Stefan Aigner von regensburg-digital leitet seine Workshopteilnehmer durch die Arbeitsgruppe zwei „Das Profil: scharf“. Als Experte für eine starke lokale Marke soll er erfolgbringende Kniffe und Strategien an die Teilnehmer weitergeben.
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In diesem Themenfeld geht es vorrangig darum, eine Identität zu finden, eine Marke zu schaffen und Position einzunehmen. Um mit seinem eigenen Medium erfolgreich zu sein, braucht es in erster Linie ein Profil. Das ist in besonderem Maße auch für Lokaljournalistinnen und Lokaljournalisten ein wichtiges Thema.
Sich mit der eigenen Marke optimal positionieren
Fragen, die Journalisten dabei an sich selbst stellen müssen, sind: Welche Redaktionslinien verfolge ich? Wie kann ich gute Alternativen zum Terminjournalismus finden? Wie kann ich eigene Themen suchen und vielleicht sogar lokale Skandale aufdecken? Auch der Blick auf die Zielgruppe ist nötig, um zu erfahren, wie viel Haltung das eigene Medium verträgt.
Die Workshopteilnehmer entwickeln zu dieser Thematik und mit dem Best-Practice-Beispiel von regensburg-digital im Hinterkopf die „zehn Gebote für das eigene Profil“.
Relevanz und ein klares Ziel vor Augen
Wir haben die „Profilisten“ zu einem vorläufigen Fazit befragt. Andreas Grieß vom „Halb Blog, Halb Magazin“ Elbmelancholie bringt es auf den Punkt: „Relevanz statt Firlefanz“. Daniel Böcher von campus-mainz.net hat für sich aus dem bisherigen Workshop die Erkenntnis mitgenommen „Reichweite ist nicht alles“. Monika Haider vom BerlinOnline Stadtportal kann inzwischen bereits eine relevante Reichweite vorweisen, und ist der Meinung, „wer weiß, was er will, kommt auch an“.
Morgen, am dritten Seminartag, präsentieren die Teilnehmer des Workshops „Das Profil: scharf“ die finalen Ergebnisse für eine erfolgreiche Profilbildung von lokalen Medien auch den anderen Arbeitsgruppen.
Wie kann man die klaffenden Lücken in der kommunalen Politikberichterstattung durch spannende, gut gemachte Beiträge füllen? Mit dieser Frage hat sich die Arbeitsgruppe eins unter der Leitung von Annabel Trautwein (Wilhelmsburg Online) auseinandergesetzt.
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Die Teilnehmer erarbeiteten deshalb anhand von konkreten Beispielen Möglichkeiten, um Leser von Lokalblogs durch bestimmte Darstellungsformen, mit unkonventionellen Artikeln und mit Hilfe neuer Tools wieder mehr für Lokalpolitik zu begeistern. Welche Rolle hyperlokale Onlinemedien in der lokaljournalistischen Landschaft letztendlich spielen sollen, wurde ebenfalls diskutiert.
„Ich konnte hier gute Ideen für neue Tools sammeln, die ich später auf meinem Blog einbinden will“, sagt Teilnehmerin Beate Kesper. „Sowohl die Vorträge, als auch die Gespräche mit den anderen Teilnehmern haben neuen Input geliefert.“
Lokalpolitik ja, nur wie?
Die Tatsache, dass Haushaltszahlen und Ratssitzungen in lokaler Berichterstattung oft nur trocken daherkommen, bemängelten viele Teilnehmer. „Inhaltlich Portale zu füllen ist eigentlich bei keinem von uns ein Problem. Bleibt nur die Frage nach dem „wie?“, so Kesper.
Wie erhält man den Dialog mit den Lesern aufrecht? Wie kann man kommunalpolitische Geschichten lebendig im Netz erzählen und dabei trotzdem journalistische Standards einhalten? Die Antworten auf diese Fragen suchen und diskutieren die Teilnehmer noch bis heute Abend in der Arbeitsgruppe. Die Ergebnisse werden morgen im Plenum vorgestellt.
Wer innovative und durchdachte kommunalpolitische Berichterstattung im Netz sucht, muss nicht in die Großstadtredaktionen schauen: Christina Knorz vom Nordbayerischen Kurier zeigt, wie die Bayreuther Redaktion ihre User mit einem Mix aus fundierten und schnellen Formaten überzeugt. Und zwar Online to Print.
„Unser Ruf ist schlechter als das, was wir tun“, begann Knorz mit Blick auf den Lokaljournalismus allgemein. Dem Nordbayerischen Kurier war klar, dass sich in Zeiten wandelnder Mediennutzungsgewohnheiten auch die eigene Redaktion, das eigene Produkt wandeln muss. Seit dem Frühjahr ist in Bayreuth nun „Online to Print“ die Devise. Es wird erst für Online produziert und dann für Print ausgewählt. Das hört sich simpel an, verändert jedoch traditionelle Selbstverständnisse von Grund auf.
Eine Woche im Voraus wird festgelegt, was wann kommen wird. Die Grenzen zwischen den Ressorts wurden eingerissen, „alle Themen sind nun entweder aktuell, Dranbleiber oder zeitlos“. Das sind beim Nordbayerischen Kurier keine Füllwörter, sondern Teil eines festen Konzepts, von dem Onlinemedien jeder Art lernen können – gerade für die politische Berichterstattung.
Kategorie eins: aktuelle Themen
Ob Katastrophen, Sport-, oder politische Ereignisse: Um aktuelle Ereignisse zu begleiten, bespielt die Redaktion nicht nur Social Media, sondern vor allem tickert sie exzessiv. Für diese Ticker würden teilweise auch Inhalte aus den sozialen Medien kuratiert, wie bei dem Germanwings Absturz. Der Kurier hatte selbst keine Reporter vor Ort, sondern die sozialen Netzwerke beobachtet und die Eckdaten zusammengetragen. „Über fünf Tage lang haben sich das 12.000 Leute angeschaut“, erzählt Knorz. Die Redaktion hat die Ticker nicht nur für bierernste Themen eingesetzt. Auch zu einer „Stinkepflanze in Bayreuth, die nur einmal in Jahren blüht“ wurde getickert. Mehrere Tage lang. Die Zugriffszahlen gingen in die Tausende. „Das war der Wahnsinn“, sagt Knorz. Und: „ein Kreativ-Test“. Für sie eignen sich Ticker hervorragend dazu, Leser zu binden, und auch jene zu erreichen, die die ausgeruhteren Formate nicht wahrnehmen.
Kategorie zwei: Dranbleiber
Dranbleiber sind Beiträge, die länger interessant bleiben, Themen aufarbeiten und Hintergrundinfos geben. „Wir haben über das Thema berichtet, und die Leser kennen es auch“, sagt Knorz. Tools für Dranbleiber sind Timelines, Verlinkungen und Videos. Wie ein Erklärvideo zur Straßenausbaubeitragssatzung mit Playmobil-Männchen, das „ein Tag Arbeit für den Kollegen“ gewesen sei. Solche Formate können mit einer langen Verweildauer toppen.
Kategorie drei: zeitloser Content
„Zeitloser“ Content sei zeitintensiv, aber auch lange haltbar. Wie Infografiken, Videoporträts, Multimedia-Reportagen und Spiele. „Quartetts zum Beispiel, damit steigert man die Verweildauer auf den Seiten ungemein – und die ist wichtiger als Klicks.“
Auch Videos, die Geschichte aufarbeiten, lassen sich in der Lokalredaktion produzieren. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs entstand beim Nordbayerischen Kurier eine mehrseitige Sonderbeilage und ein Videoporträt. Das Video macht Eindruck, es läuft der O-Ton eines Zeitzeugen im Hintergrund, historische Aufnahmen, seriöse Musik. TV-Qualität müsse man laut Knorz nicht erwarten, „das ist auch nicht unsere Aufgabe“, dennoch wirkt die Reportage sehr professionell und ist auch im kleineren Rahmen machbar – mit Zeit und Planungen.
Und wie geht es weiter?
Die Zukunft ist laut Knorz mobil. „Die Nutzungszeiten ändern sich, die Lesezeiten und die Produktionszeiten müssen einander angepasst werden“. Für das Monitoring nutzt der Nordbayerische Kurier zum einen Chartbeat. „Nur 33% kommen über den First Screen rüber und scrollen weiter runter“, ist eine der Erkenntnisse, die aus dem Monitoring gewonnen werden.
Die mobilen Zugriffe auf der Seite explodieren. 55% kommen über den Desktop. Am Wochenende kommen aber bis zu 54% über mobile Endgeräte. „Wir müssen weg vom Bigscreen, wir brauchen skalierbare Inhalte für den Handy-Bildschirm.“ Dabei hätten nur wenige User mehrere Apps. „Es muss darum gehen, den First-Screen Newsapp-Platz zu ergattern“, sagt Knorz.
Onlinemedien müssten selbstkritisch sein und die Perspektive der Leser einnehmen können.
„Wofür würden wir uns selber 10 Euro geben im Monat? Das ist eine Frage, die wir uns alle mal stellen sollten“, sagt Knorz.
Christina Elmer führt in die Geheimnisse des Datenjournalismus ein.
Christina Elmer, Datenjournalistin für Spiegel Online, sagt, Datenjournalismus ist auch etwas für kleine Redaktionen. Programmierkenntnisse sind, zur Beruhigung aller, nicht zwingend nötig.
Zunächst stellt Elmer eines klar: „Computers don’t make a bad reporter a good reporter. What they do is make a good reporter a better one.“ Datenjournalismus gebe es deshalb, „weil wir es können“, sagt sie. Daten sind heute so schnell verfügbar wie nie zuvor. Aber Datenjournalismus sei auch notwendig, um die Kontrolle über Daten zu behalten und Zusammenhänge transparent zu machen.
Auch im Lokalen gebe es diverse Möglichkeiten, datenjournalistische Inhalte zu erstellen. Dafür brauche es nicht einmal zwingend Programmierkenntnisse. Sie selbst habe auch keine Expertise in diesem Bereich. Zum Glück übernehme ein Kollege diese Arbeit für sie. Aber selbst mit einfachen Exceltabellen und Balkendiagrammen könne man relevante Daten schöner und anders erzählen als in Textform. Am beeindruckendsten seien jedoch die Geschichten, die auf innovative Weise programmiert und aufbereitet sind.
Geschichten anders erzählen
Die Storys im Datenjournalismus seien auf zwei Ebenen interessant: Einerseits sind sie inhaltlich fundiert, überzeugend, exklusiv und überraschend. Andererseits tiefgründig, multimedial, interaktiv und personalisiert. Besonders wichtig sei die Personalisierung von Geschichten. Im Lokalen sei Datenjournalismus dieser Aspekt eine besondere Chance, weil Geschichten anders erzählt werden können, als es konkurrierende größere Redaktionen tun.
Datenjournalismus fußt in erster Linie, klar, auf Daten. Visualisierung, Interaktivität und Transparenz gehören Elmer zufolge aber nicht zum Kern des Datenjournalismus. Das sind manchmal schöne Spielereien, die Daten besonders leicht konsumierbar und erfassbar machen. Ein Muss ist das aber nicht.
Selbst investigativen Themen kann sich der Datenjournalismus widmen. Beispielsweise haben die SPON-Datenredakteure den Wasserverbrauch aus Beate Zschäpes Wohnung in einer simplen Exceltabelle ausgewertet. Ziel war es zu be- oder widerlegen, dass Zschäpe über längere Zeit die Neonazis Mundlos und Böhnhardt beherbergt hatte.
Datenjournalismus bedeutet also nicht einfach Daten in Diagramme zu übersetzen, sondern mittels Daten erst auf Geschichten zu stoßen.
Ein Lokalbeispiel – Mindestlohn und Miete
Ein paar Inspirationen aus der lokalen Praxis hat Elmer auch im Gepäck.
„Brauchbar für Datenjournalismus im Lokalen sind Themen, die die Leser direkt interessieren oder betreffen – Themen die möglichst nah am Alltag und der Lebenswelt der Leser sind.“
Eines ist zum Beispiel eine von Immobilienscout durchgeführte Untersuchung der Durchschnittsmieten in Hamburg. Diese Daten wurden dann weiterverwendet und ins Verhältnis zum Durchschnittseinkommen in Hamburg gesetzt. Ziel war es zu analysieren, welche Stadtteile zu teuer sind, wenn man davon ausgeht 30% des Einkommens für die Miete zu zahlen.
„Wie überzeugt man große Firmen diese Daten für lokale Medien rauszurücken?“, fragte eine Teilnehmerin. Wenn es sauber erhobene Daten sind, haben Unternehmen oft keine Probleme damit, dass diese Daten verwendet werden, so Elmer. Als kleines lokales Medium sei ein wenig Klinkenputzen allerdings nötig.
Datenquellen im Lokalen
Sowohl amtliche Statistiken vom Statistischen Bundesamt als auch die der statistischen Landesämter seien meist eine erste und ergiebige Anlaufstelle. Behörden vor Ort können auch interessante Daten liefern.
Auch das Crowdsourcing hat sich als Datenquelle bewährt. Die Leser werden dabei dazu aufgerufen, Infos an die Redaktionen weiterzuleiten. Beispielsweise hat die Süddeutsche Zeitung mit Unterstützung der Crowd eine Karte davon erstellt, wo die Straßen in Bayern besonders schlecht sind.
„Der große Vorteil im Lokalen ist es, seine Leser direkt ansprechen und aktivieren zu können. Damit kann zusätzliche eine starke Leserbindung aufgebaut werden.“
Hier ist der Einsatz der Journalisten und Journalistinnen selbst jedoch auch nötig, da sie die Daten pflegen und verwalten müssen. Ist ein relevanter und ergiebiger Datensatz erreicht, können die eigens produzierten Daten und ausgewertet und aufbereitet werden.
Auf diese Weise können Phänomene auch langfristig beobachtet werden.
Wo soll ich als Datenjournalist-Newcomer anfangen?
Es gibt inzwischen ein wachsendes Angebot an Kursen und Seminaren, beispielsweise von der Akademie mit Publizistik, bei dem sich Interessierte für den Datenjournalismus fit machen können. Elmer appelliert an die Teilnehmer, Mut zu haben, sich auch auf neue Wege in der Berichterstattung einzulassen.
Das Thema Datenjournalismus sei eben kein Hexenwerk und lasse sich schon mit kostenlosen Tools und Werkzeugen gut umsetzen. Die Datenbearbeitung erfolge in einem ersten Schritt zum Beispiel mit Microsoft Excel, Apple Numbers oder Google Tabels. Im zweiten Schritt könne mit einfachen Tools wie Datawrapper oder Highcharts die Daten visualisiert werden. Besonders Kartendarstellungen eignen sich im Lokalen. Hierfür könne Google Maps und CartoDB benutzt werden. (Anm: Nicht alle hier vorgestellten Tools sind kostenlos. Die Preise sind meist Klick-gebunden)
„Es ist ganz wichtig sich ein paar Beispiele anzuschauen und sich davon inspirieren zu lassen. Dann kann man ganz niedrigschwellig anfangen und ein paar kleine Berechnungen machen mit den Tools, die es bereits auf dem Markt gibt. Wer mehr will, sollte sich mit der lokalen Entwicklerszene befassen, um Leute zu finden, die helfen können, auch komplizierte Sachen zu programmieren.“
Isabella David, Chefredakteurin vom Online Magazin Hamburg Mittendrin, setzt bei ihrem Blog vor allem auf Leserbeteiligung.
Vor zweieinhalb Jahren startete Isabella David den Lokalblog Hamburg Mittendrin, um „lokal, kritisch und auf den Punkt“ über aktuelle Nachrichten und Reibungspunkte des Hamburger Bezirks Mitte zu berichten. Die Politik-Master-Studentin ist mir ihrem Start-Up erfolgreicher als sie sich hätte träumen lassen. Ihr Erfolgsrezept hat sie beim Seminar „Challenge accepted“ vorgestellt.
„Viele Stadtteile werden in Hamburg in der Lokalberichterstattung sehr oberflächlich abgespeist“, so Isabella David. Das wollten sie und ihr Kollege Dominik Brück nicht hinnehmen. „Uns war es ein Bedürfnis, Transparenz im Lokalen zu bieten, auf dem Spielfeld des Digitalen.“
Das Herzstück des Blogs ist die Lokalpolitik des Bezirks Hamburg Mitte. Den Entscheidungsträgern im Lokalen auf die Finger gucken und Intransparenz und Hinterzimmer-Politik entgegenwirken – das wollen David und Brück mit ihrem Blog leisten. „Oft hören wir, ‚Politik? Das liest doch eh keiner!‘ Es kommt aber darauf an, wie man zum Teil dröge Themen interessant rüberbringt“, so David. Bei ihr würden die politischen Artikel am besten geklickt.
Politik liest doch keiner? „Es kommt darauf an, wie man lokalpolitische Informationen anschaulich und verständlich für den Leser macht“, so Isabella David.
„Unterschätzt eure Zielgruppe nicht“
Das gehe zum Beispiel sehr gut durch Live-Berichterstattung und viel multimedialer Vor- und Nachbereitung. „Wir sind davon überzeugt, dass eine Bildergalerie zwischendrin oder ein kleines Video viel ansprechender auf den Leser wirken, als wenn er immer nur eine Textflut vor sich hat“, so David.
David und ihr Team berichten per Live-Ticker oder Live-Stream direkt aus den tagenden Gremien. „Viele freuen sich einfach, wenn lokalpolitischer Arbeit endlich Beachtung geschenkt wird“, erzählt David. Bei einem Live-Stream müsse allerdings jeder Teilnehmer des Gremiums zustimmen, dass die Sitzung gefilmt und live übertragen wird. Das stelle manchmal auch eine Hürde dar.
Den Leser einbinden
„Diese Live-Berichterstattung bindet den Leser sehr stark – das merken wir ganz deutlich.“ Politische Themen haben laut David oft einen sehr unmittelbaren Bezug, die jeden betreffen. „Und wenn es nur um den Park nebenan geht“, so David. Wenn zu solchen hyperlokalen Themen gute und kritische Stories, Fotos und Videos geliefert werden, kommen die User auch immer wieder auf die Seite, meint David.
Außerdem sei die Live-Berichterstattung auch eine gute Möglichkeit, um Leserkommentare zu generieren und Diskussionen zu erzeugen. Hier werde nicht nur ein spannender Austausch erzeugt, es entstehe auch die Chance, den Leser an den Blog zu binden.
Dennoch müssten sich hyperlokale Medien ihre lokalpolitische Kompetenz immer erst erarbeiten, um glaubwürdig zu wirken und ernstgenommen zu werden. „Je kleiner das Dorf über das man berichtet, desto schwerer ist es, das Vertrauen der Leser zu gewinnen.“
Problem: Exklusive Infos gehen nur an große Redaktionen
Ärgerlich sei, dass exklusive lokalpolitische Informationen oft nur an etablierte Kontakte klassischer Medien weitergegeben werden. Isabella David findet aber: „Dranbleiben lohnt sich!“ Wer kritisch, aber nicht parteiisch berichte, der werde mit der Zeit auch akzeptiert.
Neben multimedialer Berichterstattung bietet das Online-Magazin Hamburg Mittendrin seinen Usern noch ein ganz besonderes „Schmankerl“ der hyperlokalen Berichterstattung: Mit dem Tool „Call a journalist“ können Hamburger die Hamburg Mittendrin-Reporter ganz einfach direkt zum Ort des Geschehens rufen. Das Online-Tool funktioniert per Knopfdruck: Per Ortungsfunktion können User anonym ihren Standort melden, wenn etwas Berichtenswertes passiert. Die Redaktion entscheidet dann, ob sie einen Redakteur losschickt und gibt dem jeweiligen User Rückmeldung.
„Weil die Leute ja ihren Standort preisgeben, waren wir am Anfang etwas skeptisch“, erzählt David. Dennoch machten viele User mit und fanden es auch „echt cool“, wenn dann wirklich jemand aus Redaktion aufgetaucht ist. Den User einbinden und als Informationsquelle nutzen, das müsse man sich bei hyperlokalen Onlinemedien einfach immer hinter die Ohren schreiben.
Christian Hasselbring erklärt den Teilnehmern die Vorzüge des Pay-per-use Bezahlsystem
Christian Hasselbring von Laterpay räumt bei den Seminarteilnehmern mit dem Mythos auf, User seien nicht bereit, für gute Inhalten im Internet zu bezahlen. Doch bevor er auf das Pay-per-use Bezahlsystem eingeht, führt er den Seminarteilnehmern die Gefahren und Potenziale des digitalen Wandels vor Augen.
Hasselbrings Leseempfehlung ist das Buch „Digitaler Tsunami“, das die Zusammenhänge zwischen Reichweitenaufbau und Verteilung von Geld prägnant schildere. „War’s das? Ein Tsunami ist ja schließlich irgendwann vorbei…“, fragt er. Die Antwort hat er selbst parat: „Nein! Wir erleben stattdessen eine digitale Sintflut: Das Digitale wird in jeden Winkel des Lebens vordringen“. Die digitale Flut bestehe aus Apps und Anwendungen, die direkt ins Hyperlokale reichen; kontrollierter Alltag durch Running Apps, Apple Watch und Co.
Die Hoffnung, in der Arche Noah des Qualitätsjournalismus im Trockenen zu bleiben und damit Geld zu verdienen, hält er für verkehrt. Auch die Hoffnung, ohne Bezahlmodelle mit Journalismus Geld verdienen zu wollen. Ein Umdenken sei somit unumgänglich.
Hyperlokalität des Journalismus als Lösung
Wenn man sich nicht vor der Flut retten kann, sollte man mitschwimmen. Eine Strategie liegt Hasselbring zufolge in der „Hyperlokalität des Sozialen, des Wissens, der Informationen – also des Journalismus“. Große Medienkonzerne werden das globale und überregionale immer mehr vereinnahmen.
Eine weitere Erfolgsaussicht stelle die immer genauere Identifikation von Usern und der eigenen Zielgruppe dar. Lokale Videovermarktung biete sich beispielsweise für die Lokalreporter an. Hier solle das Feld nicht freiwillig den Digital-Giganten wie Apple und Google überlassen werden.
Das erfordere aber auch von den Journalisten, dass sie selbst sich des digitalen Wandels nicht verwehren. Denn die Gesellschaft sei längst vollkommen digital. Wer heutzutage nicht bei Facebook, Twitter und Instagram aktiv ist, werde seinem Job nicht mehr gerecht, meint Hasselbring. Auch hinter der Social Media Aktivität müsse aber eine gut geplante Strategie stecken.
Die Seminarteilnehmer sehen diese Entwicklung allerdings kritisch. Die Überwachung und Verwendung von Leserdaten auf Social Media Plattformen habe einigen Journalisten in ihren Redaktionen schon Probleme bereitet. Dem setzte Hasselbring entgegen: „Der Feind, den man nicht kennt, wird man auch nicht bekämpfen können“. Und auch wer die Leser für die digitale Überwachung sensibilisieren wolle, müsse sich auf diesem Feld auskennen.
Das Potenzial, so direkt wie möglich mit Kunden zu kommunizieren, biete unglaublich viele Vorteile auch für Händler, die den Lokaljournalismus in Ansätzen überflüssig machen. Auch aus diesem Grund dürfe man sich den sozialen Medien nicht entziehen, um nicht unterzugehen.
„Jetzt geht’s ums Geld“
„We need a one-click system with a really simple interface that will permit impulse purchase […]“ ()
Es gebe derzeit verschiedene Bezahlmodelle. Weit verbreitetet ist einerseits eine Paywall mittels Abonnements oder ein Freemium-Konzept mittels eines Club-Prinzips. Allen gemein sei jedoch der Ausschluss von Usern. Die Registrierung schrecke viele ab. „Bevor du meine Inhalte liest, sammele ich deine Daten“, kommt bei ihnen an. Hasselbring öffnet einigen Seminarteilnehmnern die Augen, denn auch Abo-Modelle machen im Prinzip nichts anderes als, das was sie bei Google und Apple anprangern.
Heutzutage bekomme der User meist „die komplette Kuh angeboten. Vielleicht wollen sie aber erstmal nur ein Glas Milch“. Mit Laterpay könne diese Flexibilität erreicht werden, indem dieser Variante ein „Pay Per Use“ Verfahren zugrunde liegt.
User kommen dabei auf eine Seite, und muss den AGBs und dem, dass sie jetzt lesen und später zahlen, zustimmen. Diese Rechnung wird auf einen virtuellen Bierdeckel geschrieben. Die Rückverfolgung gewährleisten Cookies. Wenn 5€ erreicht sind, kommt laterpay auf die User zu, mit der Bitte (!) um Registrierung und Bezahlung.
„Und wenn ich nicht bezahle?“, fragt eine Seminarteilnehmerin. Hasselbring entgegnet knallhart: „Dann bist du ein Arsch“. Das mache im Restaurant schließlich auch keiner. Trotzdem müsse dieses Prinzip erst erlernt werden.
Ein Seminarteilnehmer befürchtet, dass die Bereitschaft geringer sei, weil kein direktes Gegenüber die Zahlungsverweigerung mitbekommt. Hasselbring räumt diese Bedenken aus dem Weg, da die Statistik zeige, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der Nutzer am Ende nicht zahle.
„Adblocker sind ein dramatisches Problem“ (Christinan Hasselbring)
Ein weiteres großes Problem ist, dass Webseiten, die von Usern mit Adblockern genutzt werden, in diesem Moment kein Geld verdienen. Die User müssen von der Notwendigkeit überzeugt werden, Adblocker zuzulassen. Es gibt auch die Möglichkeit, User mit einem Pop-Up darauf hinzuweisen, den Adblocker zu deaktivieren oder für einen werbefreien Zugang zu bezahlen.
Positiv Beispiel von Later-Pay:
Nutzen könne man das Pay-per-use-Verfahren auch für das „gute alte Longtail-Prinzip“. Artikel, die dauerhaft in Suchmaschinen auftauchen, können auch nach Monaten immer noch gelesen – und bezahlt werden. Der Hauptumsatz ist zwar in der Anfangszeit gemacht, aber über die Zeit läppern sich die Beträge zusammen.
Klar gebe es auch viele andere Pay-per-Use-Bezahlsysteme, räumt Hasselbring ein. Keines davon sei aber so einfach anzuwenden und zu integrieren wie Laterpay.
20 Jahre kostenlose Versorgung mit Inhalten habe Spuren im Nutzungsverhalten hinterlassen. Paid Content dürfe nicht als Funktion, sondern müsse vielmehr als Produkt gesehen werden, bei dem Webseiten genau überlegen, wie sie User auf ihre Angebote locken, sagt Hasselbring.
„Alles ist nichts wert, wenn die Menschen euch nicht finden“. Wo sind eure Vertriebs- und Marketingkonzepte. Trotzdem forderte Hasselbring von den Anwesenden Geduld und Mut bei der Vermarktung ihrer Inhalte.
Crowdspondent mischt momentan den Online-Journalismus gehörig auf. Die Gründerinnen Lisa Altmaier und Steffi Fetz haben sich eine dreimonatige Recherchereise durch Deutschland allein mittels Crowdfunding über die Plattform Start Next finanzieren lassen. Innerhalb von vier Wochen nahmen die zwei jungen Journalistinnen mehr als 5.000€ ein, also 1.000€ mehr als geplant.
Altmaier hat extra für das Seminar „Challence Accepted“ den weiten Weg aus München auf sich genommen, um die Seminarteilnehmer an ihrer Expertise teilhaben zu lassen. Expertise, die Fetz und Altmaier bei ihren Anfängen vermisst haben. Die Realisierung des Projektes lässt sich in acht Schritte einteilen, die nun auch anderen (hyper-) lokalen Journalisten und Journalistinnen einiges an Inspiration liefern kann.
Die Finanzierung:
„Crowdfunding ist eine einzige große Geschichte.“ Und das passt natürlich super zum Journalismus, so Altmaier. Denn jeder Journalist ist im Grunde ein Geschichtenerzähler. Aus diesem Grunde seien sie und Steffi Fetz zuversichtlich gewesen, dass diese Finanzierungsform Erfolg haben werde.
Nach einer stiftungsfinanzierten Recherchereise nach Brasilien und im Land ausgeführten Aufträgen von Fans, wollten Sie das Konzept nach Deutschland holen. Hintergrund war die Vermutung, dass viele Menschen zwar eine Menge exotische Ziele, aber manchmal nicht das Bundesland nebenan kennen.
Auch hier wollten die beiden drei Monate reisen und dafür in vier Wochen 4.000€ mittels Crowdfunding sammeln. „Crowdfunding war für uns ein Marketingfaktor, weil das Betteln um Geld sonst vielleicht unsymphatisch rübergekommen wäre.“
Es sollte aber keine Werbung geben und auch nur die Reisekosten gedeckt werden. Selbst Überschüsse am Ende der Reise seien nicht etwa an die beiden ausgezahlt, sondern reinvestiert worden.
Nachhaltig sei diese Finanzierung durch die Zweitverwertung der Inhalte. Damit ermöglichten es Altmaier und Fetz, dass Crowdspondent wie ein Solidarsystem funktioniere. Nicht nur die, die bezahlen, sollen die Inhalte konsumieren dürfen, sondern „auch die, denen die Kohle“ für eine Unterstützung fehle. Die Finanzierungsform sei zwar laut Altmaier nervenaufreibend, mache aber trotzdem unglaublich viel Spaß, „wenn man im Minutentakt die Crowdspondent-Seite aktualisiert“ und hoffe, dass sich dort wieder was tut.
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„Die Crowd sagt uns, was wir recherchieren sollen. Das Motto ist: Schickt uns weg“. Sie haben diese Art der Berichterstattung gewählt, um nicht abhängig von großen Verlagen zu werden.
„Wir sehen, dass einige Themen unterrepräsentiert und andere hingegen überrepräsentiert sind.“ Die unterrepräsentierten Themen sollen mit Crowdspondent abgedeckt werden.
Diese Finanzierungsart bietet auch hyperlokalen Medien die Möglichkeit, kurzfristig Projekte auf die Beine zu stellen, die sonst womöglich unter den Tisch fallen würden.
Die Voraussetzungen
Videos, Texte und Audiobeiträge wurden von den Crowdspondets eigenhändig quasi in Echtzeit produziert. Ihre vielfältigen Skills, die sie in ihrer langjährigen journalistischen Ausbildung, unter anderem in der Journalistenschule DJS, gelernt haben, sind für ein solches Vorhaben von großem Wert.
Altmaier sagt, dass Projekt Crowdspondent habe sie nie nur als Job begriffen. Es dürfe daher auch nie nur um die Wirtschaftlichkeit, sondern vielmehr um Überzeugung und Leidenschaft gehen. Wer die Realisierung eines Projektes in die Hände der Crowd geben will, müsse zudem jederzeit offen mit den Unterstützern umgehen. Sei es, wenn sich Recherchepartner ohne Mithilfe von außen nicht finden lassen oder die Webseite zusammenbricht und nur ein Freiwilliger diese wieder zum Laufen bringen könne.
Eine enge Verbindung zur Crowd sichert auch nachhaltig die Unterstützung. „Und es macht natürlich super viel Spaß!“, so Altmaier.
Programmpunkt im „Kinosaal“ des Tagungshauses.
Die Vorarbeiten:
Zuerst haben wir mit allen gesprochen, die in Deutschland bereits erfolgreich per Crowdfunding Projekte realisiert haben, was deren Erfolgskonzepte waren. Das könne Altmaier nur jedem empfehlen – auch sie sei deshalb hier, um ihre Expertise auf diesem Gebiet weiterzugeben.
Allerdings, so sagt sie, „frag kluge Menschen, aber mache nicht alles, was die sagen“. Denn das Feedback von vielen war vernichtend. Empfohlen wurde den beiden, „doch lieber was in Richtung Feminismus zu machen, zwei Frauen und ein Jahr nach dem #Aufschrei sei das doch viel passender“.
Das Hauptproblem bei Crowdspondent sahen viele nach Aussagen von Altmaier darin, dass das Rechercheziel schwammig gewesen sei und es während der Finanzierungsphase kein konkretes Produkt gegeben habe. Die Lösung bestand für die beiden darin, ganz auf die beiden als Person zu setzen, weil dies der einzige Wiederkennungswert gewesen sei. Das, was bei ihnen so locker rüberkomme, sei natürlich so gewollt, war aber vor allem auch eine strategische Entscheidung.
Altmaier und Fetz haben sich trotzdem dagegen entschieden und Mut bewiesen, eine unkonventionelle Idee in die Tat umzusetzen. Ihr Kredo war, „wir haben Lust darauf, und wenn das anderen auch so geht und uns deshalb dafür Geld geben, machen wir das. Und wenn nicht, machen wir es halt nicht“. Und es gab genügend die darauf Lust hatten.
„Crowdfunding ist permanentes Geschichten erzählen“
Die Erfolgsgaranten:
Für diesen Erfolg habe man vorab viel Aufklärungsarbeit leisten müssen, denn längst noch nicht jeder wusste zum damaligen Zeitpunkt, was Crowdfunding ist. Das sei heute sicherlich auch immer noch ein essentieller Bestandteil von Crowdfunding-Kampagnen.
Auch Imagestarke und emotionale Making-Of-Videos hätten den Erfolg der Kampagne vorangetrieben, so Altmaier.
Hyperlokale Journalisten hätten dabei den Vorteil, sowohl ihre Zielgruppe als auch das Produkt schon ganz genau zu kennen. So könne leichter eine zielgerichtete Crowdfunding-Kampagne gestartet werden.
Der Ablauf:
Erst als das Projekt finanziert war, ging es in die konkrete Planung der Inhalte. Die Recherche müsse laut Altmaier „eng vorgeplant werden“. Nur zwei, drei mal wussten die beiden nicht, was sie am nächsten Tag produzieren. Das sei zwar am Ende nochmal gut gegangen, sollte aber bei Projekten dieser Art die Ausnahme bleiben.
Auf der Recherchereise haben die Crowdspondents sich direkt ans Video drehen, Video schneiden und Hochladen bei Youtube gemacht. Erst zuletzt sei diese dann dann an die Redaktionen und Verlage geschickt worden, die Altmaier und Fetz die Inhalte abnahmen (unter anderem einsplus und jetzt.de veröffentlichten ihre Inhalte).
Die Erfolgserlebnisse:
Durch das Crowdfunding werden auch Leute, die von sich aus gerne ihre Geschichte erzählen wollen, gefunden. Diese Geschichten hätte man sonst wahrscheinlich nicht gehört, gesehen und gelesen. Bei dem Wunsch eines Crowdspondent-Unterstützers Flüchtlinge zu interviewen, musste jedoch der herkömmliche Weg über offizielle Stellen genommen werden. Hier ließen sich über die Crowd einfach keine geeigneten Protagonisten finden.
Die Zukunft:
Die beiden Crowdspondents sind schon in der Planung ihres nächsten Projektes. Höchstwahrscheinlich nach Japan soll sie die nächste Recherchereise führen. Die Finanzierung wird wieder via Crowdfunding stattfnden.
Nur sei Altmaier diesmal etwas gelassener, was die Unterstützung angeht. Inzwischen sei Crowdspondent schon eine Art Marke, die wohl leichter Geldgeber finden werden. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass man inzwischen wisse, was Crowdspondent leisten könne.
Das Imagevideo das auf der Crowdfunding Plattform Start Next lief, findet ihr hier