Crossmedia, Mediennutzung

Zehn Thesen zur Zeitung

Zeitungen

Aller nur Altpapier? Michael Haller erklärt, wie Leser die Zeitung nutzen. Foto: tommyS/Pixelio

Es scheint immer alles so klar. Wer ist für den Auflagenschwund der Zeitungen verantwortlich? Das Internet. Wen müssen Regionalblätter mit dem Marketing erreichen? Junge Leser – damit sie die Printzeitung zu schätzen lernen. Auf der Internationalen Fachkonferenz „Für die Zeitung von morgen“ des Instituts für praktische Journalismusforschung (IPJ) in Leipzig stellte Professor Michael Haller zehn Feststellungen auf, warum dies Vorurteile sind und was Zeitungen daraus lernen können.

Die ersten vier Feststellungen betreffen die Nutzungstrends von Zeitungen (Zahlen aus Schaubildern, erstellt mit dem meedia analyzer)

1. Sinkende Reichweiten von Regionalzeitungen sind nicht eine Folge des Internets, sondern setzten bereits vorher ein (etwa ab 1989).

2. Der Leserrückgang betrifft alle Bildungssschichten.

3. Seit rund zehn Jahren beginnen junge Erwachsene immer später damit, eine Tageszeitung zu abonnieren.

4. Das Interesse am Zeitungs-Abo entsteht erst in der sogenannten Etablierungsphase (derzeit ab Anfang 30 Jahre). Daraus folgt, dass die Kernzielgruppe von Regionalzeitungen die 30- bis 50-Jährigen sind (sein sollten). Aber: Mediensozialisation in Familie (und Schule). Darum sind „Zeitung in der Schule-Projekte“, wo Kinder und Jugendliche das Medium Zeitung kennenlernen, sehr wichtig.

Die folgenden vier Feststellungen betreffen die Nutzungstrends von Online-Auftritten der Zeitungen (Quelle der Zahlen, die zugrunde liegen: ARD/ZDF-Onlinestudie)

5. Das Internet gehört inzwischen zum Alltag, 75 bis 78 Prozent der Gesamtbevölkerung haben einen Internetzugang.

6. Vor fünf Jahren nutzten viele Leser das Internet ab 10 Uhr morgens, danach relativ gleichbleibend, abends ging die Nutzung zurück. Inzwischen hat sich dieses Verhalten geändert. Ab 10 Uhr morgens nimmt die Nutzung noch immer zu, der Höhepunkt ist allerdings abends nach der Arbeit erreicht.

7. Regelmäßige Nutzer des Internets suchen neben dem Netz Orientierung in Zeitungen.

8. Crossmedia-Nutzer sprechen der Zeitung in punkto Orientierungssleistung mehr Kompetenz zu. Aber: Das ist kein Alleinstellungsmerkmal.

Die abschließenden Feststellungen beziehen sich auf die Leserwünsche an Lokalzeitungen (folgend aus einer Doktorarbeit am IPJ, siehe auch bei message) .

9. Leser wollen Aktualität und Glaubwürdigkeit. An dritter Stelle erwarten sie Verständlichkeit (eine gute Sprache ohne Phrasen) sowie eine kritische Berichterstattung.

10. Lokalzeitungsleser wollen eine umfassende Orientierung. Sie legen Wert auf eine kompetente Berichterstattung über Kommunalpolitik genauso wie Landespolitik. Wichtig: Reporter müssen in der Berichterstattung den Aspekt herausarbeiten, der für alle Leser interessant sein kann und nicht nur eine bestimmte Gruppe. Also General Interest statt Special Interest.

1 Kommentare

  1. P. Zitzmann sagt

    Die Thesen 1 bis 4 beschreiben sinkende Reichweiten zwar, erklären sie jedoch nicht inhaltlich.
    Die Thesen 5 bis 8 kommen der Sache schon näher. Die wachsende Internetnutzung soll nichts mit der Reichweite der Printausgaben zu tun haben? Was ist denn nun der Grund?
    Die Thesen 9 und 10 schreiben wir uns ja nun seit Jahrzehnten hinter die Ohren.

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