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Ein norwegischer Gipfelstürmer

Christian Stavik stellte eine mutige Digitalstrategie vor

Christian Stavik stellte eine mutige Digitalstrategie vor

Das größte Risiko im Angesicht sinkender Auflagenzahlen? Nichts tun, sagt Christian Stavik, Nachrichten-Editor der norwegischen Tageszeitung Fædrelandsvennen. Stavik war der erste der drei Referenten der Veranstaltung „Innovation im Fokus – Antworten der Gipfelstürmer“.

Seine Zeitung habe ein Bezahlmodell eingeführt, das „nichts unberührt ließ“, sagte Stavik. Ziel sei es gewesen, ein „Inside-Gefühl“ für Abonnenten zu erschaffen und zur selben Zeit für alle, die keine Abonnenten sind, das Gefühl, nur Externer zu sein.

Stavik und sein Team entschieden sich für ein Fremium-Modell. Das Resultat: Vor Einführung des Modells habe man fünf Kunden pro Tag verloren, sagte Stavik. Danach kehrte sich der Trend ins Positive um. Einen weiteren Fokus legten Stavik und sein Team auf den Facebook-Kanal der Zeitung, der inzwischen rund um die Uhr betreut wird. Zudem habe man einen Kommunikationsberater engagiert, der half, ein Team-Gefühl in der Redaktion zu schaffen.

Stavik verglich eine Redaktion mit einem Fußballteam. Redakteure, die die Print-Zeitung betreuen, rechnete er der Verteidigung zu, das Mittelfeld seien vor allem Redakteure, die die Webseiten betreuen, und die Offensive schließlich seien die Redakteure, die die Smartphones und Tablets betreuen.

Wie sich die Arbeit der Redakteure verändert habe, wollte Moderator Horst Seidenfaden von Stavik wissen. Er selbst würde viel häufiger abends arbeiten, entgegnete dieser – den Zeiten, in denen der Traffic auf der Seite am stärksten sei.

 

Anderes Arbeiten

 

Interessant waren Staviks Ausführungen, was die Änderungen für Redakteure betraf. So sei es ihnen nicht erlaubt, NICHT auf Facebook zu sein. Facebook sei das perfekte Tool, um mit den Lesern zu kommunizieren. Wenn man nicht auf Facebook sei, gehe dort die Kommunikation dennoch weiter – aber man sei eben nicht dabei.  Stavik skizzierte ein Modell, in dem es den Zeitungsredakteure, wie wir ihn bisher kennen, nicht mehr gibt. Aber dank dieser Online- und Digitalstrategie haben das Medienhaus viel mehr Geschichten, aus denen es wählen könne.

 

Wie nahmen die Zuschauer die revolutionären Ideen aus Norwegen auf? Philipp Ostrop von den Ruhr Nachrichten fasste es in einem Tweet so zusammen: „Was fehlt: Ein Wort für die Nervosität, die man nach dem Vortrag von Stavik spürt.“

Web, Mobile, Local und Social

Alle Medien müssen künftig rückkanalfähig werden – und zwar auf allen Plattformen. Wie das funktionieren könnte, finanzierbar bleibt und noch dazu Spaß macht, das erklärt der Publizist und Medienberater Michael Praetorius heute Vormittag auf dem Forum Lokaljournalismus in Bayreuth.

 

[http://www.youtube.com/watch?v=9NNqehMPd14]

Michael Praetorius liebt es, zu provozieren, um die Diskussion anzukurbeln. So erklärt er auf Medienkongressen das Radio gerne mal für tot und den Journalismus im Eimer.

Analoge Arbeitsweisen und Redaktionsstrukturen lassen sich nicht in das Digitale übertragen.

Praetorius: „Digitaler Journalismus erfordert andere Fähigkeiten: Die Kollegen, die heute in den Redaktionen arbeiten, werden entweder nicht entsprechend weitergebildet oder wollen dies selbst nicht. Die Meldung an sich ist heute nichts mehr wert. Journalisten müssen Informationen aus unterschiedlichsten Quellen aufnehmen, aufbereiten, einschätzen, kuratieren, bewerten, verifizieren und das Ergebnis über viele Kanäle hinweg verbreiten. Es ist auch nicht mehr notwendig, jeden Tag eine bestimmte Anzahl an Seiten vollzuschreiben, damit eine durch vier teilbare Zahl entsteht. Diese Workflows sind heute aber noch in den Köpfen. Stattdessen haben wir heute viel stärkere Individualisierungen. Facebook macht uns das mit dem Newsfeed vor.

Es wäre also schlauer, tolle Recherche-Ergebnisse aus unterschiedlichsten Perspektiven für unterschiedliche Menschen mit je anderen Bedürfnissen zu beleuchten.Statt fünf verschiedene Artikel zu schreiben, schreiben Journalisten dann eben nur einen Artikel aber in fünf Perspektiven, bereiten die Informationen langfristiger und interaktiver aus. So kann z.B: Lokaljournalismus über den Kita-Mangel in Berlin ein Datenjournalismus-Projekt werden, das Eltern in Echtzeit zeigt, was für sie relevant ist, aus der Perspektive junger Familien, alleinerziehender Väter, etwas älterer Akademiker oder junger Schulabgänger. Diese befinden sich in einem völlig unterschiedlichen Lebensstadium. Bisher haben Verlage diese Menschen in Zielgruppen unterteilt und mit verschiedenen Verlagstiteln bedient, für die es jeweils eigene Redaktionen gab. Das ist nicht mehr notwendig.“

Michael Praetorius, geboren 1978 in München, lebt als Publizist und Medienberater in München und Berlin. Er ist ein Multimediatalent, spezialisiert auf Strategien, Konzepte, Anwendungen und intermediäre Inhalte für das Web.

Zu seinen Auftraggebern gehören Verlage, Fernseh- und Radiosender, Videospielepublisher, Agenturen und Behörden. Zudem ist Michael Praetorius langjähriger TV- und Hörfunkjournalist und lehrt junge Journalisten an unterschiedlichen Einrichtungen wie dem AFK München oder der Privatsenderpraxis in Wien. An der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing sowie der Dialog Akademie unterrichtet Praetorius Medienmanagement, Online-Marketing und Social Media Strategien.

Bei Antenne Bayern leitete er einige Jahre den Online- und New Businessbereich. Zudem publiziert Praetorius als Blogger auf seiner Website www.praetorius.com oder als Video-Blogger in der Münchner Isarrunde und Berliner Spreerunde.

 

Sammeln, Ordnen, Bewerten

Franz Müntefering – der Sauerländer zu Gast in Franken.

Franz Müntefering – der Sauerländer zu Gast in Franken.

Der ehemalige Vizekanzler und frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sprach die Keynote zum 22. Forum Lokaljournalismus.

Er betonte, wie wichtig es nicht nur sei, Informationen über Ereignisse zu erhalten, sondern dass man auch Zeit dafür habe müsse, sie einzuordnen. Hier könne der Journalismus die entscheidende Rolle spielen. Denn: „Wissen, das man sich ergoogelt, ist noch kein Denken.“

Das Lokale, der Journalismus und die Politik – „Was kann ich als Politiker an Ratschlägen geben in dieser konkreten Situation?“, fragte sich Müntefering. Er habe sich entschieden zum Forum Lokaljournalismus zu kommen, weil Journalisten hören sollten, was Politiker darüber denken.

 

 

Mobilität und Information

Zwei besondere Punkte, die ihm am Herzen lagen, hob Müntefering hervor.

1. „Mobilität ist so massiv und unmittelbar geworden, dass wir in einer Einen-Welt leben“, sagte Müntefering. „Das Bewusstsein hierüber kommt hier in aller Konsequenz bei den Menschen an. Die Dinge verändern sich.  Die kleinen und die großen Einheiten gewinnen an Gewicht.“

Die Menschen würden einen Ort suchen, an dem sie zuhause seien. Die kleine Einheit vor Ort werde an Gewicht gewinnen – das Lokale. Nicht zwingend das Dorf, sondern die Region. Diese sei ein Orientierungspunkt für Menschen. Wenn ein Job gut sei, seien viele Menschen auch bereit, eine Stunde am Tag dorthin zu fahren. „Dieses Zuhause-Sein spielt auch in globaler Welt eine große Rolle“

Dann kam er auf die Frage der Metropolregionen zu sprechen. „Was entwickelt sich da eigentlich?“, fragte sich der ehemalige Bundesminister. „Wie reagieren die Menschen darauf? Sie brauchen die Informationen über diese Zusammenhänge, und wir müssen ihnen die Informationen geben, damit sie sich orientieren können.“ Eine andere Frage sei, wie sich diese Entwicklung mit den demokratischen Ansprüchen verbinde.

2. „Die Bedingungen für Demokratie ist Information“, führte Müntefering aus. „Es gibt Information in Massen. “ Daraus resultiere die Frage: „Wo steht das Wichtige? Was muss ich wissen?“ Und an diesem Punkt würden die Medien eine entscheidende Rolle spielen – auch für Politiker.  „Sammeln, Ordnen, Bewerten – das ist eine zentrale Aufgabe für die Demokratie. Und das macht von Natur her der Journalismus“.

Die Vielfalt und Menge der Kommunikation, so positiv das sei, führe dazu, dass alles leicht zu einem Brei werde. Das Tempo nehme zu. „Kann man sich leisten, eine wichtige Meldung einen Tag lang nicht zu kennen?“, fragte Müntefering. Sei es sinnvoll, immer nur Informationen aufzunehmen, ohne Zeit zu haben, darüber nachzudenken?

„Wissen, das man sich ergoogelt, ist noch kein Denken“, fasste es Müntefering treffend zusammen. Er betonte, wie wichtig es sei, Zeit dafür zu haben, Dinge zu begreifen.

 

Demographischer Wandel

Müntefering schilderte in seiner Rede vor allem die Probleme, die der demographische Wandel für die Provinz – das Lokale – mit sich bringe, wie etwa die zunehmende Landflucht., die Abnahme der Bevölkerung, die Probleme der Arbeitswelt etc. Nur wenn Kommunen handlungsfähig seien und Entscheidungen treffen könnten, könnten sie sich selbst gut organisieren. Er sprach sich für das Programm der sozialen Stadt aus.

 

Was können Lokaljournalisten dabei tun?

„Der Journalismus muss selbstständig sein und ohne Rücksicht auf Verluste die Informationen benutzen, die er hat“, stelle Müntefering klar. „Journalismus ist kein pädagogisches Instrument.“ Er wolle aber mit dem Thema Demographie Hinweise geben, was wichtig ist für die Menschen – zum Beispiel im Berufsleben, die Frage der Arbeitsplätze für junge Menschen, wie die Pflege in Zukunft organisiert werden könne etc.

Journalisten und Helden – der Talk

Michael Rümmele, Thomas Krüger, Joachim Braun beim Erföffnungs-Talk. (v.l.n.r.).

Michael Rümmele, Thomas Krüger, Joachim Braun beim Erföffnungs-Talk. (v.l.n.r.).

Same procedure as every year? Nein, stellte Berthold L. Flöper, Leiter des Lokaljournalistenprogramms der bpb, gleich zum Auftakt des 22. Forums Lokaljournalismus klar. Das Konzept des Forums sei deutlich weiterentwickelt worden. Die Besucher würden stärker mit einbezogen. Und das bereits im Vorfeld, etwa bei der Auswahl der Podiumsgäste. „Die Atmosphäre einer Arbeitskonferenz soll im Fokus der Veranstaltung stehen“, sagte Flöper und übergab das Wort an Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung. Dieser begrüßte zunächst seine Gäste: Michael Rümmele, Geschäftsführer des Nordbayerischen Kuriers, dem Gastgeber der diesjährigen Veranstaltung, und Joachim Braun, dem Chefredakteur der Zeitung.

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Auf allen Kanälen informieren: Audiobeiträge von „Euranet“ für Online-Plattformen von Lokalredaktionen

Ob Nachrichten, Reportagen, Servicebeiträge, unterhaltsame „Erklärstücke” oder Magazinsendungen, etwa zu den Themen rechtsradikale Parteien im Europa-Wahlkampf, Steuerflucht oder Regelungen für das „Reisen mit Tieren“ innerhalb Europas – für lokale und regionale Zeitungsredaktionen stellt das Angebot von Euranet eine interessante Ergänzung dar. Weiterlesen

Europa ist mir wichtig, weil … Teilnehmerstatements

Zum ersten Mal nahmen Radio- und Zeitungsmacher gemeinsam an einer bpb-Redaktionskonferenz teil. Foto: Dudeck

Zum ersten Mal nahmen Radio- und Zeitungsmacher gemeinsam an einer bpb-Redaktionskonferenz teil. Foto: Dudeck

Eine bunte Mischung von 24 Radio- und Zeitungsjournalisten sowie einer Teilnehmerin aus der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt München. Geografisch war die Spannbreite dieses Mal besonders groß: Die Vatikanradiomacherin Stefanie Stahlhofen kam aus dem tiefsten Süden – nämlich aus Rom – angereist. Und aus dem nordischen Jever war Helmut Burlager aus der Lokalredaktion des Jeverschen Wochenblatts vertreten.

Es gibt einige Gründe, warum den Seminarteilnehmern Europa wichtig ist:

Europa ist mir wichtig, weil…

… der Kontinent in Zukunft politisch und wirtschaftlich noch enger zusammenarbeiten wird und ich sehr gern Europäer bin.

… ich schon immer neugierig war auf andere Länder und andere Menschen und weil es uns Frieden sichert.

… Europa zusammenwächst. Das habe ich selbst als Erasmusstudent erlebt. Das war eine tolle Erfahrung. Und an der EU kommt man kaum noch vorbei. Immer mehr Gesetze und Bestimmungen kommen aus Brüssel.

… von der Kooperation in der EU alle profitieren können.

… es ein Friedensgarant ist. Freies Reisen ist möglich und ich habe Freunde in vielen Ecken des Kontinents. Leider ist Europa zu stark abgeschottet für Nicht-EU-Europäer, das sollte sich ändern.

… es keine Alternative gibt und das meiste und grundlegende gut ist!

… es meine Heimat ist – mit schönen Seiten (italienisches Eis, französische Küche, Schottischer Wiskey) und hässliche (Eurokrise, Kirchturmdenken, Regelungswahn, Fremdenfeindlichkeit).

… weil es mir grenzenlose Möglichkeiten für meine Arbeit bietet.

… ich so gerne unterwegs bin und auf Grenzkontrollen und Währungstausch gut verzichten kann.

… die (Binnen-) Grenzen offen sind, die Menschen zueinander kommen und sich kennenlernen können und so der Frieden gesichert wird.

… um die Kultur, den Frieden und die Menschenrechte sowie die Vielfalt der Menschen weltweit zu schützen beziehungsweise sich dafür einzusetzen.

… es zahlreiche Anknüpfungspunkte zur täglichen Arbeit gibt. Gerade in der Landwirtschaft spielt die EU eine entscheidende Rolle. Zudem gibt es am Redaktionssitz Eppingen eine große portugiesische Gemeinde.

… ohne Vielfalt die Impulse fehlen. Europa ist mehr als seine einzelnen Nationalitäten.

… die EU als politische Ebene immer mehr an Einfluss gewinnt, die Zusammenhänge vielen Menschen aber nicht richtig klar sind. Die EU wird zu wenig erklärt.

… der offizielle Zusammenschluss mit allem Für und Wider, mit allen Handicaps, die es zu überwinden gilt, die beste Versicherung ist, dass es zwischen unseren Partnerländern friedlich bleibt – auch in schweren Zeiten.

… ich Europäerin bin.

… Entscheidungen auf europäischer Ebene Einfluss auf den Alltag haben und man besonders als Journalist den Durchblick haben muss, um Entscheidungen und ihre Bedeutung zu transportieren.

… ich mich als Europäerin verstehe und denke, dass mit dem Projekt Europa gemeinsame Pflichten und Ziele verbunden sind, die für den Frieden, den Wohlstand und den Stand der Menschenrechte in der Region und weltweit von enormer Bedeutung sind.