Alle Artikel mit dem Schlagwort: Lesernähe

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Ran an die Leser!

Ganz im Zeichen von Best Practice und der Frage: Wie kommen wir an die Leser ran? stand der Mittwochnachmittag der Seminarwoche in Potsdam Einige Stichworte aus den Vorträgen. Jutta Pöschko-Kopp, Redaktionsleiterin der Waiblinger Kreiszeitung, stellte den „Relevanzprozess“ in ihrem Verlag vor. Stichwort: Weg vom Terminjournalismus, hin zu aktiver, selbstbestimmter Themenplanung. Grundlage für die Neuorientierung: Die Leser der Waiblinger Kreiszeitung sind im Schnitt 63 Jahre alt. Die Ausgangsfrage: Wie gewinnt man jüngere Leser? Erkenntnis zu Beginn: Die Leser haben im Allgemeinen wenig Zeit, sich mit Artikeln zu befassen. Was wollen die Leser wissen? Ganz praktische Sachen: Was tut sich in der Stadt? Wo staut sich der Verkehr? Was wird aus dieser oder jener Baustelle? Die Schlussfolgerung: Weg vom Storytelling, hin zu den Baustellen! Zum Relevanz-Begriff: Am Anfang stand für die Waiblinger die Analyse der Menschen der Region: Was brauchen sie? Bei den Themen zählt: Relevanz (was ist wichtig), Orientierung (Warum?) und Nutzwert (Was bringt es mir?) -Waiblingen ist eine Pendlerregion. Es gibt jeden Tag verstopfte Straßen. Ein Beispiel, wie die Redaktion darauf eingeht: die Serie „Pendlerlust, …

Workshops: Chancen und Herausforderungen für kleine Redaktionen

PANEL 1: Geschichte(n) schreiben „Die Kleinen sind die Großen“ – mit diesen aufmunternden Worten eröffnet Marc Rath, Geschäftsführer und verantwortlicher Regionalredakteur der Volksstimme (Altmark), das Panel. Zu den beiden Workshops, die sich direkt an kleinere Redaktionen wenden, seien mehr Teilnehmer gekommen, als zu den Workshops für größere Redaktionen, sagt Rath. Inputgeber des Panels mit dem Titel „Geschichte(n) schreiben“ sind Melanie Lippl, Redakteurin der Mindelheimer Zeitung, und Ulrich Suffner, Redaktionsleiter der Oldenburgischen Volkszeitung in Vechta.               Anforderungen an eine gute Geschichte Eine gute Geschichte muss den Leser bewegen und es muss darin um Menschen gehen. Mindelheimer Zeitung: „Man kann jedes Thema so erzählen, dass es den Leser betrifft.“ Oldenburgische Volkszeitung: „Die Redaktion setzt vor allem auf Polizei- und Gerichtsthemen sowie auf datenjournalistische Umsetzungen. Zudem hat die Zeitung einen Korrespondenten in Hannover, da der Landesdienst der dpa nicht lokal genug ist.“   Organisationsprozesse in der Redaktion Sinnvoll ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen, auf bestimmte Themengebiete spezialisierten Reportern. Ein gutes Tool sind regelmäßige Konferenzen, auf denen die Themen längerfristig geplant, die Ergebnisse …

Henning Bulka: Das Team Audience Engagement der Rheinischen Post

Wie sieht die Zukunft der eigenen Zeitung aus? Bei der Rheinischen Post setzt man auf „Echtzeit und Empathie“, erklärt Henning Bulka, Redaktion Digitales & Team Audience Engagement der Zeitung. Mit anderen Worten: Facebook, WhatsApp und Snapchat. Snapchat: * Eigentlich ein „Anti-Social-Netzwerk“, weil es mit allem bricht: Es gibt keine eigene Profile mehr und keine dauerhafte Verfügbarkeit – Beiträge werden nach 24 Stunden automatisch gelöscht. Das Tool präge damit das Sehverhalten einer ganzen Generation, sagt Bulka. Facebook live: * Livevideos werden immer wichtiger. Inzwischen funktioniert FB Live auch als Schnittstelle, ist nicht mehr aufs Smartphone beschränkt, sondern kann mit einem kompletten TV-Studio verbunden werden. Probleme, die es zu lösen gilt „Filterblasen“: Print-Redakteure, die schon lange im Job sind, nutzen immer die selben Verbindungen und Kontakte. Das gleiche gilt für „Digitalheinis“.„Das greift längst nicht alle Themen ab“, sagt Bulka. „Deshalb müssen wir aus der Blase raus.“ Die Konsequenz: Der Social Media-Redakteur wurde abgeschafft. Stattdessen wurde das „Team Audience Engagement“ gegründet. Team Audience Engagement * Aufgaben: „Facebook“-Nanny für 250 Redakteure und einen Chefredakteur, interaktive Formate entwickeln, neue Kanäle erschließen, …

Mehr Mut im Lokalen

Horst Seidenfaden, Chefredakteur bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine (HNA) in Kassel, ist ein Veteran des Lokaljournalismus. Auf zahlreichen bpb-Foren hat er den Wandel der Branche begleitet und kommentiert. Mit einem herausfordernden Grinsen, perfekt sitzendem Jackett und schlohweißem Haar betritt er an diesem Morgen die Bühne. Sein Redemanuskript besteht lediglich aus ein paar zusammengekritzelten Notizen. Er braucht sie nicht. Seinen Appell hat er verinnerlicht. „Mut ist für mich Mut zur Veränderung.“ Und in den letzten 20 Jahren hat sich bei Lokalzeitungen viel verändert. Die Optik ist neu, aber auch Darstellungsformen und Konzepte. Über Ratssitzungen wird heute lebendiger berichtet als noch 1996. Aber auch besser? Eine schwierige Frage. „Alles was für tun beruht zu 95% auf Berufserfahrung, Lebenserfahrung und journalistischem Instinkt“, sagt Seidenfaden. Gerade in Print sind Erfolg und Misserfolg schwer zu erkennen. Rückmeldungen gibt es nur wenige, und Leserforschung ist teuer – und hat sich auch erst in den letzten Jahren etabliert. „Ich kenne keine Branche, in der auf Marktanalyse so konsequent verzichtet wird wie in der Zeitungsbranche.“ Dies liege daran, dass die Verlagsbranche über Jahrzehnte hinweg …

Der Bürger im Zeitalter des Kuddelmuddels

Wie sieht die Zukunft der öffentlichen Meinungsbildung aus? Jens Lönneker, Geschäftsführer des Kölner Meinungs- und Marktforschungsinstituts Rheingold Salon, liefert in seinem Eröffnungsvortrag „Die verwirrten Bürger – Wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Medien?“ einen fundierten Überblick über Ergebnisse der modernen Meinungsforschung. Dabei langweilt er nicht mit schnöden Zahlen und Studienergebnissen – im Gegenteil, er liefert einen frei gehaltenen, spannenden Vortrag mit vielen Praxisbeispielen und griffigen Zitaten. Angereist ist Lönneker übrigens mit dem Elektroauto – vielleicht ein Hinweis darauf, dass er der Zukunft schon recht nahe ist.  1. Themenfeld: Meinung ist der neue Lokaltermin – tiefenpsychologische Grundlagen für die aktuelle Medienforschung Thesen: – Identität ist heutzutage nicht mehr an regionale Standorte gebunden, sondern an Meinungen. – Vorteile eines tiefenpsychologischen Zugangs in der heutigen Meinungsforschung: Zugang zu vielen Antworten ist direkter, effektiver; Man versucht Antworten zu bekommen, die man sonst nicht so erhält. – Früher war Zeitung immer auch ein Ausdruck der regionalen Identität, heute funktioniert Meinungsbildung nicht mehr über lokale Termine oder Geschehnisse vor Ort, sondern über Meinungen, Stimmungen und Vorlieben der Bürger. – Nur …

Die Presse gehört den Bürgern

Die Geheimwaffe der lokalpolitischen Berichterstattung ist der Bebauungsplan. Denn nicht die zerstrittenen Politiker interessieren die Leser, sondern die Veränderungen in der eigenen Stadt. Zu Gast beim Modellseminar Kommunalpolitik ist der mehrfach ausgezeichnete Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, Paul-Josef Raue, für den die Leserbefragung ein wichtiges Werkzeug für gutes Blattmachen ist. „Die Presse gehört nicht uns, nicht den Verlegern. Wir sind keine Untertanen des Landes, sondern einzig und allein den Bürgern verpflichtet“, sagt Raue voller Inbrunst – und das müsste den Bürgern auch vermittelt werden. Intensiv hat sich der Journalist und Sachbuchautor mit der Frage befasst, wie Leser ticken. Anhand von unterschiedlichen Artikeln zur Lokalpolitik präsentiert er die Ergebnisse von Leserbefragungen und lässt die Kollegen erst einmal raten, welcher Bericht am besten ankam. „Wir müssen informieren, kontrollieren, kommentieren. Ohne Einordnung fühlen sich die Leute verloren, ohne Recherche gibt es keinen Journalismus“, sagt Raue – eine Binsenweisheit, die mit der präsentierten Brise Praxis jedoch einiges an Input gibt. Falscher Politikbegriff langweilt Ein erstes Praxisbeispiel liefert der Flyer des Modellseminars Kommunalpolitik. Von einer Chronistenpflicht ist dort die Rede – jeweils …