Es klingt nach einem Klischee, aber tatsächlich war es so: Kurz vor Beginn des Podiumgesprächs über das Thema „Wer rettet das Klima?“ kam es zu einem heftigen Regenschauer, der in allen das mulmige Gefühl anrührte, dass der Klimawandel, oder besser die Klimakatastrophe, schon weiter fortgeschritten sein könnte, als wir es wahrhaben wollen. Es war nur ein Schauer, die sich anbahnende Katastrophe ist dennoch real.
Das Podium
Mit Theresia Crone, der Klimaaktivistin und Kolumnistin der Schweriner Volkszeitung, zog ein Hauch von „Fridays for Future“ ein auf dem 25. Forum Lokaljournalismus.
Dr. Stefanie Arndt, Meereisphysikerin am Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven, war als Stimme der Wissenschaft geladen.
Frank Dreeke, Vorstandsvorsitzender BLG Logistic Group Bremen, sollte wohl die Sicht derjenigen vertreten, die sich neben dem Klima auch um die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sorgen.
Hinzu kam noch Dr. Torsten Köhne, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Bremen. Die Moderation übernahm Christop Linne, Chefredakteur der Nordsee-Zeitung.
Linne warf dann auch die Frage auf, die das Podiumsgespräch prägte: Warum tun wir uns so schwer zu handeln?
„Die öffentliche Debatte ist unterkomplex.“
Theresia Crone, Klimaaktivistin
Crone trug vehement und leidenschaftlich die Position der Bewegung „Fridays for Future“ vor. „Wir leben in Wirtschaftssystemen, die uns an Strukturen binden“, sagte sie. Sie sprach über „fossile Abhängigkeiten“, „Lobbyismus“, sie verwies auch auf die aktuelle politische Lage (Krieg gegen die Ukraine) und kritisierte heftig die Vorgänge um die deutsch-russische Pipeline Nordstream II. „Es gab Studien, die ausnahmslos gezeigt haben, wir brauchen diese Pipeline nicht“, sagte sie. „Aber gewisse Politiker haben sich hingestellt und gesagt: Die Pipeline ist superwichtig, sonst müsst ihr im Winter kalt duschen.“
Solche Aussagen seien einfach nicht hinterfragt worden, meinte Crone mit einem Seitenhieb auf die Medien. „Die öffentliche Debatte ist unterkomplex. Wenn man solche Debatten führt, sollte man sich auch tiefer einarbeiten.“ Klima stecke in jedem Thema, auch wenn es um Umgehungsstraßen etc. gehe. Jeder Journalist sollte sich mit dem Thema befassen, Redaktionen sollte sich Knowhow heranholen.
Sie schilderte auch noch einmal die Bedeutung des jüngsten Berichts des Weltklimarats und fasste zusammen: „Wir haben jetzt schon jeden Tag Menschen, die ihre Lebensgrundlage verlieren. Wir müssen bis 2040 mit 140 Millionen Klimaflüchtlingen rechnen. Es müssten in den nächsten Monaten Entscheidungen getroffen werden. Aber ist der Wille wirklich da? Warum kommt ein LNG Beschleunigungsgesetz zum schnelleren Bau von Flüssiggasterminals, aber kein Windkraft-Beschleunigungsgesetz?“
„Eines darf nicht passieren: Die deutsche Wirtschaft darf nicht zusammenbrechen.“
Frank Dreeke, Vorstandsvorsitzender BLG Logistics Group Bremen
Dreeke stellte die wirtschaftliche Sicht auf das Problem dar. „Eines darf nicht passieren: Die deutsche Wirtschaft darf nicht zusammenbrechen“, sagte er. Ja,man habe in der Vergangenheit versäumt zu handeln, es sei allen gut gegangen, es war „so ein bisschen Schlaraffenland, Komfortzone. Und plötzlich merkt man: Was wir machen, kann für die Zukunft nicht richtig sein.“ Zwar habe sich etwas geändert, aber: „Wir sind dabei zu handeln, aber haben noch nicht richtig Fahrt aufgenommen. Wir werden aber von den Jüngeren getrieben.“
Energieversorgung habe was mit Zeit und Zeitraum zu tun, sagte Dreeke. Kurzfristig seien wir von den Gaslieferungen (aus Russland) abhängig, die Wirtschaft schaffe es nicht, ohne diese Gaslieferungen zu produzieren. Er sprach auch über das Problem der Genehmigungsverfahren, das Klagerecht, und betonte: „Wir machen da viel zu wenig Druck als Bevölkerung.“
„Wind und Sonne sind die einzigen, die das Problem langfristig lösen können.“
Dr. Torsten Köhne, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Bremen
Köhne meinte: „Wir müssen mit dem Veräppeln aufhören, etwa nach dem Motto: Wir müssen uns nur anstrengen und dann klappt es mit dem Wasserstoff. Nein, das passiert nicht.“ Vielmehr müssten unbequeme Wahrheiten angesprochen werden, aber in unserer Gesellschaft sei es nun mal so: „Einschränken ist ein Tabu.“ Das sei auch ein Problem der Demokratie, denn wer solche Tatsachen ausspreche, müsse fürchten, nicht mehr gewählt zu werden. Und zum Stichwort Braunkohle sagte er: „Den Ausstieg im Jahr 2038 als ökologisch zu verkaufen, ist eine Frechheit.“ Für ihn steht fest: „Wind und Sonne sind die einzigen, die das Problem langfristig lösen können.“
„Was mich überrascht ist, dass es so dargestellt wird, als wäre es überraschend.“
Dr. Stefanie Arndt, Meereisphysikerin am Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven
Hoch interessant war das, was Dr. Stefanie Arndt, Meereisphysikerin am Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven, zu berichten wusste. Sie war 2019 mit dabei bei der MOSAiC-Expedition mit dem Forschungsschiff „Polarstern“. Dabei untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 20 Nationen die Arktis im gesamten Jahresverlauf, auch im arktischen Winter. „Wir hatten die Möglichkeit, in den schärfsten polaren Bedingungen, im Winter, direkt am Nordpol zu forschen. Diese Daten auszuwerten ist eine riesige Aufgabe“, erzählte sie.
Zur gegenwärtigen Debatte meinte sie: „Was mich überrascht ist, dass es so dargestellt wird, als wäre es überraschend.“ Den Aha-Effekt gab es ihrer Meinung nach schon vor Jahrzehnten. Sie betonte die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit beim Thema Klima. Das Problem sei auf nationaler nicht zu begreifen. Immerhin: Die Polarregion und der Klimawandel seien in den Medien zuletzt wesentlich sichtbarer geworden. „Es erhält immer mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, das haben wir auch Fridays for Future zu verdanken. Diese Aufmerksamkeit haben wir mit der Wissenschaft nicht erzeugt.“
Arndt wünscht sich noch mehr Aufklärung: „Was ist alles Teil des Klimawandels? Das Verständnis hierfür fehlt noch immer. Nach dem Motto: Mein Gott, dann schmilzt halt das Eis. Aber wir müssen begreifen, dass solche Unwetterkatastrophen wie im Ahrtal im Sommer 2021 genau damit zu tun haben.“
Zum Nachlesen
In der Ausgabe 3/22 der drehscheibe lesen Sie einen längeren Beitrag über Theresia Crone und ihre Tätigkeit als Bloggerin und Aktivistin.