Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, Paul-Josef Raue, Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, der Blogger Richard Gutjahr und der Verlagsberater Steffen Büffel diskutierten am letzten Tag des 20. Forum Lokaljournalismus über die Frage: „Karriere bei der Zeitung – wo gibt’s denn sowas?“ Wie macht man Karriere als Journalist? Dabei kamen die Podiumsteilnehmer ziemlich schnell zum Thema, dass eigentlich alle derzeitigen Debatten bestimmt: Print-Online.
Christian Lindner wies daraufhin, dass jeder Berufsanfänger bei der Rhein-Zeitung einen beruflichen Twitter-Account erhält. Die Rhein-Zeitung stelle heute durchaus Leute ein, die keine Zeile für Print geschrieben hätten. Eher sei ein Ausschlusskriterium dazu gekommen: „Wir nehmen junge Leute nicht mehr, die zeigen, dass sie das Netz nicht verstanden haben.“ Die Rhein-Zeitung stelle inzwischen Leute ein, die man bereits über Twitter kenne. Außerdem wies er auf einen Missstand hin: „Verlage investieren derzeit Millionen in Druckmaschinen, haben aber keine 100.000 Euro für die Ausbildung übrig. Diesen Widerspruch müssen wir lösen.“ Außerdem müsse man den jungen Leute klar machen, dass die Karriere nur über das Lokale gehe.
Gutjahr sagte, dass er sich eine Ausbildung bei Lindner wohl hätte vorstellen können – etwas anderes hingegen nicht. Die Verlagshäuser hätten mit ihrer Einstellung zur Ausbildung die jungen Leute in die Arbeitslosigkeit getrieben. Er habe sich irgendwann gedacht: „Ich kann nicht warten, bis die Entscheider es begriffen haben, worum es geht.“ Viele Verleger hätten ihm gegenüber später eingestanden, dass sie viel mehr hätten experimentieren müssen. Ihn habe bei einem Besuch bei Google das dortige Arbeitsmodell „4 plus 1“ begeistert. Dort arbeiten die Mitarbeiter vier Tage in der Woche für Google, den fünften aber könnten sie experimentieren. Aus solchen Experimenten seien die besten Geschäftsmodelle von Google entstanden. Sein Tipp: „Melden Sie sich bei Twitter an und twittern Sie solange, bis Sie verstehen, wie es geht. Bis Sie verstehen, mit wem Sie es da draußen zu tun haben. Es eröffnet Ihnen einen völlig neuen Horizont an Denkweisen. Twittern Sie. Machen Sie es noch heute.“
Raue betonte, es mache keinen Sinn, den Nachwuchs in ein herkömmliches Volontariat zu schicken. Die jungen Leute wüssten, wie die Online-Welt funktioniere. Man brauche unheimlich gute Leute und man habe wenig Zeit. Es fehle Nachwuchs, der wirklich wisse, was bei einer Zeitung getan werden müsse – egal ob Online oder Print.
Büffel wies daraufhin, dass das, was Lindner propagiere, in vielen Verlagsleitungen noch gar nicht angekommen sei. Auch die externen journalistischen Ausbildungsstätten – Schulen, Institute etc. – hätten die Entwicklung verschlafen. Hier seien die Verlage gefragt, auch genauer zu überprüfen, was die externen Ausbilder anbieten, und besser auszuwählen. Er betonte, dass Talente schon vorher verloren gingen. Das Image des Lokaljournalismus sei nicht das beste. Auch daran müsse man arbeiten.
Zum Schluss der Veranstaltung kam es zu einem überraschenden Moment der Rührung. Paul-Josef Raue kündigte an, dass dies sein letztes Podium auf einem Forum Lokaljournalismus gewesen sei. Es sei an der Zeit, Jüngeren Platz zu machen. Er dankte ausdrücklich der Bundeszentrale für politische Bildung und Berthold Flöper für diese Veranstaltung. Heute sei es der Lokaljournalismus, der den Journalismus rette. „Und der Anstoss kam von einer Behörde. Der Bundeszentrale für politische Bildung.“ Im Anschluss sagte Berthold Flöper der drehscheibe: „Das ist nicht Raues alleinige Entscheidung, ob es sein letztes Podium gewesen ist.“ Der drehscheibe bleibt an dem Fall dran.