Autor: Marion Bacher

Die Presse gehört den Bürgern

Die Geheimwaffe der lokalpolitischen Berichterstattung ist der Bebauungsplan. Denn nicht die zerstrittenen Politiker interessieren die Leser, sondern die Veränderungen in der eigenen Stadt. Zu Gast beim Modellseminar Kommunalpolitik ist der mehrfach ausgezeichnete Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, Paul-Josef Raue, für den die Leserbefragung ein wichtiges Werkzeug für gutes Blattmachen ist. „Die Presse gehört nicht uns, nicht den Verlegern. Wir sind keine Untertanen des Landes, sondern einzig und allein den Bürgern verpflichtet“, sagt Raue voller Inbrunst – und das müsste den Bürgern auch vermittelt werden. Intensiv hat sich der Journalist und Sachbuchautor mit der Frage befasst, wie Leser ticken. Anhand von unterschiedlichen Artikeln zur Lokalpolitik präsentiert er die Ergebnisse von Leserbefragungen und lässt die Kollegen erst einmal raten, welcher Bericht am besten ankam. „Wir müssen informieren, kontrollieren, kommentieren. Ohne Einordnung fühlen sich die Leute verloren, ohne Recherche gibt es keinen Journalismus“, sagt Raue – eine Binsenweisheit, die mit der präsentierten Brise Praxis jedoch einiges an Input gibt. Falscher Politikbegriff langweilt Ein erstes Praxisbeispiel liefert der Flyer des Modellseminars Kommunalpolitik. Von einer Chronistenpflicht ist dort die Rede – jeweils …

OB von Köln will Ombudsmann werden

Ein Kamingespräch ohne Feuer, aber feurig sollte es zugehen: „Hassliebe: Vom Verhältnis zwischen Lokalpolitikern und Journalisten“ ist das Motto des Streit-Gesprächs, bei dem sich Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) den Fragen des Chefredakteurs des Nordbayerischen Kuriers, Joachim Braun, stellt. „Wir sind nicht für Friede, Freude, Eierkuchen hier“, sagt Braun und fragt auch so. Sein Gegenüber reagiert anfangs noch etwas zaghaft, holt sich seine Lacher bei Geschichten, die ihn als OB bei Ausrutschern zeigten – etwa als er – aus Westfalen kommend – beim Karneval ein paar Sätze auf Kölsch versuchte zu sprechen. „Das war kein angenehmer Moment, als ich am nächsten Tag die Zeitung aufschlug.“ Hass oder Liebe – wie steht der OB zu den Journalisten? Eher Liebe. Das sagt Roters zwar nicht, macht jedoch deutlich, wie wichtig Journalisten, wie wichtig ihm die Medienvielfalt ist. „Wenn der Kölner-Stadtanzeiger irgendwo hinein pickt und der WDR darüber anders berichtet, dann ist das nur gut“, meint Roters. Ein Medium hingegen sei eine große Gefahr, weil man schnell abhängig vom Mainstream werden würde. „Sie fahren im Aufzug mit uns …

Der Tretmühle entkommen

Lokaltrott vermeiden, -politiker aus der Reserve locken, neue Recherchewege erschließen und Input aus allen Himmelsrichtungen bekommen: Das sind nur ein paar wenige Ansprüche, die 35 Lokaljournalistinnen und -journalisten von Heide ganz im Norden über Mühlhausen bis nach Bad Tölz im Süden Deutschlands haben. Sie trafen einander heute Nachmittag zum Auftakt des Modellseminars „Und ewig grüßt der Landrat – Wie Redaktionen der lokalpolitischen Tristesse entkommen“ in der Theodor-Heuss-Akademie im beschaulichen Gummersbach. Das aktuelle Progamm gibt es hier: Programm: Und ewig grüßt der Landrat Nach einer enthusiastischen Eröffnungsrede des Akademieleiters Klaus Füßmann – „Sie stellen Öffentlichkeit her – das ist großartig“ – ging es schon weiter mit der Vorstellungsrunde. Die Paare fanden über (lokal/sozial)politische Stichworte wie etwa „Hartz“ – „IV“, „Steinbrück“ – „Stinkefinger“ oder „Kölsch“ und „Klüngel“ zusammen, die für so manches Gelächter sorgten. Neben der Erweiterung des geografischen Spektrums wurde eines schnell klar: Zu viele leere Seiten mit zu wenig Mitarbeitern zu füllen, tut keiner Zeitung gut, oder wie es ein Redakteur ausdrückte: „Ich liebe meinen Beruf, aber meinen Job finde ich manchmal ganz schrecklich.“ Diverse …

Kurzinterview mit… Jana Klameth, stellvertretende Chefredakteurin der Freien Presse Chemnitz

Frau Klameth, Sie sind seit 27 Jahren Journalistin in Sachsen – können Sie sich noch an ihre erste Geschichte im rechtsextremistischen Milieu erinnern? Das muss in den 90er Jahren gewesen sein, als darüber gesprochen wurde, die SSS (Anmerkung: Skinheads Sächsische Schweiz) zu verbieten. Wir waren damals in der Redaktion unsicher, wie wir mit Rechtsextremismus umgehen sollten und mussten uns erst an das Thema herantasten. Einmal sind wir so richtig auf die Nase gefallen, als wir ein Streitgespräch zwischen einem Neo-Nazi und einem Gegner abdruckten. Das hat schlicht nicht funktioniert. Seitdem haben wir nie wieder ein Wortlaut-Interview veröffentlicht. Sprechen Sie denn mit denen? Natürlich, aber die Wortlaut-Zitate werden immer eingeordnet, damit man Zusammenhänge klar machen kann. 2005 habe ich einen Artikel über ein Treffen mit den Jungen Nationaldemokraten veröffentlicht, in dem ich die Situation beschrieben habe, dass nur der Vorsitzende reden durfte. Die Jugendlichen, die anwesend waren, hatten Redeverbot. Das sagt schon viel aus. Sie sind stellvertretende Chefredakteurin von 19 Lokalzeitungen. Haben Sie Leitlinien für die Berichterstattung über Rechtsextreme? Es gibt nichts Schriftliches, aber schon Grundsätzliches: …

Kurzinterview mit…. Robert Kiesel, Innenpolitik-Redakteur beim Nordkurier und Landesmedienpreisträger 2013 von Mecklenburg-Vorpommern

Herr Kiesel, seit wann recherchieren Sie zur rechtsextremen Szene? Ich habe mich schon während meines Politikstudiums in Berlin mit den Themen ausgehend vom Nationalsozialismus bis hin zu Rechtsextremismus beschäftigt und war oft auf Demonstrationen gegen Nazis unterwegs. Schon mal Angst gehabt? Ja, ich hatte eine beängstigende Situation letztes Jahr in Magdeburg, wo die ganze Stadt wegen eines Naziaufmarsches im Ausnahmezustand war. Ich wollte darüber berichten, wie die Stadtbewohner damit umgehen und wie sich das für sie anfühlt. Bei der Rückfahrt bin ich dann in einen Zug gestiegen, in dem 50 Nazis in einem Triebwagen saßen. Es gab keinerlei Polizeibegleitung und die waren auf Provokation aus. Da rutschte mir schon das Herz in die Hose, aber zum Glück hat mich keiner von der Demo erkannt. Im vergangenen Jahr bekamen Sie den Landesmedienpreis von Mecklenburg-Vorpommern für Ihr journalistisches Engagement gegen Rechtsextremismus. Wahrscheinlich sind Sie jetzt der Nazi-Beauftragte der Redaktion? So kann man das nicht sagen. Ich bin kein Spezialreporter, sondern arbeite im Ressort für Landespolitik, worüber ich auch sehr froh bin. Ich könnte nicht die ganze Zeit …

Diskussion: Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe ─ Welchen Journalismus verlangt die demokratische und digitale Gesellschaft?

Sven Gösmann, dpa-Chefredakteur, greift die letzten Worte des Impulsreferats der SZ-Redakteurin Annette Ramelsberger auf: „Erstmal kapieren dann kommentieren, denn Journalismus ist schließlich mehr als ein Newsroom.“ Es gehe immer noch darum, anzurufen, hinzufahren, Journalisten dazu in die Lage versetzen. Denn die Ideenkrise sei ein Teil der ökonomischen Krise des deutschen Journalismus. Es diskutieren: Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin Süddeutsche Zeitung, München Markus Beckedahl, Journalist und Blogger, Gründer von netzpolitik.org, Berlin Bernhard Boll, Verleger Solinger Tageblatt und Rechmscheider General-Anzeiger, Solingen Sven Gösmann, Chefredakteur Detusche Presse-Agentur, Berlin Matthias Koch, Chefredakteur Redakteionsnetzwerk Deutschland, Verlagsgruppe Madsack, Hannover Verleger Bernhard Boll des Solinger Tagblatts erzählt von der Integrität seiner Tageszeitung, wie beispielsweise seine Redakteure drauf gekommen sind – 14 Tage vor der Kommunalwahl – dass der Bürgermeister einen Schwarzbau hat. Trotz Intervention sei der Artikel noch vor der Wahl erschienen. Der Gründer von netzpolitik.org findet, es ist eine spannende Frage, ob durch PayWalls Skandalisierungen eingedämmt werden. Was kann die dpa tun, um den Medien zu helfen Qualität zu gewährleisten, fragt Lauff im Anschluss. Gösmann erläutert den Grundgedanken der dpa – eine Gemeinschaftsredaktionen …

Journalisten am Gängelband? Einflussnahme von außen auf die journalistische Arbeit

„Print ist unverzichtbar“ – mit diesem Satz leitet Moderator Werner Lauff das erste Panel am Nachmittag ein. Soeben bekam das Publikum Einblick in die Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach von Leiterin Köcher. Zwei Aspekte stellte Lauff heraus: Dass Einflussnahme stattfindet und je mehr sie stattfinde, desto leichter sei die Einflussnahme. Taz-Chefredakteurin Pohl spricht vom größten Feind in den Köpfen. Natürlich gebe es einen wirtschaftlichen Druck, aber die Angst vor den Leserinnen und Lesern sei mittlerweile um einiges präsenter als die plumpen Versuche der Einflussnahmen von Seiten der Geschäftsführer und Ministerpräsidenten. Der Chefredakteur der Allgemeinen Zeitung in Mainz Freidrich Roeingh hält dagegen, dass im Regionalen und Lokalen die wirtschaftliche und politische Einflussnahme noch immer stark ist. Er spricht jedoch auch davon, dass seit Stuttgart 21 Bürgerinitativen immer stärker werden: „Sie sind oft sehr radikal mit ihren Haltungen, drohen mit Aboabbestellung, beschimpfen uns wir seien gekauft etc. Besonders jene Bürgerinitativen, die dagegen sind, haben ein hohes Maß an Professionalität.“ Neben Roeingh sitzt OB Boris Palmer aus Tübingen: „Die schärfste Waffe der Verwaltung ist immer noch das …