sei die Produktion aufwendig, aber danach leicht zu bearbeiten und an den Klickzahlen könne man ablesen, dass das neue Format auch bei den Lesern gut ankommt. Gleich aufgebaut wie die „News“ ist der Newsblog, der sich besonders bei Ereignissen mit ungewissem Ausgang anbietet. „Was als Newsblog und was als News erscheint, ist bei uns eher Bauchgefühl, aber meist ist es so, dass wir einen Newsblog erstellen, wenn wir nicht wissen, wann Ereignisse abgeschlossen sind“, sagt Kruse. …