Wie man über Wirtschaft jenseits ausgetretener Pfade berichten kann, zeigt Marc Winkelmann vom Wirtschaftsmagazin „enorm“.
Alternative und nachhaltige Projekte und Initiativen erweitern Schritt für Schritt den Raum des Denkbaren und des Möglichen und stoßen so vom Lokalen aus einen Prozess des Umdenkens an – so ähnlich formuliert es die Umweltphilosophin Barbara Muraca in ihrem Buch „Gut leben“. Das Wirtschaftsmagazin „enorm“ aus Hamburg hat es sich zur Aufgabe gemacht, über eben solche Projekte zu berichten und hat damit 2010 eine Marktlücke aufgetan: Über 21.000 Exemplare des Magazins werden mittlerweile alle zwei Monate verkauft und 75 Prozent der LeserInnen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Allerdings würden sich die vor allem in den größeren Städten konzentrieren. So wie auch die Inhalte des Heftes: „Wir suchen händeringend nach Geschichten, die nicht in den Städten spielen“, sagt Chefredakteur Marc Winkelmann.
Die Leitfrage des Magazins lautet: Wie wollen wir in Zukunft leben und arbeiten? Und wer zeigt schon heute, wie das gehen könnte? Dieser Ansatz biete den LeserInnen laut Winkelmann vor allem eines: Inspiration – für ein besseres Leben, für mehr Engagement, für mehr Nachhaltigkeit. Die eher jungen LeserInnen fühlten sich von solchen Themen angesprochen.
„Man darf konstruktiv sein nicht mit naiv verwechseln“ (Marc Winkelmann)
Und so berichtet „enorm“ über Transparenz und Flexibilität am Arbeitsplatz, über nachhaltigen Konsum, über den Wertewandel in der Gesellschaft und über die soziale Verantwortung von Unternehmen. Man wolle konstruktive Geschichten erzählen – dabei aber auch stets kritisch sein. „Ich glaube man darf konstruktiv sein nicht mit naiv verwechseln“, antwortet Winkelmann auf eine kritische Nachfrage zum Thema „konstruktiver Journalismus“.
Es ist eine Berichterstattung mit moralischem Kompass, die die kleine „enorm“-Redaktion mithilfe eines Pools von freien MitarbeiterInnen umsetzt. „Wir sind ein selbstgemachter, selbstgegründeter Verlag“, so Winkelmann. Und das bringt neben ökonomischen Zwängen auch ein ordentliches Maß an inhaltlicher Freiheit mit sich.
Hier ein paar Themen, die exemplarisch dafür stehen, worüber „enorm“ berichtet:
- „Auf Kuschelkurs zum Wunschgehalt“: Mitarbeiter haben bei einem Hamburger Unternehmen ihre Gehälter untereinander ausgemacht
- „Wir sind Chef“: Top-Down-Hierarchien werden von der jungen Generation nicht mehr gewünscht – eine Agentur in Berlin macht es anders
- „Die rettende Idee“: Ein Hersteller von Insektenschutzmittel will sein Unternehmen umbauen und schafft Ausgleichsflächen für getötete Mücken
- „Sauber auf die Fresse“: Start-up, das vegane Boxklamotten herstellt
- „Das Prinzip Geduld“: Eine junge Unternehmerin stellt in Oberbayern faire Computermäuse her
- „Sauber im Abgang“: Geschichte über ein nachhaltiges Krematorium
- „Nachwuchsprogramm“: Eine Darmstädter Familie reist mit vier kleinen Kindern um die Welt, um sich die Stationen des Klimawandels anzuschauen
„Wir verstehen und als Übersetzer dieser Themen“, sagt Winkelmann. Und es sei ein gutes Gefühl sich mit derlei Storys auseinanderzusetzen und nicht etwa mit den neuesten Entwicklungen am Aktienmarkt. „Ich habe das erste Mal das Gefühl, mich mit Themen zu beschäftigen, die wirklich relevant sind“, sagt Winkelmann. Das motiviere ungemein.
Und auch die LeserInnen sollen motiviert werden: So wurde der Claim des Heftes von „Wirtschaft für den Menschen“ zunächst zu „Wirtschaft gemeinsam denken“ und beim Relaunch in diesem Jahr zu „Die Zukunft fängt bei Dir an“ geändert. Die Gesellschaften stünden vor großen Herausforderungen. Und da müsse „jeder Bürger auch ein bisschen mit in die Bresche springen“, findet Winkelmann. Sein Magazin soll die nötige Inspiration dazu liefern. Und: Anknüpfungspunkte, um selber aktiv werden zu können.