Neueste Artikel

Bilder, Grafiken, Daten: Kreativ in die Zukunft

Gabi Pfeiffer und Bernhard Rentsch

Gabi Pfeiffer und Bernhard Rentsch

Das erste Podium des letzten Tages widmete sich ganz den digitalen Erzählformen. Im ersten Teil des Panels sollte es um das Thema Visual Storytelling gehen, im zweiten Teil um den Bereich Datenjournalismus. Geladen waren Bernhard Rentsch, Chefredakteur des Bieler Tageblatts, und Philipp Ostrop, Leiter der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Moderiert wurde das Panel von den Journalistinnen Gabi Pfeiffer und Inge Seibel.

 

„Im Zweifelfall aufs Bild setzen“

 

Den Anfang machte Bernhard Rentsch. Was er unter Storytelling verstehe, wollte Moderatorin Pfeiffer von ihm wissen. „Wir versuchen, den Leser Botschaften immer mit Bildern zu vermitteln – seien es Fotos oder Grafiken“, sagte Rentsch. Es gelte die Regel: Ein großes Bild pro Aufmacherthema.

 

Als Beispiel präsentierte Rentsch die Berichterstattung seines Blattes über den Bau der Autobahn, über Gastarbeiter, über historische Ereignisse der Stadtgeschichte aber auch über andere umstrittene Bauprojekte der Stadt. Diese größeren Projekte würden im Schnitt zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen.

 

„Bei der Planung überlegen wir immer, wie wir das Thema visuell aufziehen können. Wenn wir uns aus Platzmangel zwischen Grafik und Text entscheiden müssen, würden wir im Zweifelsfall immer auf das Bild setzen“, sagte Rentsch. Dennoch arbeite er – notgedrungen – mit „bescheidenen Mitteln“. Er beschäftige einen Grafiker und 5 Layouter, die im Haus auch geschult werden. Damit ließen sich große Projekte „natürlich nicht regelmäßig stemmen“.

 

„Viel Kaffee trinken gehen“

 

Sie treffe ihn hier zum ersten Mal persönlich, kenne ihn aber schon lange über twitter – so führte Inge Seibel den zweiten Gast des Podiums, Philipp Ostrop von den Ruhr Nachrichten, ein.

 

Philipp Ostrop

Philipp Ostrop

Zunächst versuchten beide, eine gültige aktuelle Definition des Begriffes Datenjournalismus zu finden. „Datenjournalismus muss digital und interaktiv sein, die Quellen müssen transparent und die Daten frei verfügbar sein“, sagte Ostrop. Seine Zeitung habe vor drei Jahren erstmals mit Datenjournalismus experimentiert – mit einer Grafik über die Raubüberfälle in der Stadt Dortmund. Weitere Beispiele, die Ostrop präsentierte, befassten sich mit Themen wie der Arbeitslosigkeit in der Stadt.

 

Detaillierter ging Ostrop auf ein Projekt zum Ausbau des Mobilfunknetzes ein. Dabei waren auf einer Karte alle Mobilfunkmasten in der Region eingezeichnet. In einem Extrakasten konnten die Benutzer ihre Adresse eintippen und sich anschauen, wo der nächste Mobilfunkmast steht. Die Erhebung der Daten führte zudem zu einer weiteren Geschichte in der Zeitung: „Es gibt eine bestimmte Pufferzone, die zwischen den Masten und Schulen und Kitas gewahrt werden muss. Im Zuge unserer Recherche haben wir herausgefunden, dass diese Pufferzone an mehreren Stellen unterschritten wurde. Das haben wir dann im Blatt aufgegriffen“, sagte Ostrop.

 

Wie man an die Daten komme, wollte Seibel wissen. „Man muss viel Kaffee trinken gehen mit den Leuten, die die Informationen haben. Man muss zu Ämtern, mit Pressesprechern reden und so weiter.“ Deutschland hinke in dieser Hinsicht nach deutlich hinterher, sagte Ostrop.

 

Und wie verarbeitet man die Daten? Seine Zeitung nutze vor allem zwei Tools – Datawrapper, eine kostenlose und „idiotensichere“ Möglichkeit, und das etwas anspruchsvollere Google Fusion Tables.

 

Wie die Resonanz der Leser sei, wollte ein Gast wissen. „Wir haben hohe Klickzahlen“, sagte Ostrop. Zudem lohne sich Datenjournalismus, da die Daten und Karten immer wieder aktualisiert würden und die Artikel somit auch auf lange Sicht von Interesse seien.

Innovation am regionalen Newsdesk – Praxisgespräch 1

Wie sieht moderne Arbeitsorganisation aus? Foto: Ronald Wittek, Nordbayerischer Kurier

Wie sieht moderne Arbeitsorganisation aus? Foto: Ronald Wittek, Nordbayerischer Kurier

Wie sieht eine moderne Arbeitsstruktur in den Redaktionen aus? Im ersten Praxisgespräch unter dem Thema „Innovation am regionalen Newsdesk – Integration und Kommunikation“ gaben Vertreter des Bonner General-Anzeigers Auskunft darüber, wie das Verlagshaus im Jahr 2010 die internen Strukturen verändert hat.  Jörg Manhold, Regio-Deskmanager, und Chefredakteur Andreas Tyrock gaben dabei spannende Einblicke in die Organisation der Desks bei der Zeitung. Zentrales Element ist das Regio-Desk, von dem aus die unterschiedlichen Lokalausgaben der Zeitung organisiert werden.

 

„Am Desk starteten wir zunächst mit Leuten, die aus den jeweiligen Lokalredaktionen kamen“, erzählte Manhold. Andreas Tyrock erläuterte der drehscheibe: „Für die Aufgaben Print (Seitenproduktion inklusive Korrekturlesen) und Onlinestellen der Texte brauchen wir pro Tag sechs bis sieben Editoren (Nettobesetzung). Das ergibt ein Regio-Desk-Team von 10 (netto multipliziert mit 1,5 für Urlaub, Krankheit usw). Sechs dieser Editoren sind i.d.R. auf eine Lokalausgabe spezialisiert, vier Editoren variieren je nach Besetzung zwischen zwei Ausgaben.“  Tyrock ergänzte, dass es gerade am Anfang wichtig sei, nicht zu rotieren, denn Routinen müssten sich erst einmal einstellen.

 

Wichtige Elemente der Arbeitsorganisation beim General-Anzeiger in Stichpunkten:

 

– Verantwortlichkeiten sind klar geklärt. Maßgeblich bestimmt der jeweilige Lokalchef, in welcher Gewichtung die Themen gespielt werden. Dies erfolgt in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Editor und läuft in der Regel reibungslos. Muss eine Entscheidung herbeigeführt werden und gibt es keine Einigung, entscheidet am Desk der Desk-/Regio-Chef. Sollte auch das nicht funktionieren, entscheidet der stellvertretende Chefredakteur, der zugleich für alle Lokalausgaben verantwortlich ist. Danach entscheidet der Chefredakteur. Der Fall sei aber noch nie vorgekommen.

– Bei der Morgenkonferenz ist immer ein Onliner dabei, diskutiert wird: Welches lokale Thema können wir wie spielen? Wo werden Links gesetzt, Online-Hinweis etc.?

– 18 Uhr gemeinsame Blattabnahme: Alle Mantelseiten, alle Lokal-Titelseiten und die Bonner Seiten werden durchgegangen

Die Hälfte der Deskbesetzung am Sonntag besteht aus Reportern

– Gegenlesen als Prinzip: Zusätzlich zum Gegenlesen der Redakteure gibt es einen Korrektorenpool, 10-12 Leute, aus Freien gebildet (u.a. Studenten und Pensionäre), die sich selbst organisieren und gewährleisten, dass pro Tag drei bis vier Korrektoren ab nachmittags im Einsatz sind

Der Vorteil des Systems sei die standardisierte gute Kommunikation, sagte Manhold. In der Diskussion wollte Jost Lübben, Chefredakteur der Nordsee-Zeitung, wissen, ob nicht die Gefahr bestehe, „dass so ein Newsroom ein Raumschiff wird, in dem die Entscheider abheben, Lokalredaktion nicht hinterher kommen und demotiviert werden“. Manhold entgegnete, dass man die „weichen Faktoren beachten“ müsse,  dass man kommunizieren müsse, was morgens in großer Runde besprochen wurde. „Die Leute müssen die Chance haben, mitdenken zu können, das ist manchmal schwer operationalisierbar, aber nötig, weil sonst Fehlentwicklungen auftreten.“

 

 

Ringen um die besten Köpfe – Praxisgespräch 3

Wie holt man den Nachwuchs in die Redaktion? Foto: Ronald Wittek, Nordbayerischer Kurier

Wie holt man den Nachwuchs in die Redaktion? Foto: Ronald Wittek, Nordbayerischer Kurier

Das Ringen der Medienhäuser um die exzellenten Köpfe im Lokaljournalismus – hat es schon begonnen? Wie findet es statt und was kann es bewirken? Darum ging es im dritten Praxisgespräch unter dem Motto: „Gut aufgestellt – Ringen um die exzellenten Köpfe“. Moderatorin war Kirsten Reuschenbach, Projektredakteurin bei mssw Print Medien Service Südwest, Referent Christian Sauer, Journalist und Coach aus Hamburg.

 

Geht es nach Sauer, müsste der Wettbewerb um die besten Bewerber erst in Gang gebracht werden. Gemeinsam mit Reuschenbach regte er im Praxisgespräch Redaktionsleiter zum Austausch über Möglichkeiten der  Personalentwicklung an.

 

Erfolgreiche Personalentwicklung erfordere mehr als eine gute Volontärsausbildung, darin waren sich die versammelten Redakteure einig. Um den ständigen Veränderungen in der Branche gerecht zu werden, müsse auch in den Medienhäusern ein Wandel erfolgen. Weiterbildungskonzepte für die Mitarbeiter steckten bei vielen Lokalmedien aber noch in Kinderschuhen. Zunächst einmal müssten  Wandel und Weiterbildung als Chance für die Redakteure kommuniziert werden, nicht als Pflicht. Komme diese Botschaft nicht an, werde der Wandel jedoch unweigerlich zur Pflicht. „Hier muss man die richtige Mischung aus Druck und Möglichkeiten finden“, sagt Sauer.

 

Besonders wichtig sei es, die Redakteure bei der Weiterentwicklung der Redaktionen gezielt miteinzubinden und über deren Ideen und Ziele zu sprechen. Zielvereinbarungskonzepte könnten dabei Kreativität und Motivation fördern, seien aber nur dann sinnvoll, wenn Zwischenziele gesetzt und mit bestimmten Fristen erreicht werden. Sauer sagte: „Eine gute Zielvereinbarung ist harte Arbeit. Wenn sie gelingt, kann es aber der Treibsatz sein, der Mitarbeiter und Führungskraft für eine ganze Zeit gemeinsam antreibt!“

 

Nicht immer müsse die Aussicht auf mehr Geld als Anreizsystem in Zielvereinbarungen dienen. Auch Zeit, Freiheit oder Verantwortung können attraktive Prämien für besondere Leistungen sein. Je nach individuellen Eigenschaften der Redakteure eigneten sich Aussicht auf Weiterbildung, zeitweise Freistellung vom Redaktionsdienst für bestimmte Arbeiten oder freie Tage für geleistete Mehrarbeit. Dass die Mitarbeiter sich im Redaktionsalltag wohlfühlen, sei besonders in unsicheren Zeiten wichtig, erklärte Sauer, denn: „Das nahe Umfeld beeinflusst die Motivation der Mitarbeiter stärker als die Situation der Branche.“

Scribble Live, Tumblr und Co.

Holger Schellkopf, Joachim Braun, Jens Nähler und Horst Seidenfaden (v.l.n.r.)

Holger Schellkopf, Joachim Braun, Jens Nähler und Horst Seidenfaden (v.l.n.r.)

Um neue digitale Erzählformen ging es auf dem Panel „Technik im Fokus – Antworten der Gipfelstürmer“.  Welche Tools lassen sich für multimediales Erzählen verwenden? Wir sind sie zu handhaben und welche Erfahrungen wurden damit gemacht? Holger Schellkopf, stellvertretender Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung, Joachim Braun, Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers, Horst Seidenfaden, Chefredakteur der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen, und Jens Nähler, der dort das Ressort Online leitet, stellten Experimente aus ihren Zeitungshäusern vor. Moderator war Sascha Borowski, Leiter Online der Augsburger Allgemeinen.

 

Die Mittelbayerische Zeitung

 

Die Mittelbayerische Zeitung experimentiert zum Beispiel vermehrt mit Videos. Holger Schellkopf sagte: „Wir arbeiten mit langen Bewegtbildern, etwa zehnminütigen Dokufilmen.“ Dabei frage man sich immer: „Wie erzähle ich die Geschichte?“ Das werde schon bei der Planung mitgedacht. Ein anderes Beispiel sei der Liveticker, den sie immer häufiger benutzten – vor allem auch für lokale Ereignisse wie etwa beim Regensburger Jazz Weekend. Man tickere auch live aus Pressekonferenzen. In einem Fall habe man dabei 15.000 Visits erhalten, die Nutzungszeit betrage dabei zwischen acht und zwölf Minuten. „Das ist doch für eine Nachrichtenseite ganz gut“, meinte Schellkopf.

Unter anderem benutzt die Mittelbayerische Zeitung das Tool Scribble Live. „Wir könnten so ein CMS selbst nicht bauen“, sagte Schellkopf. „Und dass es einfach zu nutzen ist, ist ein wichtiger Aspekt. Die Einarbeitungszeit beträgt fünf Minuten.“ Schellkopf zeigte sich auch davon überzeugt, dass damit Geld zu verdienen sei.

Intensiv hat die Redaktion auch mit Storify gearbeitet, mit der Zeit hat man aber wieder Abstand davon genommen. „Der Beitrag wirkt dann immer wie ein Fremdkörper. Er lässt sich im Netz finden, ohne dass man auf unsere Seite gehen muss. Das ist der Nachteil von Storify.“

 

Der Nordbayerische Kurier

 

Auch die Bayreuther bloggen live. „Gerade hier können wir unsere Stärken ausspielen: schnelle Auffassungsgabe zum Beispiel“, erläuterte Chefredakteur Joachim Braun. Man nutze zum Beispiel Facebook, wobei man festgestellt habe, dass es Facebook-Nutzer nerve, wenn zu viele Postings erscheinen. Besser sei Scribble Live, weil das Tool in die eigene Homepage eingebunden sei. Die meisten Klickzahlen habe zum Beispiel ein Artikel erhalten, in dem spekuliert wurde, was auf einer von einem Unternehmen anberaumten Pressekonferenz verkündet werden würde. „Man kann damit Neugierde schaffen“, sagte Braun.

Natürlich müsse jeder Redakteur wissen, wie diese Tools funktionieren. Man habe auch ein neues, kanalneutrales CMS eingeführt. Dies hätten nicht alle Redakteure von vorneherein positiv aufgenommen. Um den höheren Aufwand auszugleichen, habe man zum Beispiel die Vereinsberichterstattung abgeschafft. „Man muss mit der Zeit gehen, um nicht mit der Zeit zu gehen., sagte Braun. Wichtig sei, dass die Führung der Redaktion das auch vorlebt.  „Man muss das machen, was die Leser auch machen, sonst verliert man sie.“ Momentan arbeite die Redaktion an einer multimedialen Geschichte über den Fall Gustl Mollath.

 

Hessische/ Niedersächsische Allgemeine

 

Jens Nähler und Horst Seidenfaden präsentierten das Projekt „Kassel Live“ der HNA. Ausgangspunkt war der Hessentag, der in Kassel stattfand. „Wir haben alles live berichtet, was dabei relevant war“, sagte Seidenfaden. Man habe im Schnitt 10.000 Leser am Tag gehabt. Nach diesem Erfolg habe man im Oktober „Kassel live“ begonnen. Dabei werde alles gepostet, was irgendwie von Bedeutung sei für die Stadt.  Das Ziel: Nachrichten aus Kassel schnell und knapp vermelden – und das in einem spannenden Mix aus bunten Themen.

„Wir wollten einen Nachrichtenstream auf unsere Seite bringen“, erläutert Nähler. Bei der Suche nach einem geeignetem Tool sei man auf Tumblr gestoßen. „Man  kann dort über eine einfach App auch von unterwegs auch posten“, führte er aus. „Relevant ist nicht, was wir Journalisten relevant empfinden, sondern was die Leser wollen“, sagte Nähler. Aber wie das Interesse der Leser messen?  „Man tastet sich langsam vor“, sagte Seidenfaden. Nähler erläuterte, dass man beobachte, ob Beiträge weiter gepostet würden und wie sie auf Facebook aufgenommen würden.  „Diese Appetithäppchen sollen den Leser auch zeigen, dass es die kompetente und umfassende Berichterstattung in der HNA gibt, erklärte Seidenfaden.“

„Kassel live“ ist jetzt vier Monate online, die Zahlen gingen „kontinuierlich nach oben“, wie Seidenfaden sagte. Ein Projekt im Sinne der Zeitungsphilosophie, die Seidenfaden so zum Ausdruck machte: „Der Redaktionsschluss ist nicht 18 Uhr 30, sondern minütlich.“

Die wahrsagende Zahnbürste

Michael Praetorius ließ den Journalismus der Zukunft greifbar werden

Michael Praetorius ließ den Journalismus der Zukunft greifbar werden

Wie soll man diesen Vortrag zusammenfassen? Vielleicht, indem man nachliest, was darüber getweetet wurde.  „Man kann sich mühsam schwindelig trinken – oder auch ganz einfach Praetorius bei seiner Keynote zuhören“, meinte etwa Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung. Uwe Renners von den Westfälischen Nachrichten schrieb: „Keynote macht Spaß und ist super spannend.“ Philipp Ostrop postete: „Der nächste A…tritt kommt von Praetorius.“ Andreas Kemper tweetete: „Das war ein Leute-macht-die-Augen-auf-Vortrag, leicht nerdig, aber klasse.“ Und Nina Könemann fragte sich: „Findet Journalismus bald morgens um sechs Uhr in der Zahnbürste statt?“

 

Das Beispiel einer kürzlich in Amerika auf den Markt gekommenen Zahnbürste, in die eine Kamera integriert ist, damit man seine Zähne beim Putzen beobachten kann, war nicht das einzige anschauliche Bild, das der Journalist und Coach Michael Praetorius in seinen Vortrag eingebaut hatte. Er wollte die versammelten Kolleginnen und Kollegen ganz offensichtlich aufrütteln, gleichsam mit einer Keynote-Rakete in die Zukunft schießen. Oder war das schon die Gegenwart, was er in seiner leidenschaftlichen Rede skizzierte?

[http://www.youtube.com/watch?v=0rF774b6XwI]

Was hat es auf sich mit dem Predictive Web? Push-Benachrichtigungen, Instant-Messaging, davon hat man schon gehört. Aber werden wir bald die Zukunft vorhersagen und über Ereignisse schreiben, die sich morgen erst ereignen? Was ist der Truthahneffekt? Und was sind Recommendation Engines?  Was hat die Parkplatzsuche, das Ordern eines Taxis und das Ausleihen eines Akkuschraubers mit Lokaljournalismus zu tun? Wer mehr darüber wissen will, kann sich Michael Praetorius Vortrag auf dem Forum Lokaljournalismus jetzt auch im Video ansehen.

 

Michael Praetorius baut Redaktionssysteme, unter anderem für MGM, entwickelt Tools unter anderem für das Facebook-Profil von Douglas oder den Kundensupport für o2. Er arbeitet für Verlage genauso wie für Spielehersteller.

 

 

 

 

Qualität steigern – und verkaufen

Björn Schmidt ist Geschäftsführer von DumontNet

Björn Schmidt ist Geschäftsführer von DumontNet

Es verärgere ihn immer wieder, wenn Zeitungen gute Geschichten haben, die Leser sie aber zuerst woanders finden – weil die Überschriften nicht prägnant oder spannend genug sind, sagte Björn Schmidt, Geschäftsführer von DuMontNet aus Köln.

Der Erfolg einer Zeitung ruhe auf mehreren Säulen. Da sei der Chef, der einen hohen Wert auf digitale Medien legen müsse, sagte Schmidt und verwies in diesem Zusammenhang auf Christian Lindner von der Rhein-Zeitung, der dies verwirkliche. Zudem müssten Verlage Webanalysten einstellen. „Das wenige zur Verfügung stehende Geld wird oftmals noch falsch verwendet“, sagte Schmidt. „Deswegen muss eine Analyse am Anfang der Arbeit stehen“. Als weiteren wichtigen Punkt sieht Schmidt die Ausbildung. „Volontäre müssen lernen, relevant zu schreiben. Und dazu gehört auch das suchoptimierte Schreiben. Dazu gehören Kenntnisse im Datenjournalismus, dazu gehört aber auch das Wissen, zu erkennen, wann es sich lohnt, ein Video zu drehen.“ Redakteure müssten sich ein eigene Profil in der digitalen Welt erarbeiten, sie müssten „Figuren“ werden.

Wenn Verlage ihre Ausbildung auf den Online-Bereich konzentrieren – wird sich dies auch auf die Sprache in der gedruckten Zeitung auswirken, fragte Seidenfaden. Ja, entgegnete Schmidt. „Natürlich erfordert jeder Kanal seine eigene Sprache. Dennoch wird die Entwicklung auch an der Tageszeitung nicht vorübergehen.“

Was die Statistiken über die Qualität sage, lautete eine Publikumsfrage. „Es geht uns nicht nur um Klickzahlen. Aber es muss uns gelingen, die selbe – gleiche – Qualität, besser zu verkaufen. Nur so wird sich auch die Qualität steigern.“ Man müsse kooperieren, sagte Schmidt, und Blogger miteinbeziehen. Die größte Schwierigkeit sei, dass die Verlag oftmals noch an alten Strukturen festhalten würden.

Recherche? Lasst die Freien ran!

Jörg Jung legt Wert auf Recherchen

Jörg Jung legt Wert auf Recherchen

Ein ungewöhnliches Modell stellte Jörg Jung, Chefredakteur der Böhme Zeitung in Soltau, vor. Am Anfang stand ein Problem. Seine Redaktion habe oftmals keine Zeit gehabt, Geschichten wirklich zu Ende zu recherchieren, sagte Jörg Jung von der Böhme Zeitung in Soltau. Und so habe man beschlossen, Langzeit-Recherchen an freie Journalisten herauszugeben. Bezahlt werden diese mit 22,50 Euro pro Recherchestunde, inkl. Fahrten und Spesen, und 74 Cent pro Zeile für den fertigen Text. Die Themen kommen jeweils aus der Redaktion, da die recherchierenden Journalisten in Deutschland verteilt sind. Die aufwendigste Geschichte, an der derzeit noch recherchiert wird, widme sich einem Mobilienunternehmer in Berlin. Der entsprechende Redakteur habe schon über 40 Interviews zu dem Thema geführt.

Ob es seit der Auslagerung Leserreaktionen gegeben habe, fragte Moderatorin Sylvia Binner vom Bonner General-Anzeiger. Nein, sagte Jung. Dennoch halte er an der Idee fest, da sie dem Qualitätsanspruch der Zeitung entspräche.

 

Was sagt die Redaktion?

 

Horst Seidenfaden von HNA wollte wissen, ob es Konkurrenzdenken zwischen den festen Mitarbeitern und den Freien gebe. „Die Stimmung war geteilt“, sagte Jung. Es habe Redakteure gegeben, die die Idee als sinnvolle Erweiterung angesehen hätten, aber auch solche, die fürchteten, dass spannende Geschichten nun nur noch an Freie herausgegeben würden.

Im Anschluss präsentierte Jung Beispiele. In den von Externen recherchierten Artikeln ging es unter anderem um die Ausbildung von Soldaten aus Singapur in der Region, um Pläne zum Ausbau des Bahnnetzes und um die Herstellung von Chemiewaffen.

Warum das Honorar für freie Journalisten verwendet wird und nicht etwa zur Entlastung der festen Redakteure, damit diese mehr Zeit zur Recherche hätten, lautete eine Publikumsfrage.

„Das haben wir schon getan“, sagte Jung. Die festangestellten Reporter hätten jedoch die Aufgabe, selbst Themen zu recherchieren. Und sie seien fest in die Tagesproduktion eingebunden. Deswegen seien diese Langzeit-Recherchen nur mit Externen verwirklichbar.

Was die Besonderheit der recherchierten Geschichten sei, lautete eine Publikumsfrage. „Die Tiefe der Recherche, die Anzahl der Gesprächspartner, das Geschick, an die richtigen Gesprächspartner zu kommen, und das Anführen oftmals noch unveröffentlichter Dokumente“, entgegnete Jung.

Resümierend müsse er aber leider feststellen, dass andere – oftmals weniger aufwendig recherchierten – Geschichten auf höhere Resonanz seitens der Leser stoßen würden, sagte Jung.