Wer mehr Menschen für die Berichterstattung über die anstehende Bundestagswahl begeistern will, tut gut daran, die Beiträge ruhig auch einmal etwas spielerischer zu gestalten. Das ist eine der Thesen, die Tobias Köpplinger – Online-Chef bei der Frankfurter Neuen Presse – mit zur Redaktionskonferenz des bpb-Lokaljournalistenprogramms nach Berlin gebracht hat.
Mitgebracht hat er auch eine große Auswahl an Beispielen, wie Wahlberichte und multimediale Arbeiten erfrischender gestaltet werden können – so eben, dass sie gut geklickt werden, aber trotzdem inhaltlichen Mehrwert bieten. So haben die Onliner des Nordbayerischen Kuriers – Köpplingers vorigem Arbeitgeber – einmal versucht, TTIP mit Hilfe von Legomännchen zu erklären. Zwei Personen waren dafür zwei Tage lang eingebunden. Der Beitrag wurde gut geklickt. „Ich glaube, damit erreichen wir ganz andere Menschen als wenn wir TTIP in einer Artikelserie erklären“, sagt Köpplinger über das witzige Video, das eine deutsche Familie und deren Ängste mit einer amerikanischen Familie vergleicht.
„Oh, die machen ja cooles Zeug bei der Lokalzeitung“ (Tobias Köpplinger)
Und: Der kurze und spielerische Videobeitrag hat einen sogenannten Longtail. Heißt: Wann auch immer die Zeitung das Thema TTIP wieder behandelt, kann das Video als frisches Erklärstück anbei gestellt werden. Köpplinger: „Das hat dann den Effekt, dass die Leute merken: Oh, die machen ja cooles Zeug da bei der Lokalzeitung und die sind ja gar nicht so verschnarcht wie wir dachten“. Ohne diese Langzeitwirkung mache es freilich nicht viel Sinn, so viel Arbeitskraft in einen 100-sekündigen Beitrag zu stecken.
Wenn der Beitrag stimmt, können Lokaljournalistinnen und -journalisten die Nutzer also multimedial gut für ein kompliziertes Thema gewinnen. Politikberichterstattung müsse dafür aber „visueller, echtzeitiger und interaktiver“ werden, so Köpplinger. Das liege auch an dem, was der Onliner „Herausforderung Hintertür“ nennt: Weil immer mehr Leute über Newsfeeds oder Suchmaschinen auf der eigenen Seite landeten, müssten die Beiträge auffallen – zum Beispiel über starke Bilder oder eben innovative Formate.
Ein Videobeitrag sollte zum Beispiel …
- … einen Nutzen bringen (benefit)
- … Emotionen auslösen oder aufgreifen (emotion)
- … überraschen (surprise)
- … und anregen (trigger).
Köpplinger nennt diese Formel „BEST“ – ein nach diesen Maßstäben gestalteter Videobeitrag erfahre in der Regel viel Zuspruch.
Diese Tools empfiehlt Köpplinger auch für Lokalredaktonen:
- Quiz und Persönlichkeitstests mit „Riddle“
- „Playbuzz“
- „Apester“
- Vorher-Nachher-Schiebebilder mit „Juxtapose“
- Online-Grafiken mit „Infogram“
- Liveticker mit „Scribble-Live“
- Text auf Bilder packen mit dem einfachen Designtool „Canva“ oder „Snapseed“ auf dem Smartphone (im AppStore oder PlayStore)
Und Leseanregungen:
- Der New-York-Times-Report: „2020: Journalism that stands apart“
- „Video-Now“, eine Untersuchung über Web-Videos in den USA
- TTIP in einem Kurzvideo des Nordbayerischen Kuriers erklärt
- Ein Beispiel der Berliner Morgenpost für gute Vorher-Nachher-Schiebebilder
- Ein Beispiel-Quiz zum Thema: „Sind Sie eher Trump oder Clinton?“
- Ein Beispiel von in einen Artikel eingebundenen Infogr.am-Grafiken
Sehen Sie auch das Videointerview mit Tobias Köpplinger:
Im Zitat hat sich ein falscher Vorname eingeschlichen. 😉
Danke für den Hinweis! Ist korrigiert.