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„Content ist King“

Auf den 11. Tutzinger Radiotagen steht der Inhalt im Fokus.

Smartphones, Autoradio, personalisiertes Hören – die Technologie ändert das Radiohören – „und das wird wiederum zu einer intensiven Diskussion über Inhalte führen“, sagt Bertold L. Flöper. Der Leiter des Lokaljournalistenprogramms der Bundeszentrale für politische Bildung eröffnet mit Michael Schröder, Leiter der Akademie für politische Bildung Tutzing, die 11. Tutzinger Radiotage „Recherchieren – erzählen – teilen“.

In Tutzing wird es in den kommenden zwei Tagen neben den veränderten Hörgewohnheiten und technologischen Entwicklungen vor allem um die Inhalte gehen, die laut Flöper bestimmend für die Relevanz des Radiosenders bzw. das jeweilige Programm sein werden. „Neben einem spannenden Storytelling oder die Teilbarkeit in den sozialen Netzwerken scheint im Kampf um die Aufmerksamkeit die Glaubwürdigkeit eine ganz besondere Rolle zu spielen“, sagt Flöper. Polarisierende Diskussionen über die Ukraine-Krise oder die Reaktionen auf den Germanwings-Absturz hätten gezeigt, dass sich Bürger aktiv in die Berichterstattung einklinken.

Trotz heftiger Diskussionen soll das Radio laut Umfragen noch immer das Vertrauensmedium Nummer 1 bei den Deutschen und bei vielen anderen Europäern sein. „Wie aber kann dieses Potential genutzt und weiter ausgebaut werden?“, fragt Flöper in den vollbesetzten Saal, wo von der Volontärin eines kleinen Privatradios bis hin zum Deutschlandradio-Kulturchef Radiomacherinnen und Radiomacher unterschiedlichster Couleur vereint sind. Die Frage nehmen die Teilnehmenden mit in die Workshops, die sich die Recherche, das Erzählen und das Teilen als Schwerpunkte vorgenommen haben.

Glaubwürdigkeit darf nicht verspielt werden

Auch Christian Vogg, Radiochef der European Boradcasting Union (EBU), der den anschließenden Eröffnungsvortrag hält, betont die Stärke „Glaubwürdigkeit“ des Radios: Eine Stärke, die man nicht verspielen dürfe. Vogg spricht in seinem Vortrag zum Radio im Wettbewerb der neuen Medienwelt drei Herausforderungen des Radios an: Die Jugend höre kaum mehr Radio, das Radiohören funktioniere via Smartphones anders und auch die Weiterentwicklungen in der Autobranche stellen die Radiosender vor Herausforderungen: „Die Apples und Googles dieser Welt sind massiv in den Autos drin – sie interessieren sich aber nicht für das freie Radio. Die wollen Geld machen“, erläutert Vogg.

Gerade am Beispiel der Autobranche könne man gut festmachen, in welche Richtung sich das Radio bewegen würde – laut Vogg in Richtung Hybridität: Der EBU-Radiochef führt das Beispiel an, dass die Bildschirme in den Autos immer größer werden – hört der Nutzer den Livestream eines Radios, könne er beispielsweise mit einem Knopfdruck Zusatzmaterial zu dem gerade besprochenen Thema anhören. „Content ist nach wie vor King“, ist sich Vogg sicher.

Für „Content“ begleitend zu den Tutzinger Radiotagen sorgen übrigens fünf Nachwuchsjournalistinnen und ein Nachwuchsjournalist, die aus ganz Deutschland angereist sind. Ihre Beiträge zum Lesen, nachlauschen und anschauen finden Sie auf: radiotage.wasmitmedien.de/2015

Medientalente

wasmitmedien-Macher Daniel Fiene (r.) mit den Medientalenten

Challenge mastered

Walk über den gesperrten Kurfürstendamm zum finalen Get-together im Biergarten am Donnerstagabend.

Walk über den gesperrten Kurfürstendamm zum finalen Get-together im Biergarten am Freitagabend.

Knapp 30 Journalisten und Medienmachern haben die Herausforderung angenommen, von Donnerstag den 11. Juni bis Samstag den 13. Juni in Berlin in dem bpb-Seminar “Challenge accepted! Zukunftsstrategien für hyperlokale Onlinemedien” eben jene Strategien in Arbeitsgruppen und mit Experten zu diskutieren. Sie haben mit viel Herzblut und Engagement neue Ideen und Konzepte für anspruchsvolle kommunalpolitische Formate (Arbeitsgruppe eins), bessere Finanzen (Arbeitsgruppe zwei) und ein geschärftes Profil (Arbeitsgruppe drei) entwickelt.

Reader zur Veranstaltung mit Zusammenfassungen und Ergebnissen

Die Twitter-Gemeinde hat ebenso wie die Arbeitsgruppenleiter Annabel Trautwein, Stefan Aigner und Philipp Schwörbel ihr eigenes Fazit gezogen.

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Ergebnisse AG 3: So geht Leserfinanzierung

Den Leser davon zu überzeugen, für Artikel eines hyperlokalen Onlineblogs zu zahlen, ist eine Herausforderung. Welche Vor- und Nachteile mögliche Finanzierungsformen für die unterschiedlichen Blogs bieten, haben die Teilnehmer der Arbeitsgruppe unter Philipp Schwörbels Leitung erarbeitet.

Wie kann ich meine Leser davon überzeugen, auch für meine Artikel zu zahlen?

Zunächst müsse man sich fragen, welche Zielgruppe man bediene und erreichen will, erklärt die Arbeitsgruppe. Sind die Leser wirklich an unseren Informationen interessiert und haben sie überhaupt das Budget, um dafür zu bezahlen?

Anschließend sei natürlich entscheidend, „wo man mit seinem Blog hinwolle“, so eine Teilnehmerin. Bei langfristiger Arbeit, also dem Ziel, den Blog auch auf lange Zeit zu etablieren, sind regelmäßige Zahlungen der Leser sinnvoll. Dadurch erhalte man eine Art regelmäßiges Feedback. „So weiß man, dass die Arbeit weitergeführt werden kann.“

Aber: „Durch ein Abomodell sperrt man immer auch ein Teil der Zielgruppe aus“, so eine Seminarteilnehmerin. Diejenigen, die also nicht für die Artikel zahlen, erhalten auch keine Informationen und das sei besonders für User, die das Geld nicht aufbringen können, schade.

Auch Crowdfunding könnte für manche Lokalblogs eine sinnvoll Finanzierungsvariante darstellen. Gerade bei artikelbezogenem Crowdfunding müsse man aber analysieren, aus welchem Grund gespendet werde. Eine Einmalspende bietet einem Lokalblag einen guten Start, auf lange Sicht könne diese Variante jedoch selten Finanzierungssicherheit bieten.

Die Teilnehmer erarbeiteten Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Erlösmodelle für die hyperlokalen Onlineblogs.

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Um diesem Problem entgegenzuwirken, kann auch die Variante, einen Förderverein einzurichten, eine gute Finanzierungsmöglichkeit sein. Den Freiwilligkeitscharakter empfinden die User meist als sehr positiv, zudem birgt diese Variante die Chance, die Leser stark an die eigene Seite zu binden.

Die Schwierigkeit liegt darin, den Leser davon zu überzeugen, dem Förderverein beizutreten. „Ich muss mir ganz genau überlegen, wie ich die Kampagne aufziehe, damit möglichst viele Leser motiviert werden, mich zu fördern“, erklärt Gruppenleiter Philipp Schwörbel.

Man müsse versuchen, eine gewisse Identifizierung des Lesers mit dem journalistischen Produkt zu erzeugen, so die Teilnehmer. Mit dem Credo „Du kannst etwas beitragen zu meiner Arbeit!“ lassen sich mehr User überzeugen, als man denkt.

Bei Spenden wichtig: Transparenz!

Wichtig ist dabei jedoch, transparent zu machen, was mit dem gespendeten Geld passiert. „Man kann zum Beispiel durch eine Art Tagebuch auf dem Blog darstellen, wie viel gespendetes Geld in diese und jene Recherche geflossen ist und was dabei herausgekommen ist“, erklärt eine Teilnehmerin. Außerdem sei eine Art Danke-Post denkbar wie „Dank euch habe ich diese neue Kamera und kann damit jetzt die folgenden Videos viel besser umsetzen.“

Um den Leser zum Zahlen zu bewegen, könne man auch andere Kanäle benutzen, als nur den Online-Lokalblog. Gerade als hyperlokales Medium müsse man auch die hyperlokalen Möglichkeiten ausnutzen. „Man kann zum Beispiel Beitrittszettel für den Förderverein beim Bäcker oder Metzger vor Ort auslegen. Auch dadurch werden Leser wieder angeregt, den Blog zu unterstützen.“

 

Ergebnisse AG 2: Politisch, kritisch, scharf

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Das zehnte Gebot: Sei nicht beliebig. Hab Mut zur Haltung.

Gruppe zwei stellte die zehn Gebote der Profilbildung vor. „Schließt eure Augen und genießt“. Mit epischer Stimme und hohem Anspruch trug eine Teilnehmerin die Leitsätze vor:

1) Betrachte die Medienlandschaft vor Ort. Analysiere sie, erkenne die Zielgruppe, erkenne die Lücken, besetze sie.

2) Reflektiere Deine Ressourcen. Du betreibst ein langfristiges Projekt. Welche Kompetenzen hast du, Interessen, Manpower, Budget etc.? Habe auch Mut zur Lücke. Stelle fest, wo Du ergänzen musst.

3) Qualität geht vor Quantität. Und weniger ist oft mehr. Das gilt für Deine Artikel, und auch für die Auswahl von und das Bespielen der Social Media Kanäle. Begründe Deine Relevanz nicht mit Klickzahlen.

4) Trage zur politischen Meinungsbildung bei. Lokalpolitik sollte ein wesentlicher Bestandteil Deines Blogs sein.

5) Erkenne deinen gesellschaftlichen Auftrag. Sei transparent und offen. Denn wie sagte der große Philosoph und Onkel von Spiderman: „Mit großer Macht kommt große Verantwortung.“

6) Formuliere Deinen Anspruch, dein Selbstverständnis. Bist du eine One-Man-Show oder suchst du eine Redaktion? Bist Du tagesaktuell oder verstehst Du Dich als Magazin?

7) Leser sollen dich für Deine Inhalte hassen, und nicht für in-Deinen-Blog-kopierte Pressemitteilungen.

8) Scheue keine Auseinandersetzungen. Wenn du gut arbeitest, ergeben sie sich zwangsläufig.

9) Die Ergebnisse Deiner Recherche sind online, aber du bist vor Ort.

10) Sei nicht beliebig. Hab Mut zur Haltung.

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Der „Dealbreaker“, der umstrittenste Punkt sei 4) g$ewesen. Wie viel Politik muss sein? „Es gab unterschiedliche Auslegungen“, sagt Stefan Aigner, der Gruppenleiter. Eine entscheidende Frage war, ob jeder Blog konkret über Politiker berichten müsse, um als wertig zu gelten – und ab wann ein Sachverhalt eigentlich politisch ist.

„Ich finde es interessant, dass man durch einen Kontrapunkt in der Berichterstattung, die nicht originär politisch ist, auf wichtige gesellschaftspolitische Zusammenhänge hinweisen kann“, kommentiert Annabel Trautwein aus dem Plenum. Politik ist mehr als Ratssitzungen und Gremien, ist der Diskussionskonsens. Sie drückt sich auch in gesellschaftlichen Verhältnissen aus, in Machtverhältnissen, Oben und Unten, unsere Strukturen und Ordnungen. „In meinen Augen ist auch eine umfassende, kritische Gerichtsberichterstattung politisch“, sagt Stefan Aigner. Für ihn ist Politik ein fester Bestandteil eines Blogs. Ein Minimum, ohne das es nicht geht.

„Politik ist öffentliche Sache, und wir sind öffentliche Medien“, sagt Annabel Trautwein. Die zehn Gebote der Profilbildung helfen, sich ein Selbstverständnis dafür zu schaffen, wie genau Politik und öffentliche Themen von und mit den Usern verarbeitet werden können.

Ergebnisse AG 1: Lokaljournalismus braucht mehr Mut

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Workshop-Leiterin Annabell Trautwein sagt: „Raus aus der Comfort Zone und bringt Mut zum Scheitern mit!“

Annabell Trautweins Arbeitsgruppe „Der Anspruch: hoch“ befasste sich mit der Frage, wie es möglich ist, die Leserschaft mit innovativen Beitragsformen wieder mehr für Lokalpolitik zu interessieren. Die folgenden Ergebnisse haben die Workshopteilnehmer unter Trautweins Leitung herausgearbeitet.

Auch in einer sehr heterogenen Gruppe, dessen Teilnehmer in der Großstadt, Kleinstadt und sogar vom Land kommen, sind einige Themenüberschneidungen festzustellen. Zu den trockenen Themen, die bei allen regelmäßig bearbeitet werden müssen, zählen: Wahlen, Bauvorhaben, Events. Zu diesen erarbeitete die Gruppe Ideen für eine interessante Themenaufbereitung.

Eine Idee für eine interaktivere Umsetzung ist es beispielsweise, verschiedene Interessensgruppen in einer interaktiven Karte darzustellen. Alle Interessengruppen – Bürger, Ämter, Politiker – werden durch ein Schild oder Wappen auf der Karte markiert. Beim Klicken auf die verschiedenen Lager sind Hintergrundinformationen abrufbar. Die verschiedenen Interessen sind so plastischer und übersichtlicher gegenübergestellt.

Eine weitere Idee ist es, anhand eines Zeitstrahls auch längere Prozesse und Entwicklungen darzustellen.

Die Resultate für eine innovativere Berichterstattung im Allgemeinen sind folgende:

  • Den Blick öffnen, sich mehr trauen. Der Zeitdruck sollte nicht den geistigen Freiraum beschränken. Es lohnt sich, die eigene Comfort Zone zu verlassen, und sich Tools und Formate anzueignen, die auch längerfristig die Berichterstattung bereichern.
  • Die Berichterstattung mit Text und Bild ist nicht verkehrt, aber es ist das Minimum. Einige Themen haben hingegen passendere Formate als die klassische Darstellung. „Wir müssen anschaulicher und interaktiver werden, um mehr zu  machen, als das was wir von der Zeitung gewöhnt sind“, stellt Trautwein fest.
  • Wenn der Inhalt steht, und die Spielerei schief geht, ist immer noch die Basis vorhanden, um trotzdem Deadlines einzuhalten und eine zeitnahe Berichterstattung zu ermöglichen.
  • Das erfordert von den Machern Planung, Zeit und den „Mut zum Scheitern“, so Trautwein.
  • Aber: Auch die multimediale Berichterstattung muss geplant und wohldosiert eingesetzt werden, um keine Abstumpfung bei den Leser zu erzielen.

Viele Formate lassen sich nicht nur mit professionellem Equipment umsetzen. Auch Handykameras und Audio-Apps können inzwischen gute multimediale Inhalte liefern.

Wer vor der Umsetzung zurückschreckt, dem ist es empfohlen, sich Tutorials für Schnittsoftware im Internet anzuschauen, um sich die Basics anzueignen. Die bpb bietet ebenfalls regelmäßig Seminare an, bei denen die verschiedenen Tools vorgestellt und interessierten Journalisten und Journalistinnen beigebracht werden. Die vergangenen Seminare und Ergebnisse sind auf drehscheibe.org frei abrufbar.

Ein Fazit in aller Kürze: Abwechslungsreichere Formate, Raus aus der Comfort Zone und Mut zum Scheitern!

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Teilnehmer des Workshops „Der Anspruch: hoch“ präsentieren die Ergebnisse aus den letzten drei Tagen.

„PR hat auf Lokalblogs nichts verloren“

Lokalblogs sind häufig auf die Finanzierung durch Anzeigenkunden angewiesen. Sich deswegen die eigenen redaktionellen Inhalte diktieren zu lassen, halten die Teilnehmer des Challenge accepted-Seminars für ein absolutes No-go.

„Schleichwerbung auf hyperlokalen Onlineblogs muss bekämpft werden“, finden die Teilnehmer des Seminars Challenge accepted.

„Koppelgeschäfte halten viele Anzeigenkunden für Gang und Gäbe“, erzählt ein Seminarteilnehmer. Anzeigenkunden gehen also ganz automatisch davon aus, dass eine Anzeige gleichzeitig einen möglichst positiven Artikel auf dem Blog mit sich zu bringen hat.

Auch die Bitte, Fremdbeiträge gegen Aufwandsentschädigung auf dem eigenen hyperlokalen Blog zu veröffentlichen, haben viele der Seminarteilnehmer schon erhalten. Viele Anzeigenkunden scheinen zu verkennen, dass die Inhalte des eigenen Lokalblogs journalistischen Grundsätzen folgen. „Dass der Pressekodex dahintersteht ist vielen nicht bewusst und geht bei ihnen völlig verloren.“

Dem Leser ist der Unterschied zwischen Anzeige und Artikel auf Onlineblogs oft nicht bewusst. Woran das liegt, haben sich die Seminarteilnehmer gefragt.

Auch Leser verkennen den Unterschied „Anzeige/Journalismus“

Dieses mangelnde Bewusstsein habe sich aber auch bei den Lesern durchgesetzt. Sie denken oft, dass Anzeigenblätter im Briefkasten journalistischer Inhalt sei. „Die Leser erkennen die Unterschiede schnell nicht mehr.“ Darin sehen die Seminarteilnehmer ein großes Problem. Man könne dem Leser scheinbar nicht mehr bewusst machen, was am eigenen journalistischen Produkt anders und besser ist.

Dieser falsche Eindruck werde aber auch durch Erlösmodelle wie „native advertising“ gefördert. Auch dabei passiere es oft, dass Leser Anzeigen für Artikel halten, weil diese schlecht gekennzeichnet sind. „Sobald der Leser merkt, dass es sich dabei doch um eine Anzeige handelt, fühlt er sich natürlich veräppelt und darunter leidet dann wiederum die Glaubwürdigkeit des eigenen Onlineblogs. Das Abo wird gekündigt.“

„Der Nutzer ist nicht doof“

Doch wie wirkt es auf den Leser, wenn ein Lokalblog sowieso über ein kommerzielles Ereignis eines Werbekunden berichten will, allerdings auf objektive und unabhängige Weise? Wird dadurch automatisch der Eindruck vermittelt, man lasse sich als Sprachrohr missbrauchen? Gilt dann auch der Vorwurf, dass man „ja sowieso nur gesponserte Beiträge“ mache?

„Manche Lokalseiten machen das ganz geschickt“, erzählt ein Seminarteilnehmer. „Da wird eine Anzeige geschaltet und zwei Tage später bringen sie einen positiven Artikel zu dem jeweiligen Thema des Anzeigekundens.“ Der Leser werde dadurch gezielt getäuscht und man müsse sich deswegen davon abgrenzen.

Natürlich könne man als hyperlokaler Onlineblog über kommerzielle Ereignisse im Viertel berichten, finden einige Teilnehmer. Entscheidend sei dabei jedoch, vorher zu überlegen, inwiefern das jeweilige Ereignis für den Leser relevant ist. „Nur weil ein Stadtviertelfest kommerziell ist, kann ich ja nicht automatisch nicht darüber berichten.“

Den Leser begeistern durch unerwartete Zusatzinfos

Die Ansprüche der Leser seien dabei oft nicht besonders hoch, so Annabel Trautwein. „Viele Leser sind schon froh, wenn sie das lesen, was sie gestern genau so gesehen haben.“ Das könne man sich als Lokalblog jedoch zu nutzen machen: Indem man mit seiner Berichterstattung über das, „was der Leser gesehen hat“, hinausgeht. Wenn man hinter die Kulissen guckt, wenn man zusätzlich recherchiert, wenn der Leser merkt, ich hab mit relevanten Personen des Ereignisses gesprochen – dann ist das für ihn eine unerwartete enorme Leistung.“

„Kita-Eröffnungen, Seniorenfeste, Scheckübergaben – das finde ich schlicht nicht relevant“, sagt Philipp Schwörbel.

Trotzdem sei vieles einfach keine Meldung wert, findet Philipp Schwörbel. „Kita-Eröffnungen, Seniorenfeste, Scheckübergaben – das finde ich schlicht nicht relevant.“ Wenn man daraus eine spannende Geschichte machen will, dann dazu, wie sich dieses und jenes Ereignis auf das eigene Viertel auswirkt, auf Einzelhändler oder auf die Anwohner. „Nur Veranstaltungsberichterstattung ist kein Journalismus.“

Wie viel Service ist auf einem Lokalblag erlaubt – auch in der Vorberichterstattung? „Dass es die Leute interessiert, zeigt ja schon, dass sie in Scharen zu solchen Veranstaltungen hinlaufen“, findet Annabel Trautwein. „Ich habe als Medium die Aufgabe, den Service zu bieten, darüber zu berichten, was los ist im Viertel.“ Es gebe dabei tausend Möglichkeiten mit Veranstaltungsberichterstattung journalisitsch umzugehen.

Wo liegt die Grenze zwischen kommerziell und nicht-kommerziell?

Die Frage danach, worüber man als Lokalblag überhaupt noch berichten könne, wenn mögliche Anzeigenkunden hinter einem Ereignis stehen, war unter den Teilnehmer ebenfalls entscheidend. Wie schnell geht dabei Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit verloren?

Annabel Trautwein rät: „Lass dir nicht reinreden, denn du entscheidest, was relevant und wichtig ist!“ Schleichwerbung finde immer statt und es passiere wenig, um sie zu bekämpfen. Deswegen müsse man darstellen, welche Regeln es für Journalisten diesbezüglich gibt und dass man sie als Lokalblog auch einhält. „Wenn wir transparent machen, dass wir diese Regeln anwenden und warum wir sie anwenden, können wir uns gut und unabhängig positionieren“, so ein Teilnehmer.

Überzeugte Leser, zahlende Leser?

Ohne Geld geht`s nicht – das ist den Teilnehmern der Arbeitsgruppe drei unter der Leitung von Philipp Schwörbel (Prenzlauer Berg Nachrichten) klar. Wie aber sehen die funktionierenden Erlösquellen für hyperlokale Onlineblogs aus? Zu dieser Frage haben sich die Teilnehmer der Arbeitsgruppe ausgetauscht.

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Ist Leserfinanzierung die Lösung?

Der Erfolg von hyperlokalen Onlinemedien hängt auch von ihren Finanzierungsmodellen ab, denn: Am lieben Geld führt ja doch kein Weg vorbei. Inwiefern Leserfinanzierung eine neue Chance für langfristige Stabilität sein kann, wollte Philipp Schwörbel deshalb vermitteln.

„Alle haben dieselben Probleme. Der Austausch in der kleinen Arbeitsgruppe gibt neue Impulse und es ist interessant, von den Erfahrungen der anderen zu erfahren,“ bilanziert Teilnehmer Tom Maercker.

Klassische Erlösquellen veraltet?

Welche Finanzierung ist für meinen Blog der beste Weg? Hat die klassische Anzeigenfinanzierung längst ausgedient? Wie geht man mit „native advertising“ um? Und wie klappt die Finanzierung durch einen Förderverein?

„Bei meinem Blog sehe ich noch viele Baustellen. Ich muss mich beispielsweise fragen, welche Rechtsform des Blogs für die Finanzierung am günstigsten ist“, so Maercker.

Nach einer Bilanz bisher erprobter Erlösquellen nahm die Arbeitsgruppe die Leserschaft näher in den Blick. Die Frage, ob Leserfinanzierung am Ende für jeden hyperlokalen Blog der Königsweg sein kann, wird morgen im Plenum beantwortet.