Alle Artikel in: Modellseminar Partizipation 2011

Stuttgart 21 ist überall – Das Aufbegehren der Bürger als Chance für den Lokaljournalismus
Modellseminar vom 23. bis 27. Mai 2011 in Rostock

Let’s talk II

Gute Dozenten bisher. Spannend heute Morgen Lars Wienand, Deuschlands einziger Social-Media-Redakteur, seit Oktober 2009 bei der Rhein-Zeitung. Er schockte ab 9 Uhr die Kollegen mit Begriffen aus der Twitter- und Facebookwelt und mit seinen Arbeitszeiten – zumindest twittert und posted er auch Sonntagfrüh, Samstagnacht und eben mal zwischendurch, wenn die Zeitung schläft.  Dem hörbaren Schnaufen einiger eingefleischten Printler zum Trotz – „Twitter  zahlt nicht meinen Lohn, wir machen immer noch Zeitung“ – ist doch die wenn auch widerwillig akzeptierte Meinung des Plenums: die Arbeit an der Marke Tageszeitung geht heute nicht mehr ohne Anerkennung der Internetkanäle. Viele Kollegen berichten von Themen, die ihnen ohne Twitter und Fatzebook schlicht entgangen wären, einige Verlage scheinen auch schon in Sachen Werbung im Internet einen Nachfragezuwachs zu merken.

Eine Stimme geben – aber wie?

Dem Leser eine Stimme geben – klingt einfach, ist es aber nicht. Was bedeutet das überhaupt: eine Stimme geben? Zunächst geht es in unserer Arbeitsgruppe darum Instrumente zusammenzutragen, mit deren Hilfe Leser zu Wort kommen und sich ernst genommen fühlen. Was praktizieren die Zeitungen bereits jetzt? Inspiration gab es am Vormittag von Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, mit dem Konzept der Bürgerzeitung.

Let’s talk

Die Verdauungsstille weicht einer lebhaften Debatte: Welche Themen laufen uns Lokaljournalisten-Junkies täglich über den Weg? Wie gehen wir sie überlicherweise an? Wie binden wir unsere Leser dabei ein? Zu Letzterem ergibt die momentan laufende Sammlung: Umfrage (Frage der Woche), Votings online, Redaktion vor Ort, Lesertelefon (ein Redakteur beantwortet eine  Stunde in der Woche Fragen der Leser am Telefon, wird im Blatt mit Bild angekündigt), Leserbriefe, Leser machen Zeitung (eine Gruppe Senioren oder Jugendliche sind Chefredakteur für einen Tag, bestimmen die Themen und kommentieren das), Aufrufe, Blattkritik durch Leser, Ombudsleute, Lesersprechstunde, Redaktionsbesuche …

Leserdialog im Mittelpunkt

Leser fragen, Experten antworten. Leser diskutieren, die Redaktion moderiert. Die Braunschweiger Zeitung hat eine klare Perspektive: Sie geht auf Augenhöhe mit den Lesern. „Es geht um die Haltung. Die Zeitung machen wir nicht nur für den Bürger, sondern aus Überzeugung auch mit dem Bürger“, sagt Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung. Die Redaktion macht eine „Bürgerzeitung“. Das heißt, die Zeitung versteht sich als ein Marktplatz der Demokratie, den Journalisten moderieren. So werden zum Beispiel Stadt- und Ortsteilabende veranstaltet. „Dabei wollen wir den Lesern und ihren Themen nahe kommen“, sagt Maus. Die Abende bieten einen bunten Mix aus Diskussion und Unterhaltung. „Wir wirken der Entfremdung zwischen Reportern und Lesern entgegen und holen die Leser vor ihrer Haustür ab. Wir bieten Menschen, Gruppen und Institutionen ein Forum, die ihren Stadt oder Ortsteil prägen. Jede Lokalredaktion organisiert pro Jahr sechs dieser Veranstaltungen“, so Armin Maus.

Eine Stunde am virtuellen Stammtisch

Einen Einblick in die Twitter und Facebook-Welt gibt Lars Wienand, Social-Media-Redakteur der Rhein-Zeitung. Seine Präsentation hat er online gestellt. Tipp für Einsteiger – wie ich die Leute in meiner Region bei Twitter finde. Lars Wienand: „In der Regel finden sie dich.“ Unter Search.twitter.com,  lassen sich gezielt Tweets aus einer Region finden. Auf die Facebook-Seite „Save the Ring“ mit mehr als 53.000 Freunden und ein Video zu dem Thema (70.000 mal angeklickt) wurde Wienand über Twitter aufmerksam. Frage aus dem Plenum: Warum rufen solche Leute nicht mehr bei der Zeitung an?