Das Forum Lokaljournalismus 2015 will dazu beitragen, nach Antworten zu suchen. Und die nächste Entwicklungsstufe zu zünden. „4.0“ – dieses Kürzel steht für Innovationsdynamik, für ein selbstbewusstes Gestalten der Zukunft. Das Forum Lokaljournalismus 2015 gibt Impulse für die Zeitung 4.0. Es richtet den Fokus auf eine neue Ära: Auf Inhalt und Gestalt(ung) eines auch künftig erfolgreichen Lokaljournalismus. Hier gibt es mehr Infos
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Besser Online: Mit dem Smartphone in der Menge baden
Jeder von uns besitzt mindestens eines der Wundergeräte, die ein komplettes Multimediawerk auf Knopfdruck produzieren, hochladen und auf allen Social-Media-Kanälen des Mediums verbreiten können. Tipps dafür, wie wir technisch und inhaltlich das beste aus unseren kleinen Begleitern rausholen können, geben Isabella David von mittendrin.de und Barbara Weidmann-Lainer von fit-für-crossmedia.de heute auf der Tagung Besser Online.
Mobile Liveberichterstattung ist nicht nur praktisch, sondern ermöglicht auch (kritischen), politisch bildenden Journalismus. Mit spürbarer Begeisterung erzählt David davon, wie sie über Mobile Reporting die Proteste in Hamburg rund um die Lampedusa Gruppe in Liveberichterstattung mitverfolgen und twittern konnte. Oder eine Demonstration, die eskalierte, „bis einer der Demonstranten eine Machete im Bein hatte“. Mitten in der Menge mit dem Smartphone waren sie und ihr Team dabei. Proteste, aber auch vergessene Themen wie das Leben in prekären Stadtteilen können besser abgedeckt werden; weil man mit mobile Geräten einfach ohne Hindernisse direkt teilnehmen kann, wenn etwas passiert – und auch nicht immer als Journalist erkannt wird. Glaubwürdige Bilder und Geschichten entstehen in gewissermaßen lokal „in Zivil“. Als ein großflächiges Gebiet in Hamburg als Gefahrengebiet ausgezeichnet wurde, sei es teilweise schwierig geweden, dort zu filmen. Mit dem Handy kein Problem. Mittendrin.de hatte online auch die Möglichkeit geboten, der Redaktion automatisiert den Standort zu schicken, damit diese wenn etwas passiert direkt zum Ort fahren kann – die Infos kamen direkt aufs Handy. „Uns war es wichtig, darauf zu achten, dass alles authentisch ist und durch mehrere Quellen belegt werden kann. Wir haben es selbst gesehen, dann mit den Demonstranten und Polizeibeamten gesprochen. Erst danach haben wir getwittert.“ Und an diesem Punkt zeigt sich auch, dass sich journalistische Werte wie Sorgfalt und ein Problem aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten Mobile Reporting begleiten sollten – anstatt von ihm aufgeweicht zu werden. Gutes Mobile Reporting ist auch immer guter Journalismus. Mit den Möglichkeiten vergleichsweise neuer und immer besser werdender Werkzeuge.
Um diese voll auszureizen, gab Weidmann-Lainer auch noch ein paar ganz praxisnahe, simple, technische Tipps:
1. Bildstabilisator Apps taugen ihrer Meinung nach nichts, da die Stabilität durch Herunterrechnen des Bilder erreicht wird und die Bildqualität darunter leidet
2. Um den Ton zu verbessern, einfach einen Mikrofonschutz über das Smartphone ziehen. Sozusagen den Mikrofonpuschel. Alternativ, und noch ein bisschen besser, sei ein externes Mikrophon, das an das Handy angeschlossen werden kann.
3. Powerbanks, um das Handy unterwegs aufladen zu können, seien absolute Pflicht
4. Mit vielen Handys lässt sich problemlos HD-Filmmaterial produzieren. Schwierig wird es, live zu streamen, weil die Dateien so groß sind und wahnsinnig heruntergefahren werden müssten, um über das mobile Internet überhaupt verschickt werden zu können. Wenn man bereit ist etwas Geld zu investieren, ließe sich ein Gerät mit vorkonfigurierter hoher Bandbreite andocken
5. Weidmann-Lainers Tipps für Ton- und Schnitt-Apps: Filmic Pro, Android Camera Pro, iMovie
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Besser Online: Die Community ist eine Cocktailparty
Bilder, Videos, Audios, Texte, alles zusammen, kreativst verpackt: Viele Lokalredaktionen toben sich online richtig aus. Oder wollen es zumindest. Content zu produzieren ist die eine Sache. Die andere ist aber, ihn an die Menschen zu bringen, eine lebendige Community aufzubauen und mit ihr konstruktiv zu diskutieren. Zu viele spannende Geschichten verstauben nahezu ungelesen in den Tiefen der Website, Nutzer zerfleischen sich – oder den Autor – in Facebook-Kommentaren. Wie geht’s richtig? Das wollen Thomas Leidel von n-tv, Markus Hofmann von der Badischen Zeitung und Heike Gallery von gute-frage.net auf der heutigen DJV-Tagung „Besser Online“ in Berlin unter dem Motto „Das Netz in die Hand nehmen“ in einem Podium zum Thema „Social Media Management – Content Management“ klären. Oder zumindest mal mit den Kollegen ein Stündchen diskutieren, bevor es in die Croissantpause geht.
Der Saal ist gut halbvoll, Raum eins, die Galerie, für die großen wichtigen Termine heute. Direkt nach dem Tagungsauftakt. Moderatorin Andrea Diener stimmt die Runde ein und gibt ein paar Anekdoten aus dem faz.net Community-Manager-Alltag zum Besten. Beziehungsweise aus einer Datei, in der sie gesammelten werden. Dateiname: Hallo Arschloch. Beleidigungen, Morddrohungen, Leser die bildlich beschreiben wie sie die Redakteure mit Gewehren zum Tanzen bringen wollen, vieles ist drin. Wie rechtfertigt man das vor Print-Kollegen? Hofmann, das lokaljournalistische Flaggschiff unter den Gästen, sagt, das Thema wird mit Fingerspitzengefühl angefasst. Die Badische Zeitung verlangt seit einiger Zeit von den Usern, Kommentare mit Klarnamen abzugeben. „Das hat uns erstmal einen Shitstorm eingebracht“, sagt er. Aber er steht zum System. Das werte symbolisch die Qualität der Marke auf und bezieht den Leser stärker ein. Echte Menschen, die Verantwortung tragen für das, was sie tun, und denen man auf Augenhöhe begegnen kann.
Bei Leidel sieht es anders aus. N-tv erlaubt kaum Kommentare auf der Seite. Und das Monitoring zeigt: Auf Facebook hätten oftmals viele , die einen Artikel kommentieren, ihn gar nicht angeklickt. Die Diskussion wird an dem Ort ausgetragen, wo man sich gerade befindet. Gallery sagt, dass sie es schade findet, dass immer nur mit Negativbeispielen über das Thema gesprochen wird. Leiser Applaus. Man konnte Leserkommentare steuern, sie nutzen; nur ein kleiner, wenngleich lauter Teil der Community sei destruktiv . „Keine Angst vor Leserkommentaren!“. Auf gute-frage.net wird intensiv, wenn nicht gar exzessiv moderiert. Mehrere Dutzend Menschen sind im Community-Manager-Team, die Betreuung erfolgt 24/7. Wenn man rechtzeitig einschreitet, klare Richtlinien und eine Netiquette nutzt, könne man die Diskussion lenken, Nutzer an das Unternehmen binden und sich in einer positiven Atmosphäre austauschen, sagt Gallery.
Hofmann betreut nicht nur die Seite der Badischen Zeitung, sondern auch fudder.de, eine junge Website mit einer engagierten Community. Er meint, dass man nicht nur auf die Nutzer, die Gäste, schauen sollte, sondern auch auf den Gastgeber.“ Eine gute Community im Netz funktioniert wie eine Cocktailparty“, sagt er; eine Party wo der Gastgeber sich darum kümmert die Gäste einander vorzustellen, ihnen das Haus zu zeigen, Ansprechpartner zu sein. Auch Zeitungen müssten sich verantwortlich fühlen und Präsenz zeigen. Dies sei bei fudder.de der Fall, die Redaktion habe mitgemischt, war da und auch ansprechbar. Dadurch habe sich ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt, das ein gutes Gesprächsklima ermöglicht. Leidel stimmte zu, betonte aber, dass dies aber vor allem im Lokalen gelte, in kleinen Kreisen. Er sagt, man sollte Trolle gar nicht groß bekämpfen, sondern eher die Leute fördern die sich gut einbringen. Die richtige Entscheidung, wenn sich ein Gast daneben benimmt? Gallery plädiert dafür, streng und konsequent nach der eigenen Netiquette durchzumoderieren. Auch Hofmann sagt, dass seine Online-Redaktion deutlich härter geworden sei in den letzten Jahren. Das schließt auch Facebook ein. Was er aber für ein größeres Problem hält sind die Werkzeuge auf facebook, „weil da auch mal was durchrutscht“. Die Nutzer würden nicht automatisch ausfallend werden. Bei einem sensiblen Thema – Mord an einem Kind – hatte die Redaktion mal unter den Artikel gesetzt, dass sie sich eine respektvollen Umgang mit dem Thema wünscht. Und es habe funktioniert.
Und wenn doch der pure Hass durchkommt?
Leidel: „Wir streichen nicht jeden Hasskommentar. Und solange das nicht strafrechtlich relevant ist, bleiben solche Kommentare auch stehen.“ Eine Haltung, die durchaus diskutiert werden kann. Eine Frage, auf die jede Redaktion selbst eine Antwort finden muss: Welchen Inhalten will man eine Bühne geben? Was ist mit jenen Kommentaren, die so subtil sind, dass sie noch legal sind?
Natürlich sprechen die vier auch über das S-Wort. Den Shitstorm. Der Alptraum eines jeden Community-Managers. Gallery ist sich nicht sicher, ob ein Shitstorm wirklich so dramatisch ist. Beziehungsweise, ob er eine langfristige dramatische Wirkung hat. Ihre Argumentation folgt dem Motto: In der Situation ist das nicht angenehm, aber eine Organisation hält das schon aus, wenn sie transparent und professionell damit umgeht. Sie kenne niemanden, dem ein Shitstorm tatsächlich geschadet hatte.
Hofmann: „Als wir die Klarnamen eingeführt haben, gab es schon einen Shitstorm. Da lag ich auch einen halben Tag in dem Seilen. Aber auch so etwas hat eine Halbwertszeit.“ Ein anderes Mal wirkte die Leserschaft nahezu als Korrektiv, hat einen journalistischen Fehler kritisiert – zu Recht. Die Zeiten, wo selbstherrlich Massenmedien senden können was sie wollen, sind nicht ganz vorbei, meint Leidel. Aber da verändert sich etwas. Kritik wird in die Redaktion hereingetragen. Auch mithilfe der Community.
Es wird noch viel diskutiert. Vieles hat man schon gehört, anderes ist neu. Nun hat nicht jeder 30 Community-Manager in der Redaktion sitzen. Was können Lokaljournalisten für Ihren Arbeitsalltag mitnehmen?
Die fünf Gebote des Social Media und Content Managements, frei und sinngemäß aus der Diskussion zusammengebastelt:
1. Seid ein guter Gastgeber: Seid ansprechbar, übernehmt Verantwortung, nehmt die Community ernst
2. Transparenz und Strategie: Stellt offen Regeln auf, nach denen ihr moderiert, macht den Nutzern deutlich was ihr von ihnen erwartet – und bleibt konsequent
3. Bleibt entspannt: Die meisten Social Media Teams sind nicht 24/7 besetzt. Auch bei der Badischen Zeitung und n-tv kommen über Nacht mal unmoderierte Beiträge rein, und es funktioniert trotzdem. Auch Shitstorms kann man überleben oder sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen
4. Stellt die Social Media Grundsätze in der Redaktion auf oder tragt sie zumindest in die Redaktion rein, holt die Leute ins Boot, macht eurer Vorhaben auch in der Redaktion transparent
5. Seht in der Community keine Gefahrenquelle, sondern Potenzial, eurer Blatt zu verbessern und macht es euch zu Nutzen; User, die sich mit der Zeitung identifizieren, können z.B. auch selbst Aufgaben für die Community übernehmen wollen (wie Monitoring)
Fazit: Innerhalb einer Stunde wird die Onlinewelt nicht völlig umgekrempelt. Aber ein paar Denkanstöße und gute Vorsätze waren auf jeden Fall drin .
Hochmotiviert
Der letzte Tag in Gummersbach war voller Motivation. Eine kleine Rückschau.
Axel Bürger, lange Zeit Lokalchef der Lippischen Zeitung und heute Medienberater, sagt zur Begrüßung: „Ich war 15 Jahre Teil des Problems, jetzt möchte ich Teil der Lösung sein.“ Er ist der letzte Referent in Gummersbach und spricht über Motivation, die man zuallererst mit Alltagsumkrempelung auf Schiene bringen kann.
Mit der anderen Hand Zähne putzen, mal anders die Arme verschränkt haben, mal einen anderen Blick haben. Ca. 60.000 Gedanken hat ein Mensch pro Tag – weniger als 10 % davon sind aufbauend, behauptet Bürger. „Das Positive steht unter Generalverdacht.“ So auch das Lob, meint Bürger: „Wir haben ein Problem mit Lob in dieser Gesellschaft und deshalb haben wir ein Problem mit Motivation.“ Wenn man aber an der Motivation arbeiten möchte, sollte man nicht nur lernen, sich über Lob zu freuen, sondern auch sich zu fragen: „Was ihr sehen wollt.“
Von wenig Motivation konnte diese Woche aber nicht die Rede sein. Die Modellseminar-Teilnehmerinnen und Teilnehmer werkelten zwischen den Vorträgen an ihren eigenen Projekten in vier verschiedenen Arbeitsgruppen. Bei den Abschlusspräsentationen gab es viele Überraschungen und einiges Gelächter:
AG4: Wo Quellen sprudeln: neue Recherchewege im Lokalen
Die Arbeitsgruppe entführt uns einen Tag lang in den Großkafflinger Kurier und zeichnet die Arbeit von zwei verschiedenen Redakteuren nach. Am Ende stehen je nach Rechercheaufwand zwei völlig verschiedene Titelseiten. Paul Faul titelte: „Breklo zieht ins Ausland. Schlechte Wirtschaftslage ist Schuld.“ Die gut recherchierte Geschichte von Sabina Fleißig hingegen lautete: „Rathausklüngel kostete 1300 Jobs“.
Team: Dagmar Besand, Inga Hansen, Bastian Henning, Moritz Kircher, Christiane Mühlbauer, Georg Müller, Sebastian Tauchnitz (Leitung), Florian Würth
AG2: Bürger beteiligen: Brücken bauen zur Politik
In Printheim, einer Stadt mit 95.000 Einwohner ist die Stimmung schlecht. Ein Leser möchte mal wissen, was seine Zeitung so macht. Er klopft an bei der „Printheimer Presse“ und fragt die Redakteurinnen und Redakteure, was sie denn so zur Etatverabschiedung geplant haben.

Anonyme Briefkästen zum Beispiel, Lesergesprächsrunden – davon einen Live-Stream, die Zusammenarbeit mit dem „Friedrich Naumann Gymnasium“…
Team: Tim Attenberger, Wolfgang Becker, Bettina Boronowsky, Alexandra Groth, Martina Möller, Jörg Müller, Steffen Reichel, Petra Waschescio (Leitung), Mathias Wiedemann,Volker Uerlings
AG1: Stadtgespräch werden: Alltägliches spannend erzählt
Um halb 10 ist der Chef der erste bei der Redaktionskonferenz. Nach und nach trudeln seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Lässig, nicht besonders arbeitseifrig, eher die Kreiskaninchenschau als Kommunalpolitisches im Blick. Wie so eine Konferenz in genau die andere Richtung kippen kann, zeigte das kleine Kammerspiel.
Team: Ralph Adameit, Jessica Bader, Josef Barnekamp, Sarah Brasack (Leitung), Markus Erhard, Tanja Freudenmann, Dana Müller, Georg Müller, Matthias Schätte, Jürgen Stricker
AG3: Dranbleiben: zwischen Chronistenpflicht und Hetzjagd
Zu dem Song Stay der Gruppe Hurts kämpften die Themen um die Lokalredakteurin.
Team: Renate Angstmann-Koch, Volker Böhm, Maike Gauterin-Stahl, Holger Heitmann, Roman Hiendlmaier, Christina Knorz (Leitung), Ellen Reim, Felix Voigt, Jörg Weirich
Was sich die Arbeitsgruppen inhaltlich erarbeitet haben, können Sie im Seminarreader nachlesen.
Axel Bürgers Präsemtation gibt es hier.
Kein vorauseilender Gehorsam
Wer glaubt, Straf- und Zivilrecht ist staubtrocken, kennt Stefan Petermeier noch nicht. Der Rechtsanwalt des Münchner Merkurs spricht heute Morgen über die Rechte und Grenzen journalistischer Recherche und versteht es, aus dem Paragraphendschungel eine praktische Handlungsanleitung zu machen.
Welche Ansprüche habe ich eigentlich gegenüber Behörden und auf was kann ich mich berufen? Im ersten Teil des Vortrags geht es vor allem um die Frage, was darf ich wissen? „Man kann Ihnen nicht unterstellen, wenn Sie es wissen, dann schreiben Sie es auch. Zuallererst geht es darum, was SIE wissen dürfen.“ Die Rahmenbedingungen stehen in den Landespressegesetzen. Anspruchsberechtigt ist jeder Redakteur, jede freie Jounalistin, jeder Verleger, jede Herausgeberin. Antworten müssen: Die Behörden, aber auch jene Gebietskörperschaften, die in Gesellschaften des Privaten ausgegliedert werden wie etwa Stadtwerke, Krankenhäuser, Energieversorger – „sofern die öffentliche Hand noch maßgeblichen Einfluss hat“.
Behörden sind ja bekanntlich um keine Antwort verlegen, wenn es darum geht, kritische Anfragen abzuwehren. Geheimhaltungsvorschriften, Datenschutz oder schlichtweg „unzumutbarer Umfang“ sind gängige Ausreden. „Geheimhaltungsvorschriften sind längst nicht so oft einschlägig wie von Behörden angegeben, sogar das Steuergeheimnis ist umstritten. Das Argument mit dem Datenschutz ist Quatsch, denn letztlich gilt das nur als berechtigt, wenn der Anspruch nicht berechtigt ist, wenn z.B. privates Interesse dahinter steckt, aber das ist bei Journalisten meist nicht der Fall“, sagt Petermeier. Auch den zu großen Arbeitsaufwand würde er nicht durchgehen lassen: „Solange da nicht der Behördenbetrieb zusammenbricht, gilt das Argument nicht.“
Zuständige direkt kontaktieren und eine sportliche Frist setzen
Wichtig sei es, konkrete Fragen zu stellen, eine Frist zu setzen – ruhig eine sportliche – und höflich auf den presserechtlichen Informationsanspruch hinzuweisen. „Das Problem ist, dass viele Redakteure es sich nicht mit den Leuten verscherzen wollen – ist zumindest mein Gefühl.“ Auch das Urheberrecht sei kein Argument – beispielsweise, wenn Behörden einen die Einsicht in ein privates Gutachten verweigern. Es gehe um die Frage, meint Petermeier: „Die richtige ist: Was steht in dem Gutachten drin? Und NICHT: Ich hätte gerne das Gutachten. Da scheitert es nicht an den Schranken sondern an dem Anspruch.“
Andere Gesetze, auf die sich Journalistinnen und Journalisten berufen können, sind das Informationsfreiheitsgesetz, womit beispielsweise Akteneinsicht gefordert werden kann; das Umweltinformationsgesetz; das Verbraucherinformationsgesetz sowie der Zugang zu amtlichen Registern. „Es lohnt sich, den Hauptverantwortlichen der zuständigen Stelle direkt zu kontaktieren, sonst bleibt Ihre Anfrage möglicherweise in der Pressestelle hängen“, sagt Petermeier.
Von den Grenzen der Spielräume
Heimliches Mitschneiden von Telefonaten ist strafbar, so ist auch das Abhören von Feuerwehr oder Polizeifunk“, sagt der Jurist und erzählt mit Fällen aus dem eigenen Verlag, welche Konsequenzen Grenzüberschreitungen haben. Wie zum Beispiel die Klage einer Wohnungsbesitzerin auf Hausfriedensbruch: Eine freie Mitarbeiterin der Verlagsgruppe war zu einem Wohnungsbrand geeilt, bei dem ihr der Feuerwehrkommandant den Zutritt zum ausgebrannten Wohnzimmer erlaubt hat – das sie auch fotografiert und veröffentlicht hat. „Ein Feuerwehrkommandant kann nicht einwilligen, dass jemand Fremder, die Wohnung betritt – es sei denn es ist seine eigene Wohnung, die da abgebrannt ist“, sagt Petermeier. Der Verlag musste daraufhin 600 Euro Strafe zahlen. „Im Strafrecht betrifft es immer den Betroffenen – in dem Fall die freie Mitarbeiterin – selbst. Es hängt also vom guten Willen des Verlags ab, ob der die Strafzahlung übernimmt.“
Anderer haariger Punkt ist das wörtliche Zitieren aus Ermittlungsakten und Anklageschriften. So lange sie noch nicht in der Hauptverhandlung eingebracht sind, ist das verboten. Der Inhalt dürfe natürlich wiedergegeben werden. Oder zivilrechtlicher Natur: Wenn es um Persönlichkeitsrechte von Betroffenen geht und sie nicht Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte sind. Ganz heikel: Kinder, hier gilt auch nicht die Einwilligung der Lehrer. „Man braucht die Zusage der Eltern.“
Außerhalb der Norm denken
„Geschichten, die Spaß machen, sind zuallererst mal Geschichten, die den Autoren Spaß machen. Und die logische Folge ist, es macht auch den Lesern mehr Spaß.“ Mit einem breiten Grinsen beginnt die freie Journalistin Gabi Pfeiffer ihren Vortrag, in dem es vor allem um eines geht: Anders denken und daran Spaß haben.
Los geht es mit dem Wortspiel „Tic Tac Bum“, bei dem eine tickende Bombe weitergereicht wird und wer immer die Bombe hält, sollte ein Wort bilden mit der jeweiligen Silbe, die anfangs festgelegt wird. „Vor“ gibt die Richtung an und die Bombe wandert quer durch den Raum. Vorwärts, Vorspiel, Vorderhaus – „Ich bin beeindruckt, wie viel Ihnen eingefallen ist“, sagt Pfeiffer, „aber ich glaube, es war auch besonders leicht.“
Silben könnten auch bei Schlagzeilen helfen, meint Pfeiffer. Andere Regeln, die „anders arbeiten“ lassen:
Zu jeder dieser Schlagworte zeigt Pfeiffer Beispiele, die hier als Anregungen zusammengefasst sind. „Ich wünsche mir mehr Quatsch in der Zeitung!“ sagt die freie Journalistin, die sich im klassischen Tageszeitungsgeschäft nicht so wohlfühlte und deshalb heute beim Obdachlosenmagazin Straßenkreuzer mitmischt, wo sie Projekte wie zum Beispiel „Ice-Tiger Marc Seliger zieht sich aus“ macht. Das ist ein Daumenkino bei dem die Leserschaft zuschauen kann, was sich hinter dem Spieleranzug des Eishockey-Manns verbirgt.
Pfeiffer rät den Journalistinnen und Journalisten, sich Lieblingsthemen zuzulegen, „um auch motiviert zu bleiben“. Und was beflügelt die Fantasie ganz besonders? „Strenge Regeln und Formate.“
„Investigative Recherche ist eine sehr persönliche Kiste“
Das Rechercheschwergewicht David Schraven ist heute in Gummersbach zu Gast und führt uns mit trockenem Humor durch seine Geschichten. Angekündigt ist sein Vortrag mit „Tote Briefkästen im Netz und konspirative Treffen: neue Recherchewege“. Von toten Briefkästen kann keine Rede sein, zwischen 10 und 80 „Briefe“ flattern jede Woche in Schravens anonyme Briefkästen. „Ich rate jedem so einen Briefkasten einzurichten“, sagt der ehemalige Leiter des Ressorts Recherche der WAZ (heute Funke-Gruppe). „Besonders im Lokaljournalismus kann man mit relativ wenigen Schrauben große Sprünge machen.“